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Der Wert liegt im Auge des Betrachters

Der Fuball-Ausweis von Erich Mielke ist weg

Im Februar 2018 wurde bekannt, dass der BFC-Dynamo-Mitgliedsausweis des ehem. Stasi-Chefs Mielke aus dem Stadtmuseum Berlin gestohlen worden ist. Es liegt nahe zu fragen, warum oder wer so etwas tut, aber dies führt meist nicht weiter.

»Des Menschen Wille ist sein Himmelreich«

Der BFC Dynamo war über viele Jahre ein dominierender Verein im Fußball der DDR, auch aufgrund der Unterstützung durch den Staatsapparat. Erich Mielke, ehem. Minister für Staatssicherheit, war nicht nur Fan und einfaches Mitglied des Clubs, sondern seit 1986 auch 1. Vorsitzender der Sportvereinigung Dynamo. Grund genug, den Mitgliedsausweis des Prominenten mit der Nr. 00379 in der Ausstellung „Hauptstadtfußball. 125 Jahre: Hertha BSC & Lokalrivalen“ (26.07.2017-07.01.2018) in einer Vitrine zu präsentieren.
Die Verantwortlichen des Stadtmuseums Berlin und die Polizei haben keine Details bekannt gegeben, wann und wie genau das historische Dokument aus dem Schaukasten im Ephraim-Palais verschwunden ist, haben aber rund vier Monate nach dem Vorfall eine öffentliche Fahndung nach dem Exponat gestartet. (Anm. 1) Nun wird über die Hintergründe des Diebstahls gerätselt: Könnte es ein Fußballfan oder ein DDR-Nostalgiker gewesen sein? Will jemand das Dokument zu Geld machen oder war es schlicht eine Mutprobe?

Vogelfedern, Gebisse und Totenschädel

Die illegale Wegnahme von Kunst- und Kulturgut hat in der Regel entweder wirtschaftliche oder persönliche Motive. Während Stücke, die auf Schwarzmärkten abgesetzt werden können oder aus Gründen der Erpressung gestohlen wurden, meist unversehrt bleiben, interessiert bei anderen Objekten oft nur der Materialwert. Deshalb werden z.B. Rhinozeroshörner gemahlen oder Münzen und Skulpturen aus Edelmetall eingeschmolzen.
Ganz anders verhält es sich dagegen beim Diebstahl aus persönlichen Motiven. Hier kann es um das `einfache´ Besitzen eines Objektes oder um das Sammeln aus Leidenschaft gehen. Da Stéphane Breitwieser sich mit schönen Dingen umgeben wollte, ging er auf Beutezug in öffentlichen und privaten Sammlungen in Belgien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz. Zwischen 1995 und 2001 hat der unscheinbar wirkende junge Elsässer bei insgesamt 177 Delikten über 230 Kunstgegenstände entwendet, um eine `eigene´ Kollektion aufzubauen. (Anm. 2) Dagegen könnte es sich bei dem zu drei Jahren verurteilten Schweizer, der aus Museen in Österreich, Schweiz und Deutschland – darunter das Naturkundemuseum Berlin – über 17.000 Vogelfedern im Wert von mehr als fünf Millionen Euro gestohlen hat, „um einen `fanatischen Sammler´ handeln, der die Objekte in erster Linie selbst besitzen will.“ (Anm. 3) Auch andere Fälle muten höchst bizarr an: 1981 wurde das Gebiss des ehem. US-Präsidenten George Washington (1732-1799) aus dem Smithsonian Museum of American History in Washington gestohlen. (Anm. 4) Während die präsidialen Beißer im Art Loss Register geführt und somit theoretisch verfolgbar sind, (Anm. 5) gibt es für das Wiederauffinden des Schädels des Stummfilm-Regisseurs Friedrich Wilhelm Murnau (1888-1931) kaum Anhaltspunkte. Im Sommer 2015 haben Unbekannte den einbalsamierten Kopf aus der Familiengruft auf dem Friedhof Stahnsdorf bei Berlin entwendet: „Die Täter gingen offenbar gezielt vor: Die beiden Särge von Murnaus Brüdern wurden nicht angefasst.“ (Anm. 6) Wer ist der Täter? Ein verwirrter Anhänger des Grauens à la „Nosferatu“? Kurz nach dem Verschwinden des Schädels hat ein anderer Murnau-Fan eine Belohnung von 1.000 Euro für Hinweise auf die Wiederbeschaffung des Schädels ausgelobt. (Anm. 7)

