Meist geht es in Archiven, Bibliotheken, Museen und anderen kulturbewahrenden Einrichtungen friedlich zu. Was aber, wenn die Ordnung gestört wird? Wie souverän gehen Service- und Aufsichtskräfte damit um? Ist die sog. Visitenkarte des Hauses tatsächlich in der Lage, ihre Aufgaben, Pflichten und Rechte umfänglich wahrzunehmen und effizient durchzusetzen? In meinen QEM-Kursen sehe ich, dass genau diese grundlegenden Kompetenzen erstaunlich selten gegeben sind. Ein weiterer Beitrag zur neuen Themenreihe »Es liegt nicht immer am Personal!«
Zutritt verschaffen, Leistungen erschleichen usw.
Im Mai 2024 hat der Arbeitskreis (AK) Gebäudemanagement und Sicherheit des Deutschen Museumsbundes (DMB) vor Personen gewarnt, die versuchen, sich unter falschen Vorwänden Zutritt zu Museen zu verschaffen. Was war geschehen? In Bremen, Leipzig, München und Wolfsburg tauchten Personen auf, „die beispielsweise unter dem Vorwand eines Termins mit der Museumsdirektion versuchen, in Büroräume zu gelangen oder die Bibliothek zu besuchen, kleinere Geldbeträge zu leihen, sowie kostenlose Leistungen (z.B. Getränke, Kataloge, Museumseintritt) zu erhalten. Darüber hinaus gab es bereits Versuche, Hotelzimmer auf die Rechnung örtlicher Museen zu buchen. Bei der Enttarnung verdächtiger Personen bauen diese häufig weiter Druck auf, beispielsweise durch lautes Geschrei und vermeintliche Hilferufe. Lassen Sie sich davon nicht einschüchtern und machen Sie im Zweifelsfall von Ihrem Hausrecht Gebrauch. Darüber hinaus sind die folgenden Empfehlungen für den Umgang mit verdächtigen Personen hilfreich:
• Sensibilisieren Sie Ihre Mitarbeitenden, insbesondere Aufsichten und Kassenkräfte o Kritisches Hinterfragen des Anliegens verdächtiger Personen o Benennen einer internen Ansprechperson bei Rückfragen o Verdächtige Personen nicht unbeaufsichtigt lassen (z.B. von der Ansprechperson abholen lassen)
• Kommunizieren Sie Termine mit externen Personen im Vorfeld an Ihre Mitarbeitenden
• Lassen Sie verdächtige Personen nicht unbeaufsichtigt, vor allem nicht in sensiblen Bereichen
• Bestehen Sie darauf, dass Jacken und Taschen an der Garderobe abgegeben werden.“ (Anm. 1)
Diese Empfehlungen sind nützlich und sollten möglichst allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eines Hauses zeitnah zur Kenntnis gebracht werden. Besonderes Augenmerk sollte dabei auf der Kommunikation mit dem Aufsichts- und Servicepersonal liegen, da diese in der Regel nicht nur der erste Kontakt mit Gästen sind, sondern oftmals auch der einzige. Umso wichtiger ist es, diese Kräfte mit praxisnahen und zielführenden Informationen zu versorgen.
Fehlender Überblick erhöht Risiken
In Kulturbetrieben ganz es recht lebhaft zugehen. Während die Aufsicht mit der Schulklasse beschäftigt ist, drängt der Sanitärinstallateur darauf, in den technischen Bereich zu kommen. Außerdem werden die Reinigungskräfte erwartet und irgendwo soll auch der neue Volontär sein, der der Aufsicht aber nicht von Ansehen bekannt ist ... Mitunter ist es nicht leicht, den Überblick darüber zu bewahren, wer das Haus betritt oder verlässt. Besonders schwierig kann es bei Dienstleistern oder Lieferanten werden, deren Personal mitunter wechselt. Wer sich da unerlaubt Zutritt verschaffen oder Unrechtes machen möchte, hat es oft leicht.
