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Technik ist nur so sicher wie der Mensch

Was der Münzdiebstahl im Bode-Museum lehrt

Am 27. März 2017 ist aus dem Berliner Bode-Museum die „Big Maple Leaf“ gestohlen worden, eine der größten Goldmünzen der Welt. Anfang Januar 2018 hat vor dem Berliner Landgericht der Prozess gegen die vier mutmaßlichen Täter begonnen. Da die Anklage im Wesentlichen auf Indizien basiert, ist der Ausgang des Verfahrens ungewiss. Inzwischen erscheint aber auch die Sicherheitslage des betroffenen Museums in schlechtem Licht.

Simple, aber effektive Tat …

Das Video einer Überwachungskamera hat den Ablauf des Einbruchs aufgezeichnet: Mittels einer Leiter steigen die vermummten Täter nachts von der Hochbahn auf einen Vorsprung an der Fassade des Museums und gelangen durch ein Fenster im zweiten Obergeschoss in das Gebäude. Mit einer Axt zertrümmern die Täter eine Vitrine aus Sicherheitsglas, werfen die 100 Kilogramm schwere Münze (53 Zentimeter Durchmesser) aus dem Fenster hinaus und befördern sie schließlich mit einer Schubkarre zum Fluchtfahrzeug. Von der Münze, die als Leihgabe im Bode-Museum ausgestellt war, fehlt bislang jede Spur; sie dürfte eingeschmolzen sein. Der Materialwert des Edelmetalls wird auf 3,75 Millionen Euro geschätzt Als sicher gilt, dass die Täter einen Tipp von einem Insider hatten. Eine der Angeklagten war kurzzeitig als Wachmann im Bode-Museum tätig. „Beschäftigt war er bei einem Subunternehmen der Sicherheitsfirma, die für die Bewachung des Museums zuständig war. W. soll dem Clan den Tipp gegeben haben – inklusive Details zu den Räumlichkeiten, den Sicherheitsvorkehrungen und offenbar auch zu der defekten Alarmsicherung am Fenster, durch das die drei Mitglieder des Clans in das Museum eingestiegen sind. Das Fenster führte in eine Umkleidekabine für Mitarbeiter.“ (Anm. 1

… dank Nachlässigkeit im Museum?

Die Anklageschrift deutet darauf hin, dass das Museum es den Dieben offenbar sehr leicht gemacht hat: „Bereits seit 2013 war nämlich laut Staatsanwaltschaft genau jenes Fenster, durch das die Diebe ins Museum einstiegen, defekt und nicht mehr alarmgesichert. Bei einem ersten Einbruchsversuch sechs Tage vor der Tat hatten die Einbrecher schon die Sicherungsscheibe vor dem Fenster beschädigt. Der Sprung in der Scheibe war daraufhin auch zwei Mitarbeitern des Museums aufgefallen, er war dem Wachdienst gemeldet worden. Doch es geschah nichts. Der Einbruchsversuch wurde nicht der Polizei gemeldet. Warum? Man dürfe sich wegen des anstehenden Prozesses nicht dazu äußern, antwortete der Sprecher der Staatlichen Museen auf Fragen der ZEIT.“ (Anm. 2)

Schwachstelle Mensch

Museale Sicherheit basiert auf dem Zusammenspiel von physischen Barrieren, elektronischen Meldern und Wachpersonal. Die besten baulichen und technischen Maßnahmen reichen jedoch nicht, wenn die dafür Verantwortlichen bzw. die mit der Durchführung betrauten Mitarbeiter/innen das System nicht regelmäßig und gründlich auf Funktionstüchtigkeit überprüfen und mögliche Defekte oder Schwachstellen umgehend beheben. Solch sträfliche Nachlässigkeit kommt vor: Im Juli 2015 wurde in der Kopenhagener Ny Carlsberg Glyptotek eine Bronzebüste von Rodin gestohlen. Zunächst schalteten die Täter die Alarmanlage der Einzelvitrine aus, um Tage später das Objekt aus der Vitrine zu nehmen, in eine Tasche zu packen und das Museum in aller Ruhe zu verlassen – im Beisein von Sicherheitspersonal, Museumsbesuchern und Videokamera! (Anm. 3) Die Verantwortlichen in Kopenhagen müssen sich zweierlei fragen: Wie kann es sein, dass die Sicherheitstechnik lahmgelegt werden kann und – fast gravierender – wie kann es sein, dass diese Lücke über Tage unbemerkt bleibt?

