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Versicherung von Kunst- und Kulturgut

Museen sollten wissen, worauf es bei der Versicherung ankommt

Die spektakulären Einbrüche in das Bode-Museum in Berlin (27. März 2017) und das Grüne Gewölbe in Dresden (25. November 2019) haben auf sehr drastische Weise das ständige Balancieren zwischen möglichst offener Präsentation und möglichst sicherer Aufbewahrung von Kunst- und Kulturgütern vor Augen geführt. Diesem Risiko sind öffentliche Museen, Schlösser und Ausstellungshäuser qua (Bildungs-) Auftrag permanent ausgesetzt. Für die Kulturbetriebe ergeben sich daraus neue Anforderungen, z.B. bezüglich der Versicherung.

Museumssicherheit ist das eine …,

Der Diebstahl der drei Garnituren aus dem Grünen Gewölbe wird noch untersucht. Anfang März 2020 ist das Phantombild eines Tatverdächtigen veröffentlicht worden. Außerdem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen vier Wachleute des Grünen Gewölbes. So wird den „beiden Wachleuten, die zur Tatzeit im Dienst waren, vorgeworfen, `im Zusammenhang mit dem Einbruch nicht adäquat reagiert und den Diebstahl´ verhindert zu haben.“ Den anderen wird zur Last gelegt, „die Haupttäter unterstützt zu haben, indem sie diesen Unterlagen zu den Räumlichkeiten des Grünen Gewölbes und zu den Sicherheitssystemen übergeben haben soll. Und weiter: Außerdem steht eine Handlung in Bezug auf die Alarmanlage in Rede, durch die der Diebstahl begünstigt worden sein könnte.“ (Anm. 1)
Weiter ist man in Berlin. Dort sind am 20. Februar 2020 drei der vier Angeklagten zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden, aber die Beute – die rund 100 Kilogramm schwere Goldmünze Big Maple Leaf – wird wohl auf immer verschwunden bleiben, da vermutlich eingeschmolzen. Nach (vorläufigem?) Abschluss des Strafprozesses gehen die Auseinandersetzungen nun auf zivilrechtlicher Ebene weiter. Zentrale Akteure dabei sind der Eigentümer und Leihgeber der Münze, das leihnehmende Bode-Museum bzw. die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und die versichernde Allianz. „Der Eigentümer der 100 Kilogramm schweren Münze, Boris Fuchsmann, verklagt die Allianz-Versicherung, um die volle Auszahlung der Versicherungssumme zu erreichen. Bisher seien ihm 800.000 Euro ausgezahlt wurden, sagte der Düsseldorfer Kunstsammler und Immobilieninvestor auf Anfrage von rbb|24, die Münze sei aber für 4,2 Millionen Euro versichert gewesen.“ Zur Verteidigung ihrer Haltung, die geforderte Schadenssumme nicht vollumfänglich auszuzahlen, verweist die Allianz auf Mängel bei der Sicherheit im Museum. Das Fenster, durch das die Täter das Gebäude betreten und verlassen haben, und die Vitrine, in der die Münze gezeigt worden ist, seien nicht alarmgesichert gewesen. (Anm. 2) Mit Urteil vom 17. März 2020 hat das Landgericht Berlin die Klage des Eigentümers der Münze abgewiesen und der Versicherung Recht gegeben. Das Landgericht hat die Klage von Boris Fuchsmann mit der Begründung abgewiesen, „dass kein versicherungsvertraglicher Leistungsanspruch bestehe. Zwar stelle der Diebstahl der Goldmünze ein versichertes Ereignis dar. Die Versicherung müsse aber wegen einer erhöhten Gefahr keine Leistungen zahlen. Im Bode-Museum sei die elektronische Öffnungsüberwachung des bei dem Einbruch benutzten Fensters `seit einem versicherungsrechtlich nicht unerheblichen Zeitraum´ defekt gewesen, erklärte das Gericht. Dies habe zu einer rechtlich relevanten Erhöhung des versicherten Risikos geführt. Das reduzierte Sicherheitsniveau sei vom Bode-Museum auch nicht durch anderweitige Schutzmaßnahmen kompensiert worden. Diese Gefahrenerhöhung müsse sich auch der Eigentümer der Goldmünze zurechnen lassen.“ Gegen das Urteil kann der unterlegene Kläger noch Berufung einlegen. (Anm. 3)
In dem Prozess vor dem Berliner Landgericht geht es auch um Fragen der baulichen, mechanischen, elektronischen und personellen Sicherheit. Darüber hinaus haben die spektakulären Ereignisse von Berlin und Dresden das Thema Museumssicherheit auch in die Öffentlichkeit getragen. In Reaktion darauf und um Kulturgüter künftig besser schützen zu können, soll die Konferenz „Im Fokus: Museen und Sicherheit. Herausforderungen für Einbruch- und Diebstahlschutz“ durchgeführt werden. Veranstalter und Förderer sind der Deutsche Museumsbund (DMB) bzw. die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Tagungsinhalte sollen in allgemeine Sicherheitsempfehlungen des DMB einfließen. (Anm. 4)

