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Mehr Sicherheit benötigt mehr Wissen

Kulturbetriebe durch zentrales Register besser wappnen

Auch in Museen, Schlössern, Klöstern u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen wird gestohlen und geraubt. Angesichts ebenso spektakulärer wie brutaler Vorkommnisse wie in Berlin (Bodemuseum, 2017) oder Dresden (Grünes Gewölbe, 2019) sollen nun Wege gesucht werden, um die Sicherheit der Bestände zu erhöhen. Auftakt dazu soll eine Konferenz sein mit Experten aus Kulturbetrieben sowie Technikern, Versicherern und Polizei. Veranstalter sind der Deutsche Museumsbund (DMB) und die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Das Vorhaben ist sehr zu begrüßen, sollte aber durch Analysen gestützt werden, die Aufschluss darüber geben, wie häufig und unter welch konkreten Umständen Kunst- und Kulturgüter entwendet werden. Was wissen wir eigentlich über Raub und Diebstahl in Kulturbetrieben?

Zielführende Maßnahmen brauchen mehr Daten!

Gemäß der Devise „Viel hilft viel“ könnten die Kulturbetriebe pauschal `mehr´ fordern: Mehr bauliche, mehr mechanische und mehr elektronische Sicherheitstechnik sowie mehr Personal für Service und Sicherheit. Dazu wird es kurz- und mittelfristig wohl nicht kommen – auch wegen knapper finanzieller Mittel. Mit Blick auf die `Ewigkeitsaufgabe´ Sicherheit ist es zielführender – auch im Dialog mit den Trägern –, mittel- bis langfristige Konzepte für eine systematische und zugleich präventive Sicherheitsstrategie zu entwickeln. Das aber setzt exaktes Wissen über Umfang und Umstände der Verbrechen in Kultureinrichtungen voraus. Eine vage Schätzung, wonach es in den sog. DACH-Staaten monatlich 35 bis 50 Fälle im Wert von je mindestens 1.000 Euro gibt, stammt von 2004. (Anm.) Die Gründe für das Verschweigen unliebsamer Vorkommnisse scheinen plausibel: Verlust von Ansehen, Ruch der Unzuverlässigkeit, Anstieg Versicherungsprämien usw. In Folge dieser Abschottung fehlen aber Erkenntnisse, die zur Verhütung künftiger Verluste in der eigenen oder in anderen Einrichtungen beitragen können. Ziel sollte ein Wissenspool sein, der am besten bundesweit, mindestens jedoch auf Landesebene Fakten zu Diebstahl und Raub sammelt, vor allem zu den Fragen Was, wo, wann und wie.

Kern eines zu erstellenden Registers sollte die Erfassung aller Vorfälle und die möglichst exakte Dokumentation der Umstände sein, unter denen ein Stück verloren gegangen ist. Dazu gehören u.a.: Was ist verschwunden? (grobe Klassifizierung), Wo war es präsentiert? (z.B. Erd- oder Obergeschoss), Wie war es gesichert? (z.B. mechanisch, elektronisch oder baulich), Wann ist es verschwunden? (Einrichtung geöffnet oder geschlossen?), Wie hat das Sicherheits- und Servicepersonal reagiert? (z.B. verspätetes oder falsches Handeln). Bei Erstellung eines solchen Kriterienkataloges sollten Fachwissen und Erfahrungen der Polizeibehörden sowie von Einrichtungen wie Art Loss Register einfließen. Um einen Nutzen für betroffene und (noch) nicht betroffene Häuser zu stiften, ist es folgerichtig, die gewonnenen Daten auf regionale Bezugsgrößen wie Kreise und kreisfreie Städte zu übertragen und abrufbar zu machen.

Wo liegt der Nutzen?

Ein gemeinsames Register kann u.a. informieren über

• Exakte Zahlen zu sämtlichen Vorfällen (unabhängig vom monetären Wert)
• Häufigkeit der Vorfälle während Öffnungs- bzw. Schließzeiten
• Häufigkeit der Vorfälle in Alt- bzw. Neubauten
• Häufigkeit der Vorfälle nach Jahreszeiten
• Häufigkeit nach Museumsarten (z.B. Kunstmuseen, Technikmuseen)
• Objektbezogene Präferenzen (z.B. Kunst- oder Kulturgut?)
• Regionale Schwerpunkte (z.B. Großstädte, ländliche oder grenznahe Gebiete)

Auf Grundlage dieser Daten können – analog zur sog. Vorhersagenden Polizeiarbeit – Muster zu bereits erfolgten bzw. Wahrscheinlichkeiten über künftige Taten generiert und gezielte Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Einige Beispiele:

BefundMaßnahme
Häufung während SchließzeitenBau und Technik gegen Einbruch optimieren
Häufung während ÖffnungszeitenPersonal aufstocken und / oder schulen
Einzelsicherung Exponate optimieren
Häufung in KunstmuseenSchwerpunkt Sicherung Kunstmuseen

Häufung im Winterhalbjahr

Technik besonders überprüfen
Personal sensibilisieren

Wie umsetzen?

Das umfassende Monitoring aller Raub- und Diebstahlsdelikte in Kulturbetrieben wäre ein Modul innerhalb einer Sicherheitsstrategie, in die die Institutionen sowie Kommunen, Länder und Bund eingebunden sein sollten. Einzurichten wäre eine Datenbank, die von Kulturbetrieben befüllt und von diesen abgefragt werden kann. Hier sind anonymisierte Verfahren denkbar, um die o.g. Meldescheu zu senken. Die Datenbank könnte federführend vom DMB-Arbeitskreis Gebäudemanagement & Sicherheit erarbeitet und beim Deutschen Museumsbund oder beim Deutschen Zentrum Kulturgutverluste angesiedelt werden.

KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven
Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber. Der Autor ist Kunsthistoriker und Mitglied des DMB.
Wielandstraße 5, 04177 Leipzig
Tel 0049 / 341 / 5296524
mail(at)schmitt-art.de
www.kulturbetrieb-magazin.de

Anm.: Vgl. Nora und Stefan Koldehoff, Aktenzeichen Kunst. Die spektakulärsten Kunstdiebstähle der Welt, Köln 2004, S. 194.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2020, S. 60 f.

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