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Trau, schau, wem

Der Dieb im eigenen Museumsteam

„Stets findet Überraschung statt. Da, wo man´s nicht erwartet hat.“
Wilhelm Busch

Museen haben u.a. die Aufgabe, Kunst- und Kulturgüter zu bewahren. Eine wesentliche Voraussetzung für den dauerhaften Erhalt der Bestände ist die Sicherheit. Die besten baulichen und technischen Maßnahmen stoßen jedoch an ihre Grenzen, wenn das eigene Personal unachtsam oder sogar kriminell ist. Das Stadtgeschichtliche Museum in Leipzig hatte wohl einen Dieb in den eigenen Reihen.

Diebesgut zum Kauf angeboten

Alarm in Leipzig: Im Internet wurden Anfang August 2016 Münzen zum Kauf angeboten, die zu den Sammlungen des Stadtgeschichtlichen Museums gehören. Wann und wie viele Münzen gestohlen, war zunächst unklar. Letztmals registriert wurden die Stücke im Jahr 2010. Der Gesamtbestand an Münzen umfasst rund 25.000 Einheiten, die überwiegend im Depot aufbewahrt werden. (Anm. 1) Unmittelbar nach Bekanntwerden des Diebstahls haben 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter begonnen, die umfangreichen Bestände zu überprüfen, darunter Medaillen, Metall, Glas, Porzellan, Uhren, Maße und Gewichte sowie Puppen, Gemälde, Holzplastiken und Fotos. Nachdem auch die historischen Buch- und Schriftbestände dokumentiert und inventarisiert worden sind, werden in den nächsten Monaten Autographen und Grafiken mit über 30. 000 Werken gesichtet. Bislang hat die Inventur ergeben, dass 567 Münzen fehlen, darunter rund 100 aus dem sog. Kramerschatz, den die Industrie- und Handelskammer (IHK) zu Leipzig dem Museum als Dauerleihgabe überlassen hat. Von der Beute, deren Gesamtwert bei rund 350.000 Euro liegen könnte, ist bisher nur ein kleiner Teil wieder aufgetaucht.

Juristische Aufarbeitung

Nun stehen verschiedene rechtliche Prozesse an. Zum einen ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den mutmaßlichen Täter. Verdächtigt wird ein inzwischen entlassener Mitarbeiter des Museums, der die Münzen wohl über einen längeren Zeitraum entwendet hat. Wann Anklage gegen ihn erhoben wird, steht noch nicht fest. Gegen Volker Rodekamp, Leiter des Museums, zeichnet sich kein arbeits- und disziplinarrechtliches Verfahren ab. Ein Mitverschulden seinerseits liegt offenbar nicht vor. Dagegen fordert die IHK, den ihr entstandenen Schaden zu ersetzen: „Die IHK zu Leipzig ist verpflichtet ihre Ansprüche geltend zu machen und hat das auch hier gegenüber der Stadt Leipzig getan“, so Hauptgeschäftsführer Thomas Hofmann. Zugleich begrüßt die IHK die Aktivitäten der Stadt, die fehlenden Münzen wieder zu beschaffen. Eine Rücknahme der Dauerleihgabe sei aber nicht beabsichtigt.

Organisatorische Konsequenzen

Während die juristische Aufarbeitung Fahrt aufnimmt, hat das Museum seine technischen Einrichtungen und organisatorischen Abläufe überprüft und unverzüglich gehandelt: Die Schließanlage des Depots wurde ausgewechselt und die neuen Transponder an eine strenger begrenzte Anzahl ausgewählter Personen ausgehändigt. Außerdem wurde für das Betreten des Depots das Vier-Augen-Prinzip vorgeschrieben. (Anm. 2) Wenn infolge des Diebstahls und der verschärften Kontrollstrukturen ein latentes Misstrauen unter dem Personal des Stadtgeschichtlichen Museums entstünde, wäre solch ein Begleit- oder Kollateralschaden eine nicht zu unterschätzende Belastung für das kollegiale Miteinander.

Wurde das Fehlen zu spät bemerkt?

In Bibliotheken gehören die General- bzw. Teilrevision zu den regulären Aufgaben des Betriebs. Vollständigkeit und richtige Aufstellung der Buchbestände sind für den Zugriff in Magazinen oder die Nutzung in Freihandbereichen und Lesesälen unverzichtbar. Auch in Museen sind Inventur resp. Revision zentrale Vorgänge, aber sie werden in der Regel nicht als ständig laufender Prozess gehandhabt. Auch gab es bislang kaum explizite Fachliteratur zum Thema. Ende 2016 hat Lina Lassak mit „Revision. Ein Handbuch zur Durchführung“ einen nützlichen Leitfaden vorgelegt. (Anm. 3)

Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Historische Münzen aus dem Stadtgeschichtlichen Museum Leipzig gestohlen (10.08.2016), Quelle: http://www.lvz.de/Leipzig/Polizeiticker/Polizeiticker-Leipzig/Historische-Muenzen-aus-dem-Stadtgeschichtlichen-Museum-Leipzig-gestohlen; Abfrage: 24.02.2017
Anm. 2: Vgl. Klaus Staeubert, Nach Münzdiebstahl Leipziger Stadtgeschichtliches Museum stellt Bestände auf den Kopf, in: Leipziger Volkszeitung, 15.01.2017, Quelle: http://www.lvz.de/Leipzig/Lokales/Leipziger-Stadtgeschichtliches-Museum-stellt-Bestaende-auf-den-Kopf; Abfrage: 24.02.2017
Anm. 3: Vgl. dazu den Beitrag „Ist alles da und auch am richtigen Ort? Ein neues Handbuch zur Revision im Museum“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb. Freier Download unter Beachtung der Creative Commons Attribution 4.0: zenodo.org/record/157342

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in KulturBetrieb, eins 2017, S.59-60.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2017-Ausgabe-1-April.pdf

 

 

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