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Kunst- und Kulturgut in Zeiten von Kriegen – kann man das versichern?

Seit dem 24. Februar 2022 hat sich die Welt in Europa grundlegend verändert.

Russland überfällt die Ukraine und führt einen Angriffskrieg, der auch vor der Zivilbevölkerung und den Stätten des kulturellen Erbes nicht Halt macht. Nach dem Zerfall Jugoslawiens waren es Separatistenkämpfe und lokale Nationalismen, die zu kriegerischen Auseinandersetzungen in Europa führten – aber beschränkt auf Landesteile Jugoslawiens, die dann zu neuen Staaten führten: Kroatien, Serbien, Mazedonien, Bosnien und Herzegowina, Montenegro, Nordmazedonien und Slowenien. Der völkerrechtliche Status des Kosovo ist hingegen strittig. Die in den meisten westlichen Ländern verfolgte Politik von Wandel durch Handel und Frieden-schaffen-ohne-Waffen wurde mit einer kriegerischen Realität konfrontiert, die man gerne ignoriert hätte.

Plötzlich sprechen uns Menschen darauf an, die Risiken kriegerischer Auseinandersetzung im Rahmen ihrer Kunstversicherungen mitzuversichern – eines der Risiken, die normalerweise grundsätzlich vom Versicherungsschutz ausgeschlossen sind. Daraus resultiert die Frage: sind solche Risiken überhaupt versicherbar und wenn ja zu welchen Konditionen?

Versichert ist, was nicht explizit ausgeschlossen ist

Die klassischen Sachversicherungen versichern in der Regel benannte Gefahren wie Feuer, Einbruchdiebstahl, Leitungswasser oder Sturm. Da die Schadenereignisse klar definiert sind, wird Krieg als Schadenereignis weder erwähnt noch expressis verbis ausgeschlossen, weil er nicht Bestandteil der Definition ist. Bei allen Versicherungssparten, die eine Allgefahrenversicherung zu Grunde legen, wie die technischen Versicherungen oder die Transportversicherung, gilt grundsätzlich jedes Ereignis als versichert, wenn es nicht ausdrücklich vom Versicherungsschutz ausgenommen wurde. Daher gehört das Kriegsrisiko zu den grundsätzlichen Ausschlüssen solcher Versicherungsarten. Die Transportversicherung kennt allerdings für bestimmte Transportwege die Mitversicherung des Kriegsrisikos gegen Zulageprämie. Bei Luft- und Seetransporten kann das Kriegsrisiko für die Dauer des Transportes eingeschlossen werden. Es setzt allerdings voraus, dass vor Beginn des Transportes klar ist, dass die Route nicht durch Kriegsgebiet führt. Historisch kommt die Idee aus der Seeversicherung, bei der die Waren über Wochen unterwegs waren und sich die Verhältnisse im Laufe der Reise verändern konnten. Daher kennen die klassischen Kriegsdeckungen auch eine Sonderkündigungsklausel, die es dem Risikoträger ermöglicht, innerhalb von zwei Tagen das Risiko zu kündigen. Das gilt allerdings nicht für Reisen, die bereits begonnen haben.
In der aktuellen Lage haben die meisten Versicherer aktiv das Kriegsrisiko aus bestehenden Verträgen gekündigt, um es anschließend wieder einzuschließen mit Ausnahme des Gebietes der Ukraine sowie einer Zone von 200 km rund um die Ukraine. Von dem Ausschluss ist auch das Asowsche Meer betroffen.

Ukraine: Weder Versicherungsschutz noch Standards für Verpackung und Transport

Im Zuge der Hilfen für die Ukraine auch in Hinblick auf die mögliche Evakuierung von Kulturgut und Kunstschätzen bedeutet dies, dass kein Versicherungsschutz für dieses Risiko besteht. Allerdings sind auch Kunstwerke betroffen, die zurzeit als Leihgaben dort sind und irgendwann zurück transportiert werden sollen. Registrare und Kuratoren, die den hohen Standard von Kunsttransporten zum Schutze der Werke schätzen, müssen lernen, dass dieser in der aktuellen Lage nicht zu halten ist. Klimakisten stehen kaum zur Verfügung, selbst normales Verpackungsmaterial wie Tyvek oder Luftpolsterfolie ist Mangelware. Gleiches gilt für die Fahrzeuge, die nicht mehr zwingend mit Luftfederung zur Verfügung stehen. Selbst feste Aufbauten können nicht erwartet werden. Das bedeutet für die Kunst eine enorme Beanspruchung und für diejenigen, die die Entscheidung über einen Transport fällen müssen, eine hohe Verantwortung gegenüber den ihnen überlassenen Kulturgütern. Selbst Fahrer und Packer mit entsprechender Ausbildung im Umgang mit Kunst werden sich schwer finden lassen. Dass unter solchen Umständen Versicherer nicht bereit sind, Risiken zu tragen, kann man verstehen. Lösungen können nur gefunden werden, wenn die Kunst das für die Versicherung gesperrte Gebiet verlassen hat. Dort müssen dann Profis Zustandsprotokolle erstellen, vernünftige Verpackung vornehmen und in adäquaten Fahrzeugen den Transport abschließen.

Damit ist die Versicherung des Kriegsrisikos stationär noch nicht geklärt. Krieg gehört zu den politischen Risiken, für die es im Versicherungsmarkt eigene Kapazitäten und Risikoträger gibt. Meist sind dies Londoner Adressen, die sich die Übernahme solcher Risiken teuer bezahlen lassen. In der aktuellen Lage kann es sein, dass die separate Versicherung des Kriegsrisikos in Europa mehr kostet als eine Allgefahrendeckung für den Aufenthalt der Werke in einem Lager.
Für manche Bundesländer eignet sich dann noch die Staatshaftung, die ja bekanntlich in jedem Bundesland individuell geregelt ist. Hamburg bietet zurzeit noch innerhalb der Staatshaftung auch die Deckung kriegerischer Ereignisse an und zwar ohne jede Beschränkung und Ausnahme. Nicht einmal ein Sonderkündigungsrecht sehen die Hanseaten vor. Damit verlassen die Hanseaten ihre sonst sprichwörtliche Vorsicht und bieten mehr als die Versicherungswirtschaft. Ob allerdings die Deckung in Zeiten angespannter Haushalte jemals abgerufen und dann auch reguliert wird, bleibt abzuwarten.

Zilkens Fine Art Insurance Broker GmbH
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Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2022, S. 72 f.