… was aber ist mit der Versicherung?

Museen und Ausstellungshäuser sollten sich frühzeitig und möglichst breit über die komplexe Materie Versicherung kundig machen und beraten lassen, von Versicherern sowie von unabhängigen Versicherungsmaklern. Diese bieten ihren Kunden z.B. als Service an, Bedingungswerke zu überprüfen. Entsprechende Veranstaltungsformate gibt es zudem, darunter das Kölner Kunstversicherungsgespräch (KKVG), das seit 2012 jährlich von der Zilkens Fine Art Insurancebroker GmbH durchgeführt wird. Thema des 9. KKVG, das am 24. April 2020 stattgefunden hat: „Staatshaftung“ – Sinnvolles Instrument oder latente Überforderung öffentlicher Haushalte? (Anm. 5)
Um die Materie besser einschätzen und überblicken zu können, sollten leihgebende und leihnehmende Kulturbetriebe die spezifische Perspektive und die zentralen Überlegungen der Kunstversicherer kennen. Erste Annäherung an das Thema bieten die „Unverbindlichen Hinweise und Risikofaktoren in der Kunstversicherung“ des Transport-Informations-Service (TIS) des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Darin wird der „Bogen von den unterschiedlichen Versicherungsnehmern über die verschiedensten Objektarten bis hin zu möglichen Maßnahmen der Schadenverhütung [gespannt]. Für den Kunstversicherer ist die Risikoanalyse einer der Kernbereiche seiner Tätigkeit. Dieser ist geprägt durch den scheinbaren Widerspruch von allgemein gültigen und objektiven Faktoren einerseits sowie individueller Erfahrung und subjektiver Auslegung andererseits. In diesem nicht standardisierbaren Arbeitsmuster liegt der wesentliche Unterschied zu den sonstigen, tariflich gestützten Versicherungssparten.“ (Anm. 6) Die Hinweise machen nicht nur vertraut mit der Terminologie der Versicherer (z.B. `Bekannter Versender´), sondern geben einen Überblick über die relevanten Parameter der Branche, darunter: Arten und Eigenschaften der Objekte; Wege, Dauer und Mittel der Transporte; Verpackung, Beladung, Lagerung oder Einflussmöglichkeiten im Schadenfall, Regressmöglichkeiten sowie Empfehlungen zur Verhütung von Schäden.