Die Staatlichen Museen zu Berlin sind eine komplexe Organisation mit vielen Häusern, Abteilungen, Zuständigkeiten und (zu vielen?) Bauprojekten. So ist z.B. Hanno Rauterberg der Ansicht, dass das rastlose Bauen ein zentraler Grund für die Besuchermisere der Berliner Museen sei. (Anm. 4) Könnte durch die Lust an neuen, großen Bauten der Blick für das kleine, aber entscheidende Detail verstellt sein? Ein gesprungenes Sicherheitsglas wird entdeckt und dem zuständigen Wachdienst mitgeteilt. Ist die Meldung dort liegen geblieben? Falls sie doch weitergereicht worden ist: An wen? Warum ist die Schwachstelle nicht umgehend behoben worden? Aus Gleichgültigkeit oder Zeitmangel? Oder fehlt das Geld für Unterhalt und Sicherung der bestehenden Häuser? Der als Zeuge vernommene Sicherheitschef des Museums hat den Defekt bestätigt: „Zeitweise sei das Fenster der Herrenumkleidekabine dann nicht in der Alarmsicherung des Gebäudes gewesen.“ (Anm. 5)
Björn Kupfer, Mitarbeiter des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft und Sicherheitsexperte für Museen, sieht Forderungen nach mehr Geld für Sicherheit skeptisch: „Viele Museen sagen, dass sie mehr Geld brauchen. Aber oft wollen sie die hohen Kosten für die Sicherheit nicht bezahlen, sachgerechte Kunsttransporte etwa sind sehr teuer, manche versichern auch nur eine geringe Schadenssumme. Wenn Museen mehr Geld haben, investieren sie es eher in Ausstellungen als in die Sicherheit, da ändert sich nicht viel.“ (Anm. 6) „Die Sicherheitspanne könnte für das Museum heikel werden – auch gegenüber dem Leihgeber und den Versicherungen.“ (Anm. 7)

Sicherheit braucht viel Übung!

Die beste Technik ist unzureichend, wenn das Personal nicht aufmerksam ist. Sicherheit darf nicht an einige wenige Verantwortliche delegiert und damit als erledigt betrachtet werden. Sicherheit betrifft alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, intern wie extern – von den Reinigungskräften bis zur Direktion. Sehr zu empfehlen sind Schulungen für das Service- und Aufsichtspersonal. Darin sollte es jedoch nicht nur um bauliche und technische Belange sowie um abstrakte Standards für mehr Besucherorientierung gehen, sondern um die ganz konkrete Situation eines Museums. Wie ist das Haus organisiert? Wer ist für was zuständig? Wie funktionieren die Kommunikationskanäle? Was kann bzw. muss der Einzelne tun, um Schwachstellen zu erkennen und zu beheben? (Anm. 8)

QEM – Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
Dr. Berthold Schmitt, Trainer von Service- und Aufsichtspersonal in Museen
Wielandstraße 5, 04177 Leipzig
Tel 0049 / 341 / 5296524
mail(at)schmitt-art.de
www.aufsicht-im-museum.de

Anm. 1: Vgl. Alexander Fröhlich, Bode-Museum zeigte Einbruchsversuch nicht an, in: Der Tagesspiegel, 09.01.2019; Quelle: https://www.tagesspiegel.de/berlin/prozess-um-goldmuenz-diebstahl-in-berlin-bode-museum-zeigte-einbruchsversuch-nicht-an/23846872.html; Abfrage: 12.01.2019
Anm. 2: Tobias Timm, Ziemlich leichte Beute. Prozessbeginn in Berlin: Hat es das Bode-Museum den Dieben der Riesengoldmünze zu einfach gemacht?, in: Die ZEIT, No. 3, 10.01.2019
Anm. 3: Vgl. Berthold Schmitt, Alarmanlagen bedürfen der gründlichen Kontrolle. Was der Diebstahl einer Büste von Auguste Rodin lehrt, in: KulturBetrieb, vier 2015, S. 54.
Anm. 4: Vgl. Was guckst du? Vermeer, Rembrandt, die Nofretete: Die Berliner Museen hüten die großartigsten Kunstschätze. Warum nur wollen immer weniger Menschen sie sehen? Besichtigung eines Desasters, in: Die ZEIT, No. 52, 13.12.2018, S. 41.
Anm. 5: Anne Baum, Münzraub: Sicherung war defekt, in: Leipziger Volkszeitung, 15.01.2019
Anm. 6: Verena Mayer, Eine hundert Kilo schwere Goldmünze klemmt man sich nicht unter den Arm. Ein Interview mit Björn Kupfer, in: Süddeutsche Zeitung, SZ.de, 10.01.2019; Quelle: https://www.sueddeutsche.de/panorama/bode-museum-goldmuenze-maple-leaf-prozess-1.4281619; Abfrage: 13.01.2019
Anm. 7: Fröhlich, a.a.O.
Anm. 8: Vgl. Berthold Schmitt, Sicherheit in Kulturbetrieben. Was sollten Service- und Aufsichtskräfte wissen?, in: KulturBetrieb, eins 2017, S. 86-87.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in eins 2019 KulturBetrieb, S. 80 f.

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