Seit Monaten ist absehbar: Die Gesellschaft muss sparen, um weniger Energie zu verbrauchen, um private, unternehmerische und öffentliche Budgets zu entlasten und um das Klima nicht weiter zu belasten. In dieser Situation könnte man meinen, dass jeder Euro zähle. In manchen Museen scheint diese Erkenntnis bislang nicht angekommen zu sein. Als gebe es kein Morgen, werben sie in Publikumszeitschriften, die trendy und flott daher kommen, die die Zielgruppen der Museen aber allenfalls in homöopathischer Dosierung erreichen. Optimaler Einsatz der finanziellen Mittel? Fehlanzeige!
Während viele Unternehmen und Kulturbetriebe sparen, …
Steigende Energiepreise, Gasumlage, Inflationsrate … Große und kleine Unternehmen wie der Bäcker um die Ecke geraten ins Schlingern, Kurzarbeit oder Entlassungen in der freien Wirtschaft sind zu befürchten. Um den Energieverbrauch hierzulande zu drosseln, werden seit 1. September u.a. öffentliche Gebäude nur noch bis 19 Grad geheizt und Effektbeleuchtungen von Gebäuden ausgeschaltet, Schaufenster bleiben nachts unbeleuchtet und Ampeln bleiben dunkel. Erste Hallenbäder sind bereits dicht und der Deutsche Landkreistag hält selbst das zeitweise Schließen von Freizeit- und Sportstätten oder Bibliotheken für denkbar. (Anm. 1) Nachdem Kulturstaatsministerin Claudia Roth die Kulturbetriebe zum Energiesparen aufgefordert hat, (Anm. 2) empfiehlt der Deutsche Museumsbund e.V., die klimatischen Vorgaben in Museen, Depots und Archiven anzupassen, (Anm. 3) und wird dabei sogar von Restauratoren unterstützt.
… fordert der Deutsche Kulturrat einfach mehr Geld
Das weitgehend geschlossene Auftreten von Politik, Verbänden und Fachleuten sollte hellhörig machen, den Ernst der Lage zu erkennen und sehr entschieden zu Sparen. Was aber fällt dem Deutschen Kulturrat dazu ein? Ungerührt von allen Realitäten diesseits des (engeren) kulturellen Lebens fordert er Bund, Länder und Kommunen auf, jetzt „zusätzliche Mittel für Nebenkostennachzahlungen und -anpassungen“ bereit zu stellen, ab 2023 die Etats für Nebenkosten zu erhöhen sowie weitere Haushaltsmittel für einen energieeffizienten, ökologischen und vor allem nachhaltigen Unterhalt der Gebäude zu bewilligen. (Anm. 4) Selbstverständlich werde man „Vorschläge aus dem Kultursektor sammeln und zur Verfügung stellen.“ Gleichzeitig zeigt der Kulturrat sich enttäuscht, dass Bund und Länder sich nicht dazu äußern, die massiv steigenden Kosten in Kulturbetrieben aufzufangen. (Anm. 5) Der Deutsche Kulturrat sieht sich gerne als Kümmerer der Kultur-Nation: Mit der sog. Roten Liste ist er im ständigen Alarm-, Protest- und Appellmodus, was mögliche Gefährdungen kultureller Einrichtungen und – seit Corona – auch den Ausfall kultureller Großveranstaltungen anbetrifft. Aber auch hier bleibt der Kulturrat dem Prinzip Nabelschau treu, das sich nicht für faktische Zielkonflikte innerhalb der Kommunen interessiert, die neben Museen noch andere gesellschaftlich relevante Einrichtungen betreiben, die z.B. der Gesundheit dienen, darunter Bäder. Im Jahr 2000 gab es bundesweit rund 6.700 öffentliche Hallen- und Freizeitbäder – übrigens ähnlich viele wie Museen. Heute gibt es noch 4.700 Bäder, d.h. pro Jahr schließen 90. (Anm. 6) Nicht auszudenken, mit welchem Furor der Kulturrat den Niedergang unserer Kulturlandschaft geißeln würde, wenn 90 Museen pro Jahr schlössen! Dass aber die Menschen, die morgen ins Museum gehen sollen, immobil werden, weil seit gestern das örtliche Bewegungsbad geschlossen ist, geht den Kulturrat nichts an …
Man reibt sich die Augen und will es dennoch kaum glauben! Um die Folgen von Corona abzufedern, finanziert die Bundesregierung seit Sommer 2020 das Rettungs- und Zukunftsprogramm NEUSTART KULTUR mit rund 2,5 Milliarden Euro. Das begrüßt der Kulturrat, weist aber darauf hin, dass es bei allem Verständnis für die sog. unständig Beschäftigten Vorrang habe, die Jobs der abhängig Beschäftigten in Kultur und Medien zu sichern. (Anm. 7) Offenbar gilt im Kulturrat das Motto „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht!“ Vielleicht spekuliert der Kulturrat auch auf folgende Volte: In der Corona-Pandemie wollte man temporäre Schließungen von Kulturbetrieben dadurch vermeiden, dass man diese kurzerhand zu systemrelevanten Bildungseinrichtungen erklärte. Eine schlüssige Definition, was genau darunter zu verstehen ist, und was daraus folgt, hat auch der Kulturrat bis heute nicht vorgelegt. (Anm. 8) Nun gibt es seit Ende Juni 2022 den „Notfallplan Gas“ der Bundesregierung, der in Notfallstufe 3 die Verteilung von Gas durch die Bundesnetzagentur vorsieht. „Dabei sind bestimmte Verbrauchergruppen gesetzlich besonders geschützt, d.h. diese sind möglichst bis zuletzt mit Gas zu versorgen. Zu diesen geschützten Verbrauchern gehören Haushalte, soziale Einrichtungen wie etwa Krankenhäuser.“ (Anm. 9) Mal sehen, wann beim Deutschen Kulturrat die vormaligen Bildungseinrichtungen zu `sozialen Einrichtungen´ mutieren, um im Schulterschluss mit Kindergärten und Multi-Generationen-Zentren ihre Systemrelevanz unter Beweis zu stellen … Und was hat diese Selbstbezogenheit des Kulturrates mit dem Werbeverhalten mancher Museen zu tun?
