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Rote Liste für fragwürdige Sponsoren?

Wachsender Widerstand gegen sog. Schmutziges Geld

Spätestens seit den 1990er Jahren gelten private Geldgeber im Bereich der Kultur vielfach als Retter in der Not. Doch inzwischen dreht sich der Wind: In den USA und in Europa wird die finanzielle Förderung öffentlicher Kulturbetriebe durch Industrieunternehmen, die ihr Geld auf tatsächlich oder vermeintlich dubiose Weise verdienen, zunehmend kritisch gesehen. Nun hat der Louvre auf Druck von Aktivisten den Namen eines umstrittenen Mäzens entfernt.

»Sackler Pain-Kollektiv«

Die Familie Sackler, einer der großen Mäzene in den USA, unterstützt zahlreiche Universitäten sowie Forschungs- und Kultureinrichtungen in Amerika und Europa. Reich geworden ist das Unternehmen mit dem Schmerzmittel Oxycontin, das lange Zeit als eines der umsatzstärksten Arzneimittel der Welt galt. Inzwischen sind mehrere Klagen gegen das Medikament anhängig: Oxycontin soll stark abhängig machen und schuld am Tod von mehr als 200.000 Menschen sein.
Auch Fotografin Nan Goldin macht Sackler für ihre einstige Drogensucht verantwortlich. Seit einiger Zeit formiert sich Widerstand gegen die enge Verknüpfung der Familie und der von ihr geförderten Kulturinstitutionen: „Unter der Führung der Starfotografin Nan Goldin gab es beispielsweise im Metropolitan Museum Proteste gegen die Familie Sackler und deren Pharmaunternehmen. Goldin initiierte weitere Proteste in der National Gallery in London und am New Yorker Guggenheim und sie fordert noch mehr. Eine Reaktion aus Berlin ist, dass das dortige Jüdische Museum derzeit kein Sackler-Geld mehr annehmen will. Eine weitere Reaktion ist die Erklärung der Sackler-Familie, ihre millionenschweren Unterstützungen in Großbritannien, von der nicht nur in London die Serpentine Gallery, das V&A Museum oder die Tate profitierten, vorerst einzustellen.“ (Anm. 1) Nach Protesten des »Sackler Pain-Kollektivs« vor dem Louvre am 1. Juli 2019 „berichtete Louvre-Präsident Jean-Luc Martinez, dass die vor 20 Jahren nach der Kunstmäzenen-Familie benannten Räume im Louvre nicht mehr den Namen Sackler tragen. Die Namenstafeln wurden entfernt, und auch auf der Website des Louvre sei der Name gelöscht. Nach einer Spende von zehn Millionen Franc im Jahr 1997 waren zwölf Räume im Louvre nach der Sackler-Familie benannt worden.“ (Anm. 2) Inzwischen gibt es in den USA auch erste personelle Konsequenzen: „Gerade hat Warren Kanders seinen Rücktritt als Vorstandsmitglied des New Yorker Whitney Museums of American Art erklärt, für das er auch ein wichtiger Geldgeber ist. Der Mann stellt in seiner Firma Tränengas her, das an der mexikanischen Grenze eingesetzt wird. Der Künstler Michael Rakowitz hatte deshalb seine Teilnahme an einer Ausstellung abgesagt.“ (Anm. 3)

Schutz vor negativem Imagetransfer

2016 hat der Energiekonzern E.on mitgeteilt, seine Partnerschaft mit dem Museum Kunstpalast auslaufen zu lassen haben. Im selben Jahr haben das Edinburgh International Festival und die Tate Britain die langjährige Zusammenarbeit mit dem Mineralölunternehmen BP aufgekündigt und das British Museum und die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden sind aufgefordert worden, ihre Verträge mit dem Ölmulti nicht zu verlängern. (Anm. 4) Die Glaubwürdigkeit der Kultureinrichtungen könnte leiden: „Neuerdings wird immer häufiger gefragt: Womit haben die besagten Mäzene ihr Vermögen verdient? Was für politische, ethische und sonstige Ansichten vertreten sie? Wie sich zeigt, lassen sich die Ideologien und Geschäfte von manchen Gönnern nämlich nur schwer mit den Werten vereinbaren, die Kulturschaffende für sich reklamieren.“ (Anm. 5) Auch aus ethisch-ökologischen Gründen wächst der Rechtfertigungsdruck gegenüber sog. »Dirty Donors«: „Dass der Ruf der privaten Kulturförderung in den letzten Jahren ziemlich gelitten hat, ist kein Zufall. Spätestens seit der Finanzkrise von 2008 entdecken immer mehr Investoren ihre vermeintliche Liebe zur Kunst und sehen darin doch eigentlich nur einen alternativen Markt für Geldanlagen. Und wenn Großkonzerne oder von ihnen abhängige Stiftungen Museen und Universitäten in aller Welt fördern, hat auch dies in der Regel weniger mit rein philanthropischen Motiven zu tun, als mit Öffentlichkeitsarbeit. Auto- oder Zigarettenhersteller, Banken, Rüstungskonzerne oder Pharmafirmen, sie alle haben Imageprobleme, denen man am besten mit der öffentlichen Demonstration edler Gesinnungen begegnet. Volkswagen fördert mit Vorliebe Ausstellungen mit dem Thema Natur und Umwelt. Banken gerieren sich als Wohltäter am Gemeinwesen, Rüstungskonzerne wie Rheinmetall fördern die Völkerverständigung wie etwa durch Sponsoring einer Großausstellung mit europäischer Gegenwartskunst in Peking.“ (Anm. 6)

Glückliches Deutschland?

