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Wird die Bedeutung von Museumsshops überschätzt?

Oder ist es vor allem eine Frage des Wie und des für Wen?

Wenn es um das Pro und Contra für Einrichtung und Betrieb von Museumsshops geht, dient der MoMA Design Store in New York vielen Befürwortern als ultimative Größe für den Erfolg. Mit drei Verkaufsstellen in New York, einer Filiale in Tokio sowie mehreren Vertriebspartnern weltweit ist der Store inzwischen mehr als nur ein Museumsshop.

»It´s the economy, stupid!«

Der MoMA Design Store ist ein Unternehmen, das den Status einer Marke erreicht hat und eine Schlüsselstellung für Urban Lifestyle und internationales Design hält. Strategisch vorbereitet und gesteuert werden die weitverzweigten Aktivitäten von der museumseigenen Abteilung Stores & Business Development. Eine andere US-Marke von weltweitem Rang ist Elvis Presley (1935-77). Jährlich besuchen rund 600.000 Menschen seine Villa Graceland in Memphis / Tennessee. Ein US-Konzern hat 125 Millionen US-Dollar in das strapazierte Anwesen investiert, um in den kommenden Jahren Umsätze von rund einer Milliarde Dollar zu erwirtschaften. Eintrittsgelder stehen dabei weniger im Mittelpunkt, sondern vor allem Analog- und Onlineshops, Special Events, Mitgliedschaften in Clubs sowie Urlaub in museumseigenen Hotel (450 Betten). Das Elvis-Rundumpaket. (Anm. 1)

Aufwand und Nutzen

In deutschen Museumsshops ist die Lage laut Peter Leimgruber und Hartmut John eine andere: „Mehr als Dreiviertel der Museen sind bereits auf diesem Geschäftsfeld aktiv. (…) Dennoch stellen sie erst für wenige Häuser eine stabile und lukrative Einnahmequelle dar.“ (Anm. 2) Genauere Zahlen bietet Manfred Steinröx: „Eine von uns im Juli/August 2012 durchgeführte Kurzumfrage unter knapp 100 Kultureinrichtungen macht Unterschiede deutlich: Selten erreicht der Umsatz je Besucher im Museumsshop öffentlicher Betreiber die 1-Euro-Marke. Berücksichtigt man die Kosten für Wareneinsatz, Personal und andere Aufwendungen, vergrößern solche Museumsshop oft, wenn nicht sogar meistens, das Defizit. Private Kultur-Träger sind in der Regel wesentlich erfolgreicher. Umsätze von 5 Euro und mehr je Besucher nicht selten. Woran liegt das?“ (Anm. 3)
Leimgruber und John sehen u.a. ein strukturelles Defizit: „Nach dem rasanten Mengenwachstum der vergangenen Jahrzehnte muss der Fokus des Interesses und der Anstrengungen nun verstärkt und nachhaltig auf den qualitativen Ausbau, die Verbesserung der Strukturen und eine umfassende Professionalisierung der Points of Sale in den Museen gerichtet sein – hin zu originären, unverwechselbaren Einzelhandelsunternehmungen.“ (Anm. 4) Dagegen sieht Karlheinz Schmid eine Chance darin, Vermarktung und Vermittlung zusammen zu führen: „Es wird Zeit, dass die Merchandising-Zonen in den Museen so ernst wie die Ausstellungen im Haus genommen werden. Dass man auch Shops kuratieren kann, konzeptionell und gestalterisch Entscheidungen treffen sollte, müsste sich im musealen Umfeld eigentlich von selbst ergeben. Tut es aber nicht.“ (Anm. 5)

Wird das Publikum ausreichend befragt?

Ratgeber über Einrichtung und Betrieb erfolgreicher Museumsshops setzen vielfach voraus, dass die Besucherinnen und Besucher des Museums einen Shop wünschen und schätzen. Aber trifft das überhaupt zu?
Die Stadt Leipzig wollte wissen, worauf es den Gästen der städtischen Museen ankommt. Um Näheres über die „wahrgenommene Qualität von Angeboten und Dienstleistungen“ zu erfahren, wurden im Jahr 2016 in sechs kommunalen Museen 1.099 Besucherinnen und Besucher interviewt. Die Bewertung der abgefragten Leistungen fiel sehr unterschiedlich aus. Als besonders wichtig gelten u.a. Sauberkeit der Toiletten (96%), angemessener Eintrittspreis (95%), Freundlichkeit des Personals (95%) und Verständlichkeit der Beschriftungen (94%). Als wünschenswert werden u.a. genannt Hör- / Klangstationen (88%), Barrierefreiheit (84%), Sitzmöglichkeiten (81%) oder Museums-Webseite (78%). Als weniger wichtig werden genannt: Audioguide (56%), interaktive Angebote (55%), Museums-Shop (55%) und Museums-Café (49%). (Anm. 6)
Woran könnte das mäßige Interesse an Museumsshops liegen? Am Durchschnittsalter der Befragten eher nicht. Das entspricht mit 48 Jahren recht genau dem Alter der sog. Silver oder Best Ager, die vom Marketing als hoch attraktive, weil finanziell gut ausgestattete Zielgruppe geschätzt und umworben werden. Lassen die Museumsbesucher ihr Geld lieber bei den zahlreichen Geschäften der attraktiven Einkaufsstadt?