Ein weiterer Akteur und Partner des Transport-Informations-Service (TIS) ist seit Mitte 2019 der SiLK – SicherheitsLeitfaden Kulturgut. „Dieser bietet zu insgesamt 13 Risiken (darunter Diebstahl, Brand, Vandalismus) und zum Allgemeinen Sicherheitsmanagement die Möglichkeit zur Information und Selbstevaluation. SiLK bietet zu jedem dieser Themen einen
• Einführungstext, der die inhaltlichen Grundlagen erläutert,
• einen Fragebogen, der eine Bewertung nach dem Ampel-Prinzip sowie Handlungsempfehlungen zur Behebung von Mängeln liefert, und
• einen Wissenspool, der weiterführende Informationen und Materialien enthält.
Die Analyse der eigenen Situation mit dem SiLK – SicherheitsLeitfaden Kulturgut ist eine Handreichung, um Kulturgüter / Kunstobjekte vor Schäden zu bewahren und den eigenen Sicherheitsstandard zu verbessern.“ (Anm. 7)

Von dem verknüpften Wissen von SiLK und TIS können nicht nur Kunstversicherer profitieren, sondern auch die Kulturbetriebe selbst. Im dreimonatigen Wechsel werden auf der TIS-Webseite verschiedene SiLK-Themen vorgestellt. Als nächstes wird z.B. das Thema Schädlinge / Schimmel präsentiert, das auch bei Transporten und im Leihverkehr von großer Bedeutung ist. Die Website ist öffentlich und kostenfrei für alle Interessierten zugänglich.
http://www.tis-gdv.de/tis/bedingungen/silk/inhalt.htm

Anm. 1: Nach Juwelenraub im Grünen Gewölbe: Ermittlungen gegen Wachmänner, in: Tag24, 08.03.2020; Quelle: https://www.tag24.de/dresden/nach-juwelenraub-im-gruenen-gewoelbe-ermittlungen-gegen-wachmaenner-1454211 ; Abfrage: 09.03.2020; vgl. auch Martin Machowecz u.a., Allein im Gewölbe. Allmählich lässt sich rekonstruieren, wie gut vorbereitet die Dresdner Museumsräuber im November waren, in: Die ZEIT, 12. März 2020, S. 55.
Anm. 2: Oliver Noffke, Eigentümer der Goldmünze fordert volle Versicherungssumme. Zivilprozess um „Big Maple Leaf“, in: rbb24, 21.02.2020; Quelle: https://www.rbb24.de/panorama/beitrag/2020/02/bode-museum-goldmuenze-big-maple-leaf-versicherung-berlin.html ; Abfrage: 08.03.2020; zum Diebstahl selbst vgl. Berthold Schmitt, Technik ist nur so sicher wie der Mensch. Was der Münzdiebstahl im Bode-Museum lehrt, in: KulturBetrieb, eins 2019, S. 79 f.
Anm. 3: Goldmünzen-Eigentümer scheitert vor Gericht, in: ntv, 17.03.2020; Quelle: https://www.n-tv.de/panorama/Goldmuenzen-Eigentuemer-scheitert-vor-Gericht-aticle21648847.html ; Abfrage: 17.03.2020
Anm. 4: Vgl. Im Fokus: Museen und Sicherheit. Herausforderungen für Einbruch- und Diebstahlschutz, in: Deutscher Museumsbund, 29.01.2020; Quelle: https://www.museumsbund.de/museen-und-sicherheit/ ; Abfrage: 08.03.2020
Anm. 5: Vgl. KKVG 2020; Quelle: https://www.zilkensfineart.com/info/kkvg/kkvg-detail/artikel/kkvg-2020-353/?no_cache=1&cHash=c63f5e396730acab0b3aaff88b251dcc ; Abfrage: 08.03.2020
Anm. 6: Unverbindliche Hinweise und Risikofaktoren in der Kunstversicherung, in: TIS – Transport-Informations-Service. Fachinformationen der Deutschen Transportversicherer; Quelle: https://www.tis-gdv.de/tis/bedingungen/trp_faktoren_kunst/trp_faktoren_kunst.htm/ ; Abfrage: 08.03.2020
Anm. 7: Arbeit mit dem SiLK – SicherheitsLeitfaden Kulturgut, in: TIS – Transport-Informations-Service; Quelle: https://www.tis-gdv.de/tis/bedingungen/silk/inhalt-htm/ ; Abfrage: 08.03.2020

 Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2020, S. 56 f.