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Arbeitsunfall im Homeoffice: Versichert oder nicht?

Es kommt auf die konkreten Umstände an!

Seit Corona hat sich unsere Arbeitswelt gewandelt. Um die Gefahr einer Ansteckung nach Kräften zu reduzieren, sind auch Museen, Bibliotheken, Archive u.a. kulturbewahrende Einrichtungen gehalten, möglichst viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht in ihrer Einrichtung, sondern an externen Orten arbeiten zu lassen. Rechtliche Grundlage ist die am 27. Januar 2021 in Kraft getretene SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung. Wie aber verhält es sich im sog. Homeoffice mit dem Versicherungsschutz im Falle eines Unfalls? Was, wenn ein Arbeitnehmer auf dem Weg in sein häusliches Arbeitszimmer stürzt und sich verletzt?

Bundessozialgericht erweitert Unfallversicherungsschutz

Grundsätzlich gilt: Privat motivierte Tätigkeiten und die damit verbundenen Risiken hat nicht der Arbeitgeber, sondern der Versicherte selbst zu verantworten. So sind z.B. Wege zum Essen oder Trinken im Homeoffice nicht unfallversichert. Dies hat das Bundessozialgericht bereits 2016 entschieden, denn „bei der Nahrungsaufnahme (handelt es sich) nicht um eine versicherte berufsbezogene Tätigkeit, sondern um ein `eigenwirtschaftliches Interesse´. Passiert etwas, wenn sich der Arbeitnehmer eine Druckerpatrone holt, handelt es sich hingegen um eine dienstliche Tätigkeit und damit um einen versicherten Arbeitsunfall.“ (Anm. 1)
Der juristische Umgang mit Arbeitsunfällen im Homeoffice ist durch die vermehrte Heimarbeit komplexer geworden. Besonderes Augenmerk richtet sich u.a. auf die Frage, welche Wege als Betriebswege gelten. So kann z.B. ein Sturz auf der Kellertreppe durchaus als Arbeitsunfall gewertet werden. Genau dies hat das Bundessozialgericht (BSG) – entgegen eines früheren Urteils des Bayerischen Landessozialgerichts (LSG) – mit Urteil vom 27.11.2018 (B 2 U 28/17 R) entschieden. Geklagt hatte eine Sales Key Account-Managerin, die sich beim Sturz auf der Kellertreppe in ihrem Haus an der Wirbelsäule verletzt hatte. Zum Hergang heißt es: „Am Unfalltag sollte die Verunfallte am Nachmittag den Geschäftsführer anrufen. Das wollte sie von ihrem Büro im Keller erledigen. Beim Gang auf der Treppe nach unten stürzte sie und verletzte sich. Die Berufsgenossenschaft Handel und Warenlogistik (BGHW) wollte den Unfall nicht als Arbeitsunfall anerkennen, da auf der Treppe zwischen privaten und geschäftlich genutzten Räumen kein Versicherungsschutz bestände. Außerdem sei der Unfall nicht bei der Ausführung beruflicher Handlungen, sondern bei vorbereitenden Handlungen erfolgt. In diesem Sinne urteilte das LSG. In der Begründung des Bundessozialgericht heißt es u.a., dass der vertraglich vereinbarte Arbeitsort die Wohnung der Managerin war, der Weg in den Keller erfolgte, um einer dienstlichen Weisung des Geschäftsführers Folge zu leisten, die Außentür als Grenzziehung für Betriebswege hier nicht gilt, das Telefonat mit dem Geschäftsführer eine Aufgabe im Interesse des Unternehmens war.“ (Anm. 2)

Unmittelbar unternehmensdienliche Wege sind geschützt

Ende 2021 hat das BSG in einem ähnlichen Fall ebenfalls im Sinne des Verunfallten entschieden: „Der Kläger befand sich auf dem Weg zur Arbeitsaufnahme von seinem Schlafzimmer in das eine Etage tiefer gelegene häusliche Büro. Üblicherweise beginnt er dort unmittelbar zu arbeiten, ohne vorher zu frühstücken. Beim Beschreiten der die Räume verbindenden Wendeltreppe rutschte er aus und brach sich einen Brustwirbel. Die beklagte Berufsgenossenschaft lehnte Leistungen aus Anlass des Unfalls ab. Während das Sozialgericht den erstmaligen morgendlichen Weg vom Bett ins Homeoffice als versicherten Betriebsweg ansah, beurteilte das Landessozialgericht ihn als unversicherte Vorbereitungshandlung, die der eigentlichen Tätigkeit nur vorausgeht. Das Bundessozialgericht hat die Entscheidung des Sozialgerichts bestätigt. Der Kläger hat einen Arbeitsunfall erlitten, als er auf dem morgendlichen Weg in sein häusliches Büro (Homeoffice) stürzte. Das Beschreiten der Treppe ins Homeoffice diente nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz allein der erstmaligen Arbeitsaufnahme und ist deshalb als Verrichtung im Interesse des Arbeitgebers als Betriebsweg versichert.“ (Anm. 3)

Kein Wegeunfall, aber versicherter Betriebsweg

Die Entscheidung im Falle des Mannes, der auf dem Weg vom Schlafzimmer ins Homeoffice gestürzt war, hat das BSG weiterführend so begründegt: „Es liege zwar kein versicherter Wegeunfall vor, bei dem Arbeitnehmer auf dem Weg von und zur Arbeit versichert sind. Diesen Versicherungsschutz gebe es erst ab dem Durchschreiten der Haustür. Der Kläger habe aber seinen Unfall auf einem versicherten Weg erlitten. Die Umstände des Falles zeigten, dass die Handlungstendenz des Klägers allein darauf ausgerichtet war, die Arbeit zu beginnen.“ (Anm. 4)

Grundsätzlich gilt: Arbeitnehmer im Homeoffice dürfen hinsichtlich des Unfallversicherungsschutzes nicht schlechter gestellt sein als Arbeitnehmer im Betrieb. Daraus folgt auch, dass die Arbeitnehmer im Homeoffice hinsichtlich ihrer Sicherheit und Gesundheit unterwiesen werden müssen. (Anm. 5)

Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Tobias Christ, Mobiles Arbeiten und Homeoffice: Welche Rechte Arbeitnehmer haben, 10.10.2018, in: aktiv. Ratgeber für Arbeitnehmer; Quelle: https://www.aktiv-online.de/ratgeber/homeoffice-und-mobiles-arbeiten-welche-rechte-arbeitnehmer-haben-2829 ; Abfrage: 07.02.2022
Anm. 2: Homeoffice: Wann ist ein Unfall ein Arbeitsunfall?, in: Haufe Online Redaktion, 04.05.2020; Quelle: https://www.haufe.de/arbeitsschutz/recht-politik/homeoffice-wann-ist-ein-unfall-ein-arbeitsunfall_92_366106.html ; Abfrage: 07.02.2022
Anm. 3: Weg vom Bett ins Homeoffice gesetzlich unfallversichert, in: Bundessozialgericht, 08.12.2021; Quelle: https://www.bsg.bund.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2021/2021_37.html ; Abfrage: 07.02.2022
Anm. 4: Jörg Ciszewski, Arbeitsunfall im Homeoffice. Bundessozialgericht erweitert Unfallversicherungsschutz, in: VdK Zeitung, Februar 2022, S. 22.
Anm. 5: Vgl. Berthold Schmitt, Unfallschutz und Sicherheit. Auch im Homeoffice ist Einweisung eine Pflicht in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2022, S. 64 f.

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