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Freier Eintritt im Museum

Initiative eines Museums löst bösartigen Shitstorm aus

Das Freilichtmuseum Hessenpark im Hochtaunuskreis wollte etwas Gutes tun und erlebte ein Desaster: Beleidigende Äußerungen, Proteste und Boykottaufrufe. Kulturbetriebe sollten von diesem beschämenden Szenario lernen – auch zum Schutz der eigenen Einrichtung und zur Stärkung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.

Entschiedene Kommunikation nach Außen …

Bereits im Sommer 2015 hat der Hessenpark in Neu-Anspach eine Regelung erlassen, wonach Flüchtlinge bzw. Flüchtende freien Eintritt genießen, damit die Menschen „in die Geschichte und Kultur der Region eintauchen und dadurch eine Verbindung zu ihrer neuen Umgebung aufbauen können.“ (Anm. 1) Im Februar 2016 sieht sich das Haus „überrollt von einer Flut von Hassmails“. In mehr als 1.100 Nachrichten bzw. Posts heißt es u.a.: „Für Obdachlose gibt es auch keinen freien Eintritt. (…) Niemand darf laut GG wegen seiner Herkunft benachteiligt werden.“ (Anm. 2) Während die schlimmsten Kommentare an die Polizei weitergeleitet wurden, reagiert das Museum kurz darauf mit einer Pressemitteilung auf die Anfeindungen: „Wochen- und monatelang wurde an dieser Preispolitik nur vereinzelt Anstoß genommen. Seit Sonntagabend jedoch kursieren Fotos der Hessenpark-Preisliste auf verschiedenen Facebook-Seiten im Internet. Gepostet mit der Intention, Kritik an dieser Regelung zu üben. Die Folge sind offene Protest- und Boykott-Aufrufe. Zahlreiche Beschwerden, beleidigende Äußerungen und massive Angriffe erreichen das Museum seitdem über Facebook, Telefon und E-Mail. Der Ton dieser Nachrichten ist zum Teil erschreckend: Es wird gehetzt, gedroht, abgewertet, dem Museum die Diskriminierung deutscher Staatsbürger vorgeworfen. (…) Wir bedauern diese negative Haltung, sie hat aber keinen Einfluss auf unsere Entscheidungsfindung. Wir stehen zum Beschluss unseres Aufsichtsrates und sind der festen Überzeugung, dass durch diese Regelung niemand Schaden nimmt oder benachteiligt wird. Unsere Preispolitik ist seit Gründung des Museums fair und familienfreundlich: Gäste mit Kindern erhalten günstige Familientickets, Grundsicherungsempfänger zahlen stark ermäßigte Eintrittspreise und zum Feierabendtarif kostet es für alle Besucher nur noch die Hälfte. Bei uns muss also niemand draußen bleiben.“ (Anm. 3)
Alle Fraktionen im hessischen Landtag unterstützen die Position des Freilichtmuseums, dessen Träger das Land Hessen ist. Zugleich gab es „viele positive Zuschriften. Darin sei der Hessenpark bestärkt worden, sich nicht einschüchtern zu lassen. Außerdem hätten viele angekündigt, das Museum zu besuchen, ihm Geld zu spenden oder seinem Förderkreis beizutreten.“ (Anm. 4)

… und klare Kommunikation nach Innen

Mit jährlich weit mehr als 100.000 Gästen zählt der Hessenpark zu den sehr gut besuchten Einrichtungen in Deutschland. Um in einem Betrieb dieser Größenordnung Probleme mit Besuchern zu vermeiden bzw. rasch zu beheben, kommt es neben verschrifteten Leitbildern, Hausordnungen und Pressemitteilungen ganz besonders auf die praktischen Kenntnisse und kommunikativen Fähigkeiten des Service- und Aufsichtspersonals an. Damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit direktem Kontakt zum Besucher nicht nur die oft zitierte „Visitenkarte“ sind, sondern kompetent, durchsetzungsfähig und präventiv wirken können, sollten sie wiederholt geschult und regelmäßig über alle relevanten Dinge informiert werden. (Anm. 5) Dazu gehört nicht nur die betriebsinterne Mitteilung über positive Aspekte, sondern – mindestens ebenso wichtig – die offene Unterrichtung über Defizite (z.B. vorübergehende Schließung bestimmter Abschnitte) oder besondere Initiativen wie freier Eintritt für bestimmte Gruppen. Kompetentes Personal an Kasse und Information sollte nicht nur wissen, wem freier Eintritt gewährt wird, sondern die Mitarbeiter sollten bei (kritischen) Nachfragen auch erklären können, weshalb ein Museum diese Regelung getroffen hat. Im Hessenpark ist man laut Leitbild auf solche Situationen vorbereitet: „Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die im direkten Besucherkontakt stehen, sind im Umgang mit Gästen geschult und sensibilisiert. Klare Kommunikations- und Verhaltensrichtlinien sind ein zentraler Bestandteil unserer Dienstleistung. (…) Die Museumsführerinnen und -führer stehen den Gästen mit größter Fachkompetenz zur Seite und sind durch regelmäßige Schulungen über die Entwicklungen im Freilichtmuseum immer auf dem neuesten Stand.“ (Anm. 6)

Berthold Schmitt, QEM - Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
www.aufsicht-im-museum.de

QEM - Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal ist Förderer der Auszeichnung "Riegel - KulturBewahren"
(www.riegel-preis-kulturbewahren.de)

Anm. 1: Pressemitteilung „Flüchtlinge willkommen im Freilichtmuseum Hessenpark“, 09.09.2015, in: http://www.hessenpark.de/fileadmin/downloads/presse/2015/PM_Fluechtlinge_willkommen.pdf; Abfrage: 30.03.2016
Anm. 2: coh, Freier Eintritt für Flüchtlinge löst Empörung aus. Das Freilichtmuseum Hessenpark erlässt Flüchtlingen den Eintritt. Hunderte beschweren sich deshalb, arme Deutsche müssten schließlich Eintritt zahlen. Nun erklärt das Museum die Preispolitik, 09.02.2016, in: http://www.welt.de/vermischtes/article152016330/Freier-Eintritt-fuer-Fluechtlinge-loest-Empoerung-aus.html; Abfrage: 30.03.2016
Anm. 3: Pressemitteilung „Wir stehen zu unserer Preispolitik!“, 09.02.2016, in: http://www.hessenpark.de/fileadmin/downloads/presse/2016/PM_Wir_stehen_zu_unserer_Preispolitik.pdf; Abfrage: 30.03.2016
Anm. 4: Sabine Maurer und Jens Albes, Politiker befürworten Hessenpark-Initiative für Flüchtlinge, in: Frankfurter Neue Presse, 14.02.2016, Quelle: http://www.fnp.de/rhein-main/Politiker-befuerworten-Hessenpark-Initiative-fuer-Fluechtlinge;art1491,1853083; Abfrage: 30.03.2016
Anm. 5: Vgl. Berthold Schmitt, Haus- und Besucherordnungen in Kulturbetrieben. Papiertiger oder echte Stütze im Alltag?, in: KulturBetrieb, eins 2015, S. 68-69.
Anm. 6: Leitbild des Freilichtmuseums Hessenpark / Besucherfreundliches Museum, Quelle: http://www.hessenpark.de/index.php?id=349; Abfrage. 30.03.2016

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für wirtschaftliche und innovative Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", zwei 2016, S. 60-61.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2016-Ausgabe-2-Mai.pdf