Auch kleinere und mittelgroße Kulturbetriebe sollten Maßnahmen ergreifen, um den Überblick darüber zu bewahren, wer sich im eigenen Hause aufhält. Eine erste Stufe ist das Besucher- oder Gästebuch, in dem neben Vor- und Zuname, Organisation, Kontaktdaten und Grund des Besuches auch Zeitpunkt des Ein- wie Auscheckens vermerkt sind. Darüber hinaus sollten Lichtbildausweise Teil des Mindeststandards sein, da sie ein probates Verfahren zur Verbesserung der betrieblichen Abläufe sind. Allerdings sind Herstellung und Verwaltung von Ausweisen für das eigene Personal und für externe Kräfte recht aufwändig und das Ganze muss stringent durchgeführt und stets auf aktuellem Stand gehalten werden. Das bindet nicht nur Ressourcen, sondern kann mitunter zu Spannungen führen. Besonders Geisteswissenschaftlern sagt man nach, sie hegten eine Abneigung gegen eine solche Art der Kennzeichnung … Dennoch: Lichtbildausweise, sofern sie von allen, jederzeit und gut sichtbar getragen werden, erleichtern die Orientierung und fördern die Sicherheit. (Anm. 2)
Praxisnahe Beschreibung des Arbeitsplatzes ist zwingend!
Mit Blick auf Personen, die sich Zutritt zu Museen und Ausstellungshäusern verschaffen und Leistungen erschleichen wollen, hat der AK Gebäudemanagement und Sicherheit des DMB völlig zurecht empfohlen, die Mitarbeitenden, insbesondere Aufsichten und Kassenkräfte für solche Situationen zu sensibilisieren, das Anliegen verdächtiger Personen kritisch zu hinterfragen und im Zweifelsfall von ihrem Hausrecht Gebrauch machen. Aber: Woher wissen die Service- und Aufsichtskräfte, was und wie zu kommunizieren ist, und was es bedeutet, das Hausrecht durchzusetzen? Die wichtigsten Grundlagen für die tägliche Arbeit der Service- und Aufsichtskräfte sind das Leitbild, die Haus- bzw. Besucherordnung sowie die Dienstanweisung. (Anm. 3)
• Leitbild definiert Selbstverständnis, Ziele, Aufgaben und Strukturen einer Einrichtung. Wer sind wir? Was tun wir? Für wen und wie machen wir das? Das Leitbild gehört zu den Grundlagen des Museumskonzeptes und bietet eine Art Kompass für die innere und äußere Kommunikation.
• Haus- bzw. Besucherordnung (HO/BO) informiert über das Verhalten und die Pflichten innerhalb eines Gebäudes. In einem Museum sagen HO bzw. BO den Gästen, was von ihnen erwartet wird. Haus- bzw. Besucherordnung sind in öffentlichen Einrichtungen öffentlich bekanntzumachen, entweder durch Aushang oder durch Einsichtnahme. Wichtig: Getroffene Regeln dürfen allgemein gültigen Gesetzen nicht widersprechen und sollten darüber hinaus auch durchzusetzen sein!
• Dienstanweisung (DA; allgemein und spezifisch) ist in Organisationen eine rechtsverbindliche Weisung vom Arbeitgeber oder Dienstherrn an die Mitarbeiter zwecks konkreter Durchführung der Arbeitsinhalte.
Leitbild, Haus- bzw. Besucherordnung sowie Dienstanweisung sind nicht nur schriftlich zu formulieren und regelmäßig auf Bedarf und Rechtssicherheit zu prüfen und ggf. zu aktualisieren. Darüber hinaus sollten sie allen Mitarbeiter/innen ausgehändigt, erläutert und ihr Inhalt auf Verständnis abgefragt werden.
Sprachregelungen entlasten, stärken und schützen
Ergänzend zu diesen schriftlichen Handlungsanweisungen kommt der mündlichen Kommunikation große Bedeutung zu. Ein geeignetes Instrument dabei ist die sog. Sprachregelung. Dabei handelt es sich – allgemein gesprochen – um eine Anweisung oder Übereinkunft, wie bestimmte Dinge zu bezeichnen sind. Sprachregelungen stammen aus Politik und Behörden, sind inzwischen aber in vielen anderen Bereichen üblich, besonders in sog. B2C-Branchen („Business-to-Consumer“), also dort, wo Unternehmen bzw. Organisationen in direktem Kontakt mit dem Endverbraucher bzw. Nutzer stehen; dazu gehören auch Kultureinrichtungen.
