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Wie weiter mit dem Recht am `Bild vom Bild´?

Appell fordert Neuregelung der Abbildungs- und Urheberrechte an Kulturgütern

Seit Jahren streiten die Wikimedia-Stiftung und die Reiss-Engelhorn-Museen (REM) vor deutschen Gerichten darüber, wer das Recht am `Bild vom Bild´ hat. Wer glaubte, dass mit dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH) vom Dezember 2018 ein Ende der juristischen Auseinandersetzung und eine verbindliche Orientierung für die künftige praktische Handhabe erreicht seien, der irrte. Zum einen hat die Onlineenzyklopädie angekündigt, nun vor den Europäischen Gerichtshof in Luxemburg zu ziehen. (Anm. 1) Zum anderen haben mehr als 60 namhafte Vertreter von Museen, Instituten, Unternehmen sowie Künstlerinnen und Künstler im März 2019 den sog. Herforder Appell formuliert. Darin geht es nicht nur um das allgemeine Zitatrecht, die öffentliche Zugänglichkeit von Kulturgütern und die gerechte Entlohnung von Kulturschaffenden, sondern auch um die Wissenschaftsfreiheit. Hier der Wortlaut.

Herforder Appell

zur Neuregelung der Abbildungs- und Urheberrechte an Kulturgütern

1. Im Rahmen der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG) ist eine Stärkung des Zitatrechts für Bilder dringend geboten. Jegliche Abbildung eines (auch urheberrechtlich geschützten) Werkes sollte sowohl analog als auch digital frei und unabhängig von den Bezugsquellen kostenfrei verwendbar sein, wobei sich Art und Umfang des erlaubten Bildzitats aus dem Ziel der jeweiligen wissenschaftlichen Argumentation ergeben. Die bisher oft unklaren und von den Inhabern der Bildrechte vielfach sehr restriktiv praktizierten Regeln sind zugunsten von Standards zu modifizieren, die das wissenschaftliche Arbeiten uneingeschränkt und rechtssicher erlauben. Dazu gehört auch die freie Nutzung von digitalen Framing/Embedding-Techniken.
2. Die Vergütung der urheberrechtlichen Interessen sollte sich maßgeblich aus den Einnahmen einer „Kulturabgabe“ speisen, die deutlich höher als bereits praktiziert auf alle bildproduzierende und -reproduzierende Hardware (beim Verkauf, bei der Miete), Services und Plattformen (als Teil der Nutzungsgebühr, als Pauschalabgabe) erhoben wird. Museen, Bibliotheken, Archive und vergleichbare Einrichtungen sollten von diesen Abgaben grundsätzlich befreit sein. Die zentrale Verteilung der vereinnahmten Mittel muss über die zu einer öffentlichen Vergütungseinrichtung weiterentwickelte VG Bild-Kunst erfolgen. Im Gegenzug werden die von Lizenzgebühren entlasteten Institutionen und Initiativen dazu verpflichtet, die eingesparten Mittel für eine stärkere Honorierung künstlerischer Aktivitäten in ihren Einrichtungen zu nutzen.
3. Es ist zu verhindern, dass bereits gemeinfreie Werke über ihre Digitalisierung oder ähnliche nichtkreative Bearbeitungen der Gemeinfreiheit wieder entzogen werden. Sacheigentum und Besitz eines gemeinfreien Werkes dürfen keinen Einfluss auf dessen Reproduktionsrechte haben. Die freiwillige Überführung von noch geschützten Werken in die Gemeinfreiheit wird durch eine angemessene Vergütung künstlerischer Leistungen an einem sehr frühen Punkt der Verwertungskette erleichtert. In öffentlichen Museen sollte das private, nichtprofessionelle Fotografieren grundsätzlich erlaubt sein.
4. Werke in öffentlichem, also von der Allgemeinheit finanziertem Eigentum dürfen von der jeweiligen öffentlichen Institution im Zuge einer Bereichsausnahme in jeder Reproduktionsform frei genutzt werden. Ihrem Bildungsauftrag können öffentliche Einrichtungen nur angemessen nachkommen, wenn sie ihre Werke z.B. online öffentlich zugänglich machen oder im Zuge museumspädagogischer Programme unbeschränkt nutzen können. Der Sonderstatus von Werken in öffentlichem Eigentum muss (im Rahmen bestehender Urheberpersönlichkeitsrechte) dadurch gestärkt werden, dass Urheber bzw. deren Rechtsnachfolger Reproduktionen davon künftig nicht mehr verhindern können und dass insbesondere keine neuen Rechte durch den Digitalisierungsprozess entstehen. Lediglich die Verwendung in kommerziellen Zusammenhängen (Museumsshop o.ä.) ist von der Bereichsausnahme ausgenommen. (Anm. 2)

»Herforder Appell« und »Münchner Note«

Der Herforder Appell knüpft an die im Februar 2018 formulierte „Münchner Note“ an. Ein Anliegen der Note ist die „Erarbeitung eines Weges, um Werke, die nicht gemeinfrei sind, im digitalen Raum nutzen und präsentieren zu können.“ (Anm. 3) Der Appell ist das Ergebnis einer zweitägigen Konferenz, die am 14./15.09.2018 im Marta Herford stattgefunden hat, also zeitlich vor dem eingangs genannten Urteil des BGH. Der nach dem BGH-Urteil veröffentlichte Appell sieht mit Blick auf die aktuellen Weichenstellungen zum Bild- und Verwertungsrecht die „Notwendigkeit für einen nächsten Schritt“. Der Herforder Appell richtet sich an Politik und Gesetzgebung in Bund und Ländern sowie auf europäischer Ebene. Neben den eingangs genannten Zielen will der Appell auch Rechtsunsicherheiten beenden und jeglichen Versuch verhindern, „über die Bildrechte die Rezeption von Werken zu steuern und einen freien Diskurs zu verhindern.“ (Anm. 4)

Anm. 1: Vgl. Berthold Schmitt, Wer hat Recht am `Bild vom Bild´? Reiss-Engelhorn-Museen gewinnen erneut Rechtsstreit gegen Wikimedia, in: KulturBetrieb, eins 2019, S. 68 f.
Anm. 2: Der Herforder Appell, März 2019, in: Marta Herford; Quelle: marta-herford.de/herforderappell/; Abfrage: 20.07.2019
Anm. 3: Vgl. Berthold Schmitt, »Münchner Note« zur Digitalisierung von Kunst- und Kulturgut. Gedächtniseinrichtungen fordern politische Unterstützung, in: KulturBetrieb, eins 2018, S. 60 f.
Anm. 4: Dem Herforder Appell ist eine Liste der Unterzeichnenden beigefügt.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2019, S. 70 f.