Im Unterschied zu den USA wird die Kultur hierzulande meist aus öffentlichen Mitteln finanziert, direktes Sponsoring durch einzelne Unternehmen oder Mäzene sind deutlich seltener. Gleichwohl stellt sich auch hier die Frage, ob kulturelle Einrichtungen, die auf die Einhaltung ethischer Standards pochen, von Steuergeldern profitieren wollen, die z.B. durch den Raubbau an der Natur erwirtschaftet werden? Stinkt indirekt `schmutziges Geld´ wirklich weniger?

Beate Reifenscheid, Präsidentin ICOM Deutschland, warnt vor dem wachsenden negativen Einfluss von Sponsoren: „Ich sehe da durchaus auch eine Gefahr, die steigt und sich aktuell ja in diesem Jahr schon bewahrheitet hat, dass größere Konzerne oder Organisationen anfangen, inhaltlich in die Arbeit des Museums einzugreifen und sie infrage zu stellen. Sie stellen auch Kuratoren und Direktoren infrage, so dass da die kuratorische und vielleicht auch die wissenschaftliche Freiheit untergraben wird. (…) Man muss gucken, von wem man Geld bekommt, und ich glaube, dass wir sehr leichtfertig und vielleicht auch sehr naiv und gutgläubig an manche Sponsoren herangehen und einen Pharmakonzern dann nicht hinterfragen. Wir sollten auch sehr bewusst hinterfragen, was bei großen Chemiekonzernen passiert, was bereiten die eigentlich auf? Wo zerstören sie ganz massiv unsere Umwelt? Denn wenn wir über Ethik und Moral oder nachhaltige Entwicklung reden, dann müssen wir auch selbst moralischer Gradmesser sein. Die öffentlichen Museen stecken da allerdings in der Zwickmühle, wenn die Kommunen sie auffordern, woanders Geld zu bekommen. Sie sind ja in der Hand der Kommunen oder des Landes und des Bundes. Die Museen müssen aus dieser Schlinge rauskommen, dass Zuschüsse gestrichen werden, was dann bedeuten würde, entweder schließen oder noch mehr Sponsoring reinholen. Aber man sollte trotzdem prüfen, wer die Leute sind, die Geld gegeben haben und was sie gesellschaftlich verfolgen. Das Problem wird sich eher potenzieren, als dass es weniger wird.“ (Anm. 7)
Die Diskussion über den richtigen und angemessenen Umgang mit finanzieller Förderung durch sog. »Dirty Donors« ist nicht neu. Bereits im August 2011 hat der Deutschlandfunk darüber gesprochen. Auf die Frage, ob nicht der Deutsche Kulturrat „Ethische Standards fürs Kultursponsoring“ entwickeln könne, hat Gabriela Schulz, stellvertretende Geschäftsführerin des Deutschen Kulturrats, geantwortet: „Es ist schon so, dass wir mit Blick auf das Thema Stiftungen das durchaus reflektieren, dass man praktisch auch noch mal näher hinschaut, wo Kapital herkommt – das ist ein schwieriges Thema. Und auch beim Thema Kultursponsoring, das wird bei uns durchaus in den Gremien öfter einmal angesprochen. Über ethische Standards haben wir bislang noch nicht nachgedacht, aber es ist eine gute Anregung, das werde ich gerne mitnehmen.“ (Anm. 8)

Anm. 1: Ablehnung von Kulturförderung; Quelle: Newsletter Kultur im Web, 14/2019, 03.04.2019
Anm. 2: Louvre entfernt den Namen Sackler, in: monopol. Magazin für Kunst und Leben, 17.07.2019; Quelle: https://www.monopol-magazin.de/louvre-entfernt-den-namen-sackler; Abfrage: 22.07.2019
Anm. 3: Christiane Meixner, Warum verzichten Museen auf Spenden?, in: Die ZEIT, Nr. 32, 01.08.2019, S. 24.
Anm. 4: Vgl. Berthold Schmitt, Geld stinkt nicht, oder? Manche begrüßen es, wenn Unternehmen ihre Kulturförderung beenden, in: KulturBetrieb, zwei 2016, S. 73.
Anm. 5: Sacha Verna, in: SRF, 29.03.2018; Quelle: https://www.srf.ch/kultur/gesellschaft-religion/dirty-donors-kultur-maezene-geraten-in-den-usa-unter-beschuss; Abfrage: 22.07.2019
Anm. 6: Carsten Probst, Private Kulturförderung: Umstrittenes Kultursponsoring, in: Deutschlandfunk, 22.03.2019; Quelle: https://www.deutschlandfunk.de/private-kulturfoerderung-umstrittenes-kultursponsoring.691.de.html?dram:article_id=444369; Abfrage: 22.07.2019
Anm. 7: Beate Reifenscheid, Museen sollten frei agieren können – Kein Kultur-Sponsoring um jeden Preis, in: Deutsche Welle, 19.08.2019; Quelle: https://www.dw.com/de/beate-reifenscheid-icom-museen-sollten-frei-agieren-k%C3%B6nnen-kein-kultur-sponsoring-um-jeden-preis/a-50023536; Abfrage: 23.08.2019
Anm. 8: Ethische Standards fürs Kultursponsoring? Gabriela Schulz vom Deutschen Kulturrat findet die Überlegung berechtigt, Moderation: Klaus Pokatzky, in: Deutschlandfunk Kultur, 17.08.2011; Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/ethische-standards-fuers-kultursponsoring.1013.de.html?dram:article_id=172195; Abfrage: 22.07.2019

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2019, S. 52 f.