Sprachregelungen legen z.B. fest, wie, wann und in welchem Zusammenhang einzelne Wörter und Erklärungen anzuwenden sind, welche Begriffe zu vermeiden sind und welche Ausdrücke stattdessen zu verwenden sind. Sprachregelungen stellen sicher, dass Äußerungen verschiedener Teile der Organisation nicht widersprüchlich klingen, obwohl sie das Gleiche aussagen bzw. das Gleiche gemeint ist. Außerdem sorgen sie (wenn sie eingehalten werden) dafür, dass nur das gesagt wird, was die Leitung der betreffenden Organisation vermitteln möchte. Das Prinzip „One voice to the customer!“ gilt ganz besonders für öffentliche Kulturbetriebe, von denen viele Menschen – da via Steuergelder finanziert – ein hohes Maß an Seriosität, Zuverlässigkeit und Professionalität erwarten.
Anwendungsbereiche für Sprachregelungen in Museen und Ausstellungshäusern gibt es viele. Hier einige typische Beispiele, die – wenn unbefriedigend beantwortet – zu Unmut beim Besucher führen können und kein gutes Licht auf das betreffende Haus werfen: Was der Gast vorfindet Mögliche Antworten von Service und Aufsicht Ausstellungsraum geschlossen. Warum? a) Weiß ich auch nicht. Die sagen mir ja nichts. b) Museum hat kein Geld für genügend Personal. Rentner bekommen keinen Preisnachlass? Weshalb? a) Seniorenteller gibt es im Restaurant! b) Rentner sind unsere Hauptzielgruppe. In Grafikabteilung ist es dunkel. Warum? a) Wir müssen Strom sparen. b) Ja, diese Dunkelkammer ist auch für meine tägliche Arbeit eine Zumutung.
Es dürfte wohl kaum ein Museum geben, das die hier genannten Antworten begrüßt. Meine QEM-Schulungen zeigen jedoch, dass sie nicht aus der Luft gegriffen sind. Einige Äußerungen resultieren aus Desinteresse oder Resignation, andere aus Un- oder Halbwissen. In solchen Fällen können Sprachregelungen helfen: Zum einen erklären und begründen sie einen bestimmten Sachverhalt kurz und bündig, sodann bilden sie die offizielle und einheitliche Position des Hauses ab (besonders relevant bei strukturellen Defiziten wie z.B. fehlender Barrierefreiheit) und schließlich stärken, entlasten und schützen Sprachregelungen die Mitarbeiter, da sie unabhängig von ihrer jeweiligen „Tagesform“ souverän auftreten können. Kulturbetriebe sollten ihre Service- und Aufsichtskräfte auch auf der sprachlichen Ebene nicht allein lassen. Das gilt umso mehr für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Sprachregelungen sind ein essenzielles Instrument, um das eigene Personal zur Durchführung der definierten Aufgaben zu befähigen. Denn: Engagierte Service- und Aufsichtskräfte wissen nicht nur, WAS zu tun ist, sondern sie verstehen auch das WESHALB und sie beherrschen das WIE.
QEM – Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
Dr. Berthold Schmitt, Trainer von Service- und Aufsichtspersonal in Museen
Wielandstraße 5, 04177 Leipzig
Tel 0049 / 341 / 5296524
mail(at)schmitt-art.de ; www.aufsicht-im-museum.de
Anm. 1: Gefahrenhinweis zu verdächtigen Personen, in: Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, 22.05.2024; Quelle: museumsberatung-bayern.de/detail/22-05-2024_gefahrenhinweis-zu-verdaechtigen-personen ; Abfrage: 19.08.2024
Anm. 2: Berthold Schmitt, Wissen, wer sich im Gebäude aufhält. Möglichkeiten jenseits des Besucherbuches, in: KulturBetrieb, eins 2022, S. 74 f.
Anm. 3: Vgl. Berthold Schmitt, Alarmkette? Ja, aber so genau weiß ich das nicht … Es liegt nicht immer am Personal!, in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb zwei 2024, S. 82-84.