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Websites müssen barrierefrei sein

In den USA werden Kunstgalerien von Blinden verklagt

Die USA gelten als das Land der unbegrenzten Möglichkeiten – auch hinsichtlich skurril anmutender Schadensersatzklagen, die nicht selten mit enormen Geldforderungen einhergehen. Nun trifft es Kunstgalerien, deren Websites nicht hinreichend für Blinde ausgelegt sind.

Systematische Klagen

In den USA haben Behinderte bereits seit 1990 das Recht auf Gleichstellung. Öffentliche Institutionen und private Unternehmen sind deshalb gut beraten, den Bedürfnissen von Menschen mit Einschränkungen gerecht zu werden. Parallel dazu haben sich Rechtsanwälte darauf spezialisiert, gegen Verletzungen dieses Rechts vorzugehen – nicht zuletzt wegen der guten Verdienstmöglichkeiten. Davon ist selbstverständlich auch das Internet betroffen. „2018 verdreifachten sich die Gerichtsverfahren gegen Onlinesünder. Allein in New York wurden 1.564 Prozesse angestrengt. Dazu zählt eine Flut von Prozessen gegen New Yorker Galerien, deren Websites Blinden keinen Zugang ermöglichen. Erst kürzlich verklagte ein sehbehinderter Mann namens Henry Tucker aus Manhattan systematisch Dutzende Galerien – von Adam Baumgold Fine Arts bis zum Buchstaben H; ein zweiter Blinder nahm sich dann den Rest des Alphabets vor. Die beiden Herren wurden von zwei Rechtsanwälten – Joseph Mizrahi und Jeffrey Gottlieb – vertreten, die auf diesem Gebiet als führend gelten: Nicht nur Galerien, sondern auch ein Yogastudio und eine Tagesstätte für Hunde wurde von ihnen wegen behinderungsungerechten Internetportalen belangt. Die Galeristen rechnen mit Schlichtungsbeiträgen in Höhe von 10.000 bis 15.000 Dollar pro Klage.“ (Anm. 1)

Auf dem alten Kontinent ist Ähnliches einstweilen nicht zu erwarten. Hier regelt EU-Richtlinie 2016/2102, „dass die Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen auf der Grundlage gemeinsamer Anforderungen an einen barrierefreien Zugang besser zugänglich gemacht werden.“ Ziel der Bemühungen ist es, dass Menschen mit Beeinträchtigungen und ältere Menschen möglichst alle Angebote öffentlicher Einrichtungen ohne zusätzliche Hilfen nutzen und wahrnehmen können. Die im September 2018 in Kraft getretene EU-Richtlinie will dazu ermutigen, „alle Inhalte barrierefrei zugänglich zu machen, es wird damit aber nicht die Absicht verfolgt, die Inhalte, die öffentliche Stellen auf ihre Websites oder in ihre mobilen Anwendungen aufnehmen, ausschließlich auf barrierefrei zugängliche Inhalte zu beschränken. Wenn nicht barrierefrei zugängliche Inhalte aufgenommen werden, sollten öffentliche Stellen stets – soweit dies vernünftigerweise möglich ist – barrierefrei zugängliche Alternativen auf ihren Websites oder in ihren mobilen Anwendungen hinzufügen.“ Die Qualität des barrierefreien Zugangs wird insbesondere an den Grundsätzen der Wahrnehmbarkeit, Bedienbarkeit, Verständlichkeit und Robustheit bemessen. (Anm. 2)

Was können Galerien tun?

Tastobjekte, die in vielen Museen bereitgehalten werden, können im Internet keinen Ausgleich schaffen. „Advokaten der Blinden lassen solche Argumente nicht gelten und verlangen verbale Beschreibungen. Je nach Ambition lassen sich Webseiten für ein paar 100 bis zu mehreren 1.000 Dollar um eine Audiokomponente bereichern, Eine Reihe von Galerien produziert längst eigene Podcasts, meist Interviews mit Künstlern und Kuratoren. Allerdings denken sie dabei wohl weniger an Blinde als an jene Multitasker, die sogar im Sportstudio nach Information hungern.“ (Anm. 3)

Anm. 1: Claudia Steinberg, Website-Zugang erschwert. Blinde verklagen US-Galerien, in: KUNSTZEITUNG, Juli 2019, S. 5.
Anm. 2: Richtlinie (EU) 2016/2102 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugang zu den Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen, besonders Gründe 2, 9, 28, 37 und 46; Quelle: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32016L2102&from=GA; Abfrage: 08.07.2019; vgl. Berthold Schmitt, Barrierefreie Websites und Apps. Das gilt auch für öffentliche Kulturbetriebe, in: KulturBetrieb, eins 2019, S. 49.
Anm. 3: Steinberg, Website-Zugang erschwert, 2019, S. 5.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2019, S. 69.