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Wer hat Recht am `Bild vom Bild´?

Reiss-Engelhorn-Museen gewinnen erneut Rechtsstreit gegen Wikimedia

Die juristische Auseinandersetzung hat drei Jahre gedauert und mehrere Instanzen durchlaufen. Im Dezember 2018 hat der Bundesgerichtshof (BGH) entschieden, „dass Fotografien von (gemeinfreien) Gemälden oder anderen zweidimensionalen Werken regelmäßig Lichtbildschutz nach § 72 UrhG genießen.“ (Anm. 1)

Was war der Auslöser?

Die Reiss-Engelhorn-Museen (REM) bewahren ein Gemälde auf, das den Komponisten Richard Wagner zeigt. Die Rechte des Dargestellten (1813-83) und des Malers (Cäsar Willich, 1825-86) sind erloschen. Zentraler Gegenstand des juristischen Streites ist also nicht das gemeinfreie Original, sondern die fotografischen Ablichtungen desselben. Diese sind 1992 im Auftrag der REM angefertigt worden. Im Jahr 2006 hat ein Nutzer der Onlineenzyklopädie Wikipedia eine der Reproduktionen des Wagner-Gemäldes sowie Reproduktionen und eigene Fotografien anderer Werke online gestellt. Die REM forderten dazu auf, diese Fotos zu löschen. Wikipedia bzw. Wikimedia haben dies abgelehnt. In der Folge kam es zu mehreren Prozessen. 2015 hat das Amtsgericht Nürnberg im Sinne von Wikimedia entschieden. Dagegen hat das Landgericht Berlin im Mai 2016 zugunsten der REM entschieden: „Die streitgegenständlichen Fotos unterliegen als Lichtbilder im Sinne des § 72 Abs. UrhG dem Urheberrechtsschutz.“ (Anm. 2) Gegen dieses Urteil hat die Wikimedia-Stiftung Widerspruch eingelegt. (Anm. 3)

Lichtbildschutz hat Vorrang

Vor dem BGH hat Wikimedia u.a. argumentiert, „dass unser Kulturerbe in Zeiten digitaler Medien seiner Eigenschaft als Allgemeingut beraubt wird, wenn sich auch bei exakten Reproduktionen gemeinfreier Werke am Ende die Foto-Rechte gegenüber dem gemeinfreien Status des fotografierten Werks durchsetzen.“ (Anm. 4) Die Richter am BGH sehen das anders: „Das Hochladen der eingescannten Bilder aus der Publikation der Klägerin verletzt das der Klägerin vom Fotografen übertragene Recht, die Lichtbilder öffentlich zugänglich zu machen (§ 97 Abs. 1 Satz 1 UrhG, § 72 Abs. 1 UrhG, § 19a UrhG). Die Fotografie eines Gemäldes genießt Lichtbildschutz nach § 72 Abs. 1 UrhG. Bei ihrer Anfertigung hat der Fotograf Entscheidungen über eine Reihe von gestalterischen Umständen zu treffen, zu denen Standort, Entfernung, Blickwinkel, Belichtung und Ausschnitt der Aufnahme zählen. Deshalb erreichen solche Fotografien regelmäßig – so auch im Streitfall – das für den Schutz nach § 72 Abs. 1 UrhG erforderliche Mindestmaß an persönlicher geistiger Leistung.“

Fotografierverbot ist gültig

Zugleich ist der BGH in einem zweiten Punkt den Argumenten des REM gefolgt. Hierbei ging es um die von dem Wikipedia-Nutzer selbst angefertigten und online gestellten Fotografien. Auch das ist nicht gestattet, wenn die Besucher- bzw. Hausordnung eines Museums ein entsprechendes Verbot vorsieht: „Mit der Anfertigung eigener Fotografien anlässlich eines Museumsbesuchs hat der Beklagte gegen das vertraglich vereinbarte Fotografierverbot verstoßen. Die entsprechende Vorschrift in der Benutzungsordnung und aushängende Piktogramme mit einem durchgestrichenen Fotoapparat stellen Allgemeine Geschäftsbedingungen dar, die wirksam in den privatrechtlichen Besichtigungsvertrag einbezogen worden sind und der Inhaltskontrolle standhalten. Die Klägerin kann als Schadensersatz wegen der Vertragsverletzung des Beklagten gemäß § 280 Abs. 1, § 249 Abs. 1 BGB verlangen, dass der Beklagte es unterlässt, die Bildaufnahmen durch Hochladen im Internet öffentlich zugänglich zu machen. Dieses Verhalten stellt ein äquivalent und adäquat kausales Schadensgeschehen dar, das einen hinreichenden inneren Zusammenhang mit der Vertragsverletzung aufweist.“ (Anm. 5)

Und nun?

