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Präzedenzfall im deutschen Denkmalschutz

Neues zur Enteignung eines privaten Schlosseigentümers

Reinhardsbrunn – ein „Denkmal von nationaler Bedeutung“ – ist vom Verfall bedroht. Um das in Friedrichroda gelegene Ensemble aus Schloss und Landschaftsgarten vor dem Untergang zu retten, hat der Freistaat Thüringen 2016 beschlossen, ein Verfahren zur Enteignung zu starten. KulturBetrieb hat darüber berichtet. (Anm. 1) Nun gibt es einen neuen Sachstand und neue Hoffnung.

Niedergang über Jahrzehnte

Am Beginn der Anlage steht ein Hauskloster der Landgrafen von Thüringen aus dem 11. Jh. Das heutige Schloss wurde ab 1826 errichtet. Hier begegneten sich u.a. Königin Victoria und ihr späterer Ehemann Albert von Sachsen-Coburg und Gotha. Die jüngere Geschichte verläuft unstet: Nach Enteignung (1945) und diverser Umnutzungen während der DDR (u.a. Schule, Hotel, Kulturzentrum) wurde die Liegenschaft 1992 verkauft. Seither wechselten die Eigentümer mehrfach bis das Schloss 2008 an Investoren aus Russland gelangt, die daraus ein Luxushotel machen wollten. Aber daraus wurde nichts und das Gebäude verfiel zusehends. Mehrfach verlangte die Landesregierung von dem Eigentümer, seine Verantwortung für das Schloss wahrzunehmen oder es abzugeben. Eine Option: Der Freistaat kauft für einen symbolischen Euro, übernimmt aber eine Grundschuld von neun Millionen Euro. Obwohl das Land mehrfach Geld in Maßnahmen zur Notsicherung steckte, konnte keine denkmalverträgliche Lösung mit dem Eigentümer gefunden werden. Im Frühjahr 2017 wurde die Enteignung beantragt.
Rechtliche Grundlage dafür ist das Thüringer Gesetz zur Pflege und zum Schutz der Kulturdenkmale. Eine Enteignung ist nach § 27, Art. 1, Abs. 1 „zugunsten des Landes, eines Landkreises, einer Gemeinde oder einer rechtsfähigen Stiftung zulässig, soweit sie erforderlich ist, damit: 1. ein Kulturdenkmal in seinem Bestand oder Erscheinungsbild erhalten bleibt. 2. ein Bodendenkmal (§ 2 Abs. 7) wissenschaftlich ausgewertet oder der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden kann, 3. in einem archäologischen Schutzgebiet (§ 19) planmäßige Nachforschungen betrieben werden können.“ (Anm. 2)

Enteignung noch nicht rechtskräftig

Anfang Juli 2018 hat das Landesverwaltungsamt den Enteignungsbeschluss ausgefertigt. Allerdings ist dieser „bisher nicht rechtskräftig. Die Eigentümergesellschaft der Immobilie hat einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung gestellt. (…) Die Landesregierung geht davon aus, dass die Klage `keine Aussicht auf Erfolg´ haben wird.“ (Anm. 3) Obwohl sich der Rechtsstreit durch diesen Einspruch verzögert, laufen die Vorbereitungen für Notsicherung, Sanierung und künftige Nutzung der Anlage, denn der Enteignungsbeschluss „sieht vor, dass der Freistaat Thüringen innerhalb eines Jahres Maßnahmen zur Sicherung beginnen muss.“ (Anm. 4) „Bis der Verfall wirklich aufgehalten werden kann, wird aber noch Zeit vergehen. Die Sanierung und der Erhalt des Schlosses werden Millionen Euro verschlingen. Im Haushalt für 2018/2019 hat Thüringen für den Beginn der Restaurierungsarbeiten bereits 1,9 Millionen Euro eingeplant. Um das Schloss allerdings vollständig restaurieren zu können, sind laut Experten 30 bis 40 Millionen Euro nötig. Nach dem Willen der Landesregierung soll das Anwesen an neue Investoren gehen. Die Staatskanzlei stellt dafür Fördermittel in Aussicht.“ (Anm. 5)

Wieder ein Hotel?

Nun hat die Landesregierung eine Kommission beauftragt, Pläne für eine künftige Nutzung der Liegenschaft zu erarbeiten. Darin eingebunden ist auch die Stiftung Thüringer Gärten und Schlösser, die bereits 31 Schlösser, Burgen, Park- und Klosteranlagen im Freistaat betreut. Eine Idee ist es, Reinhardsbrunn erneut als Hotel zu nutzen. Die Landesregierung teilt mit, sie führe mit einem potenziellen Investor entsprechende Gespräche. Parallel gibt es auch Überlegungen, aus dem Schloss eine öffentliche Kulturstätte zu machen. Während sich die einen ein Museum vorstellen, denken andere an ein Bildungs- und Tagungszentrum mit Kneipp-Therapien im dazugehörigen Landschaftsgarten. (Anm. 6)

Anm. 1: Vgl. Berthold Schmitt, Enteignung eines Denkmals. Freistaat Thüringen beschreitet Neuland, in: KulturBetrieb, vier 2016, S. 82
Anm. 2: landesrecht.thueringen.de/jportal/portal/t/158e/page/bsthueprod.psml/action/portlets.jw.MainAct on;jsessionid=5934B76DC1F72B9EAED4FAE1CEB7C715.jp11?p1=z&eventSubmit_doNavigate=searchInSubtreeTOC&showdoccase=1&doc.hl=0&doc.id=jlr-DSchGTH2004pG7&doc.part=G&toc.poskey=#focuspoint; Abfrage: 11.12.2018
Anm. 3: Kai Mudra, Schloss Reinhardsbrunn könnte wieder ein Hotel werden, in: Thüringer Allgemeine, 15.09.2018; Quelle: https://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/leben/detail/-/specific/Schloss-Reinhardsbrunn-koennte-wieder-ein-Hotel-werden-163894293; Abfrage: 11.12.2018
Anm. 4: Kai Mudra, Schloss Reinhardsbrunn ist enteignet, in: Thüringer Allgemeine, 10.07.2018; Quelle: https://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/politik/detail/-/specific/Schloss-Reinhardsbrunn-ist-enteignet-206669708; Abfrage: 11.12.2018
Anm. 5: Kateryna Ivanova, Schloss Reinhardsbrunn in Thüringen und das sibirische Geld, in: Deutsche Welle. Made for minds, 16.07.2018; Quelle: https://www.dw.com/de/schloss-reinhardsbrunn-in-th %C3%BCringen-und-das-sibirische-geld/a-44652879; Abfrage: 11.12.2018
Anm. 6: Mudra, Schloss Reinhardsbrunn könnte wieder ein Hotel werden.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in eins 2019 KulturBetrieb, S. 64.