Sind wirtschaftliche Kennzahlen im Museumsmarketing nicht von Belang?
Nicht erst seit Corona klagen öffentliche Museen hierzulande über eine zu geringe finanzielle Ausstattung und sie befürchten, dass künftig weitere Einbußen auf sie zukommen könnten. Dennoch werben erstaunlich viele Häuser in Printmedien, bei denen eher kleine Auflagen (bis 10.000 Exemplare) und überschaubare Reichweiten mit enorm hohen Pro-Kopf-Kosten einhergehen. Offenbar handelt die im Museum zuständige „Werbefachkraft“ so: Der Etat für Printmedien sieht magere 500 bis 1.000 Euro für die Bewerbung einer Sonderschau oder des Hauses vor. Also liegt es nahe, für dieses Geld möglichst viel Bildstrecke „einzukaufen“ – am besten in einem Magazin, das mit Hochglanzbildern lockt und so Glamour suggeriert. Höhe der Druckauflage? Real verteilte Auflage? Leserschaft? Distributionswege? Verbreitungsgebiet? Aussagekräftige wirtschaftliche Kennzahlen? Was geht mich das an! „Homestory“ geschrieben, Rechnung bezahlt, Sache erledigt!
Auch im Jahr 2022 zeigt die Praxis, dass es immer noch öffentliche Museen gibt, die ihr Geld für Medien ausgeben, deren Auflage bescheiden ist und deren Reichweite und Verbreitungswege unklar bzw. wenig zielgruppenspezifisch sind. Wie kann das sein, wenn zugleich allenthalben über zu geringe Finanzmittel geklagt wird?
In vielen öffentlichen Häusern dominiert offenbar nach wie vor die Haltung: Hauptsache, man hat irgendetwas gemacht! Effizienz? Fehlanzeige! Die simple Erkenntnis, wonach eine niedrige Auflage mit (relativ) hohen Kosten einhergeht, wird vielfach ignoriert. Es bleibt schleierhaft: Entweder, die für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Museen erkennen dieses Missverhältnis nicht, oder es ist ihnen schlicht gleichgültig, welche Leistung sie für das Geld bekommen, das der Steuerzahler ihnen anvertraut hat. (Anm. 10)
Was dem Kulturrat recht ist, scheint dem Museumsmarketing billig
Offenkundig halten es viele Marketingfachleute in unseren Museen wie der Deutsche Kulturrat: Sparen bzw. effizient wirtschaften sollen andere kommunale Betriebe (etwa die Schwimmbäder) oder zumindest andere Abteilungen des Museums. Da fallen einem rasch z.B. die für Klima, Sicherheit und Gebäudemanagement zuständigen Techniker ein oder die Service- und Aufsichtskräfte oder die Verwaltung … Ja, es ist einfacher und trendiger, ab und zu einen bilderreichen Sechs- oder Achtseiter in einem vermeintlich weitreichenden und zielführenden Hochglanzmagazin zu platzieren, als über Jahre mit Zeitungen, TV- und Radiosendern oder Influencern der näheren und mittleren Umgebung ein dauerhaftes, aufschlussreiches und ergiebiges Miteinander aufzubauen. Aber es gehört nun einmal zum gesellschaftlichen Auftrag öffentlicher Kultureinrichtungen, in der eigenen Region wahrgenommen zu werden und ihre vielfältigen und typischen Charakteristika aufzugreifen und mittels Ausstellungen und Projekten in die Gesellschaft zu spiegeln.
Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb
Anm. 1: Vgl. Hohe Energiepreise: Kommunen warnen vor weiteren Abstrichen, in: Süddeutsche Zeitung, 23.08.2022
Anm. 2: Steigende Energiepreise: Claudia Roth fordert Kulturbetrieb zum Energiesparen auf, in: ZEIT ONLINE, dpa, 21.07.2022
Anm. 3: Vgl. Deutscher Museumsbund e.V., Energieeinsparungen: Jetzt praktische Handlungsempfehlungen umsetzen, 22.08.2022
Anm. 4: Vgl. Deutscher Kulturrat: Energie für Kultur: Unterstützung von Kultureinrichtungen bei Energiekosten, 22.06.2022
Anm. 5: Deutscher Kulturrat: Energiekrise: Kostenexplosionen gefährden Kultureinrichtungen, 04.08.2022
Anm. 6: Vgl. Charlotte Parnack, Bloß nicht untergehen. In der Gaskrise droht vielen Schwimmbädern die Schließung, in: Die Zeit, Nr. 34, 18.08.2022, S. 19.
Anm. 7: Vgl. Berthold Schmitt, Vor Corona sind alle gleich. Oder doch nicht?, in: KulturBetrieb, eins 2021, S. 54-56.
Anm. 8: Vgl. Berthold Schmitt, Sind Museen Bildungseinrichtungen? Ja!, in: KulturBetrieb, eins 2021, S. 48 f.
Anm. 9: Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, FAQ Liste – Notfallplan Gas, 23.06.2022
Anm. 10: Vgl. Berthold Schmitt, Wirtschaftlich und sparsam? Nicht mit uns!, in: KulturBetrieb, eins 2022, S. 56 ff.
Dieser Text wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2022, S. 68 f.