»Museum ist Museum – Shop ist Shop«!?

Die Leipziger Umfrage ist sicherlich nicht repräsentativ für die Einschätzung der Relevanz von Museumsshops in Deutschland. Aber offenbar gibt es keinen zwingenden Zusammenhang zwischen dem Besuch eines Museums und dem anschließenden Konsum in dem dazu gehörigen Shop. Als Kronzeuge dafür dient der MoMA Design Store: Der Laden brummt, auch wegen der vielen Kunden, die gar nicht den `Umweg´ über das Museum selbst nehmen: „In direkter Lage gegenüber des Museum of Modern Art ist der Store eine feste Größe für Touristen und auch für ‘Design pro’-Kunden, die in Big Apple zu Hause sind. Der Laden ist eine zwingende Attraktion, sogar für Menschen, die das Museum nicht besuchen.” (Anm. 7)

Der MoMA Design Store hat die Messlatte für Museumsshops hoch gelegt. Häuser, die sich daran als gewinnbringendes Geschäft orientieren wollen, sollten sich gut vorbereiten, auch hinsichtlich der dafür nötigen Ressourcen an Finanzen, Know-how und Personal. So planen z.B. die Träger des Jüdischen Museums Köln, das 2020 in der Archäologischen Zone „Miqua“ eröffnen soll, fest mit den Einnahmen aus dem Shop, um höher zu veranschlagende Betriebskosten zu kompensieren: „Die zu erwartenden 120.000 Besucher sollen 775.000 Euro in die Kasse bringen.“ (Anm. 8) Aber selbst der MoMA Design Store ist kein Selbstläufer oder Garant für Erfolg: 2015 wurde bekannt, dass die Filiale in SoHo in New York City enorme Schwierigkeiten hat, die horrenden Pachten für Geschäfte zu zahlen. (Anm. 9)

Redaktion

Anm. 1: Vgl. Berthold Schmitt, „It´s the economy, stupid!“ Graceland – Lernen von Amerika?, in: KulturBetrieb, zwei 2015, S. 72 sowie Michael Zirnstein, Elvis Presley und sein Neuschwanstein, in: Süddeutsche Zeitung / SZ.de, 09.08.2017; Quelle: http://www.sueddeutsche.de/reise/elvis-presley-der-geist-von-memphis-1.362128; Abfrage: 11.08.2017
Anm. 2: Museumsshop-Management. Einnahmen, Marketing und kulturelle Vermittlung wirkungsvoll steuern. Ein Praxis-Guide, Bielefeld 2011, S. 11.
Anm. 3: Merchandising – von der Hoffnung zur Realität, in: KM – Kultur und Management im Dialog, Nr. 71, September 2012, S. 6-9; Quelle: https://www.kulturmanagement.net/downloads/magazin/km1209.pdf; Abfrage: 04.08.2017
Anm. 4: Museumsshop-Management, 2011, S. 11.
Anm. 5: Vermarktung oder Vermittlung. Museumsshops am Scheideweg, in: Kunstzeitung, Juli 2017, S. 20.
Anm. 6: Besucherbefragung 2016 / Museen. Ergebnisse; hrsg. von der Stadt Leipzig, Amt für Statistik und Wahlen, Leipzig 2016, 45 Seiten; Häuser: Stadtgeschichtliches Museum, Museum der Bildenden Künste, GRASSI Museum für Angewandte Kunst, Bach-Museum, Mendelssohn-Haus, Galerie für Zeitgenössische Kunst; Quelle: http://www.leipzig.de/fileadmin/mediendatenbank/leipzig-de/Stadt/02.1_Dez1_Allgemeine_Verwaltung/12_Statistik_und_Wahlen/Stadtforschung/Besucherbefragung_Museen_2016.pdf; Abfrage: 08.08.2017
Anm. 7: Interview: Ruth Shapiro of MoMA Design Store in New York to speak at Retail Design Expo 2017, 10.02.2017; Quelle: http://www.retaildesignworld.com/58a6c9fc71ca7-quinine-sponsors-retail-design-expo-theatre-to-help-drive-debate/article/589dd715dbe88-interview-ruth-shapiro-of-moma-design-store-in-new-york-to-speak-at-retail-design-expo-2017; Abfrage: 08.08.2017 (Übersetzung: Redaktion)
Anm. 8: Andreas Damm, Jüdisches Museum: Landschaftsverband will Stadt Köln an Bewachungskosten beteiligen, 10.08.2017, in: Kölner Stadt-Anzeiger; Quelle: http://www.ksta.de/koeln/juedisches-museum-landschaftsverband-will-stadt-koeln-an-bewachungskosten-beteiligen-28143610; Abfrage: 13.08.2017
Anm. 9: Even MoMA can´t afford the rent in SoHo, 24.04.2015; Quelle: http://www.crainsnewyork.com/article/20150424/RETAIL_APPAREL/150429919/even-moma-cant-afford-the-rent-in-soho; Abfrage: 08.08.2017

DieserBeitrag ist erstmals erschienen in KulturBetrieb, zwei 2017, S. 108 f.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2017-Ausgabe-2-November.pdf

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