Wachsames Personal ist nicht zu ersetzen

Mechanische und elektronische Maßnahmen sind unerlässlich, können aber das wache Auge des Service- und Sicherheitspersonals nicht ersetzen. Die beste Anlage nützt jedoch nichts, wenn das Signal gehört, aber als Falschalarm eingestuft wird (Saliera, Wien, Kunsthistorisches Museum, 2003). Oder wenn Täter die Alarmanlage überlisten und das Exponat im Beisein von Besuchern und Aufsichtskräften stehlen (Rodin, Mann mit der gebrochenen Nase, Kopenhagen, Ny Carlsberg Glyptotek, 2015). (Anm. 8) Oder wenn Täter sich im Vorfeld nach dem Vorhandensein bestimmter Exponate erkundigen: Nach museumsinternen Rundmails über erste Diebstähle von Rhinozeroshörnern erinnerte sich der Mitarbeiter eines Dortmunder Museums „plötzlich wieder an jenen merkwürdigen Anruf, den er vor einigen Wochen erhalten hatte: In gebrochenem Englisch erkundigte sich ein Mann danach, ob man sich in dem Museum vielleicht echte Nashorn-Hörner anschauen könne.“ (Anm. 9) Sicherheit braucht Kommunikation, Aufmerksamkeit und ständige Kontrolle! (Anm. 10)

Redaktion

Anm. 1: Markus Lücker, Wer stahl Erich Mielkes Dynamo-Ausweis?, in: Der Tagesspiegel, 20.02.2018; Quelle; https://www.tagesspiegel.de/berlin/museumsraub-in-berlin-wer-stahl-erich-mielkes-dynamo-ausweis/20981818.html; Abfrage: 24.02.2018
Anm. 2: Vgl. Nora und Stefan Koldehoff, Aktenzeichen Kunst. Die spektakulärsten Kunstdiebstähle der Welt, Köln 2004, S. 167 ff.
Anm. 3: Lisa Settari, 45-Jähriger stiehlt seltene Vogelfedern aus Museen, in: Süddeutsche Zeitung, 13.06.2017; Quelle: http://www.sueddeutsche.de/muenchen/prozess-jaehriger-stiehlt-seltene-vogelfedern-aus-museen-1.3544705; Abfrage: 24.02.2018
Anm. 4: Reidar Sognnaes, President Washington’s most famous dentures stolen from the Smithsonian, in: The Journal of the American Dental Association (JADA), Vol. 106, Feb.1983, S. 216; Quelle: https://www.sciencedirect.com/sdfe/pdf/download/eid/1-s2.0-S0002817783620293/first-page-pdf; Abfrage: 24.02.2018
Anm. 5: Vgl. Lücker, Wer stahl Erich Mielkes Dynamo-Ausweis? Anm. 6: Diebe stehlen Kopf von „Nosferatu“-Regisseur Murnau, in: Berliner Morgenpost, 14.07.2015; Quelle: https://www.morgenpost.de/brandenburg/article205473365/Diebe-stehlen-Kopf-von-Nosferatu-Regisseur-Murnau.html; Abfrage: 24.02.2018
Anm. 7: Lucas Negroni, Stahnsdorf: 1000 Euro Kopfgeld für Murnau-Schädel, in: Berliner Zeitung, 21.07.2015; Quelle: https://www.bz-berlin.de/berlin/umland/stahnsdorf-1000-euro-kopfgeld-fuer-murnau-schaedel; Abfrage: 24.02.2018
Anm. 8: Vgl. Berthold Schmitt, Alarmanlagen bedürfen der gründlichen Kontrolle. Was der Diebstahl einer Büste von Auguste Rodin lehrt, in: KulturBetrieb, vier 2015, S. 54.
Anm. 9: Claudia Füßler, Aus dem Schaukasten gewildert. Eine gut organisierte Bande klaut in großem Stil Nashorn-Hörner aus deutschen Museen. Die Branche ist entsetzt, in: Die ZEIT, 16.06.2011; Quelle: http://www.zeit.de/2011/25/N-Nashoerner; Abfrage: 24.02.2018
Anm. 10: Vgl. Berthold Schmitt, Sicherheit in Kulturbetrieben. Was sollten Service- und Aufsichtskräfte wissen?, in: KulturBetrieb, eins 2017, S. 86-87 sowie den Beitrag „Gestohlene Münzen nur schwer wiederzubeschaffen. Erste Rückgaben sind erfolgt, Versicherung zahlt nicht“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2018, S. 44 f.

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