Für Museen, die die Kontrolle über die mediale Verbreitung ihrer Werke behalten wollen, sehen (einstweilen) klarer. Verstöße gegen das Hausrecht (Fotografierverbot) und / oder das unerlaubte Hochladen geschützter Fotografien können künftig leichter geltend gemacht und durchgesetzt werden. Das kann z.B. mit Blick auf wirtschaftliche Interessen an der Vermarktung von Abbildungen oder die Zusammenarbeit von Museen und Sammlern untereinander von Vorteil sein. Auch in diesem Sinne hatten die REM sich geäußert. Dagegen betrachtet Wikipedia das Urteil als Rückschlag für die Rechte am gemeinsamen Kulturerbe. Nach Ansicht des Medienrechtsexperten Thomas Hoeren könnte das Urteil „das Ende der deutschen Wikipedia und des Grundprinzips sein, dass die Fotos und Informationen der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden. Wikipedia ging immer davon aus, dass Fotos von gemeinfreien Gegenständen bei der Verwendung unproblematisch seien. Die Betreiber müssen jetzt verschärft nachschauen: Wo kommen überhaupt die Fotos her, die Nutzer dort hochladen? (…) Ich mache mir Sorgen, dass das Urheberrecht und das Eigentumsrecht so eine große Macht bekommen, dass man als Nutzer gar keine Freiheiten mehr hat. Das Urheberrecht lebt von einer Balance der Interessen der Urheber, der Verwerter und der Nutzer. (…) In den USA gibt es bei der Rechtsprechung einen ganz allgemeinen Gedanken: Der heißt Fair Use. Man darf alles machen, was fair ist. Im Einzelfall schaut man, was fair ist und was nicht. Die Amis sind da großzügiger und können flexibler an neue Technologien und neue Fragestellungen herangehen.“ (Anm. 6)

Und Wikimedia? Die Plattform hofft nun auf den deutschen Gesetzgeber und auf europäisches Recht: „Jetzt ist also der Gesetzgeber gefragt, den allzu pauschalen Paragrafen 72 des Urheberrechtsgesetzes zu reformieren. Denn ob die geistigen Schöpfungen früherer Jahrhunderte auch im Digitalen zu Allgemeingut werden, darf nicht vom guten Willen jedes einzelnen Museums abhängen. (…) Wenn nun laut Bundesgerichtshof der Lichtbildschutz des Paragraphen 72 des Urheberrechtsgesetzes also dazu führt, dass sich die Gemeinfreiheit der Originale an den Digitalisaten nicht fortsetzt, muss das Gesetz in diesem Punkt nachgebessert werden. Gelegenheit dazu wird spätestens dann bestehen, wenn die bereits laufende EU-Urheberrechtsreform in deutsches Recht umgesetzt werden muss.“ (Anm. 7)

Anm. 1: Veröffentlichung von Fotografien gemeinfreier Kunstwerke, ZR 104/17, in: Der Bundesgerichtshof, Mitteilung der Pressestelle, 195/2018, 20.12.2018; Quelle: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=pm&Datum=2018&Sort=3&nr=90674&pos=1&anz=195 ; Abfrage: 03.01.2019
Anm. 2: Landgericht Berlin: Stadt Mannheim vertreten durch Eigenbetrieb Reiss-Engelhorn-Museen gegen Wikimedia Foundation vertreten durch Wikimedia Deutschland e.V., Geschäftsnummer 15 O 428/15, S. 26; Quelle: https://upload.wikimedia.org/wikipedia/foundation/5/52/Reiss-Engelhorn_Museum_ %28REM%29_of_the_City_of_Mannheim_v._Wikimedia_Foundation_Landgericht.pdf; Abfrage: 03.01.2018
Anm. 3: Vgl. Berthold Schmitt, Wer hat Recht am `Bild vom Bild´? Reiss-Engelhorn-Museen gewinnen Rechtsstreit gegen Wikimedia, in: KulturBetrieb, drei 2016, S. 84.
Anm. 4: John Weitzmann und Lisa Dittmer, Urteil zu gemeinfreier Kunst: Kulturerbe für alle, aber nicht im Netz, in: Blog.Wikimedia, 20.12.2018; Quelle: https://blog.wikimedia.de/2018/12/20/urteil-zu-gemeinfreier-kunst-kulturerbe-fuer-alle-aber-nicht-im-netz/ ; Abfrage: 03.01.2019
Anm. 5: Veröffentlichung von Fotografien gemeinfreier Kunstwerke, a.a.O.
Anm. 6: Geraldine Oetken, Das könnte das Ende von Wikipedia sein. Bundesgerichtshof schränkt Hochladen von Bildern ein. Interview mit Thomas Hoeren, in: Leipziger Volkszeitung, 24.12.2018
Anm. 7: Weitzmann / Dittmer, a.a.O.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in eins 2019 KulturBetrieb, S. 68 f.