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Wetter macht Orgeln zu schaffen

Instrumente leiden unter Hitze und Trockenheit

Die Orgel gilt als die Königin der Instrumente. In Kirchen haben die Instrumente eine wichtige akustische, optische und funktionale Bedeutung, die oftmals sehr eng mit den jeweiligen baulichen Gegebenheiten verknüpft ist. Das kann sich nachteilig auf die Musikinstrumente auswirken.

Risse, Brüche, Klemmen

Orgeln bestehen traditionell zum großen Teil aus Holz. Der Werkstoff kann für Windladen, Tasten, einen Teil der Pfeifen und mitunter für die mechanische Steuerung verwendet werden. Als organisches Material ist auch das Holz der Orgel den Wirkkräften von Temperatur und Feuchte ausgesetzt. So hat der Sommer 2018 bei vielen Instrumenten Schäden verursacht, besonders in Mitteldeutschland.
In Kirchengebäuden sollte die relative Luftfeuchte durchschnittlich bei 60 bis 70 Prozent liegen. (Anm. 1) Für Leinwände wären 50-55% besser, für Holz 55-60% und für Metall 5-40%. Die Situation ist vielfach also nicht optimal, aber akzeptabel – solange die entscheidenden Werte stabil bleiben. Die lange Hitze- und Trockenperiode im vergangenen Sommer hat dieses empfindliche Gleichgewicht jedoch massiv gestört. „Mancherorts seien Instrumente überhaupt nicht mehr spielbar gewesen, sagte der Beauftragte für das sächsische Orgelwesen der Landeskirche, Tobias Hasse. So hätten einzelne Tasten nicht bewegt werden können oder hätten permanent geklungen. (….) Zum Teil habe es an den sächsischen Orgeln auch Risse am Leder der Blasebälge gegeben oder es seien geleimte Holzverbindungen aufgebrochen, sagte Haase. Aber nicht nur an den Instrumenten seien Schäden zu verzeichnen, auch den hölzernen Emporen habe die Trockenheit zugesetzt.“ In Sachsen-Anhalt seien rund 50 Orgeln „nachhaltig beschädigt worden, nur noch schlecht oder auch gar nicht mehr spielbar.“ (Anm. 2)
Trockenheit und Hitze sind offenbar die eindeutigen Auslöser für den aktuellen Schadensbefund. Anders hingegen bei dem Schimmelbefall, der seit einigen Jahren vor allem Orgeln in Sachsen heimsucht. 2013 ging man davon aus, dass rund ein Drittel der Instrumente betroffen sein könnte. Klassische Ursachen wie z.B. Temperaturunterschiede am Außenmauerwerk, Feuchte oder unzureichende Lüftung erklären das Phänomen nur zum Teil. „Der Befall betreffe jedoch alte und neue Orgeln in sanierten und unsanierten Kirchen sowie unter verschiedenen raumklimatischen Bedingungen.“ (Anm. 3)

Was tun?

Zerstörte oder beschädigte Teile von Orgeln werden ersetzt bzw. repariert. Das kann richtig ins Geld gehen. Für die Orgel der Leipziger Taborkirche beläuft sich die Schadenshöhe von auf rund 9.300 Euro. Insgesamt wollen die Experten aber abwarten, „ob die kühlere Jahreszeit die zu geringe Luftfeuchtigkeit [teilweise unter 50%] in den Kirchen wieder ausgleicht und die Instrumente sich wieder erholen. (…) Falls sich die extreme Witterung in den Folgesommern so fortsetzt, müsse es Lösungen für eine nachhaltige Vorsorge geben. Denkbar seien etwa Befeuchtungsgeräte oder automatische Belüftungsanlagen, um der Trockenheit vorausschauend zu begegnen.“ (Anm. 4) Auch Beate Friedrich, „die Orgelsachverständige des Kirchenkreises Arnstadt-Ilmenau macht sich Sorgen, wie die zahlreichen Orgeln den Sommer überstehen. `Ständer mit feuchten Handtüchern helfen enorm, ebenso das feuchte Wischen von Steinfußböden in den Kirchen´, rät sie. Vor allem in Hitzeperioden solle die Luftfeuchte regelmäßig kontrolliert und protokolliert werden. `Hygro- und Thermometer sind hilfreich, um die Gefahr zu erkennen und abzuwenden.´ Zudem rät die Sachverständige, Orgeln mit Balg-Anlagen auf dem Dachboden bei Hitze nicht zu nutzen. `Wird die ohnehin schon trockene Orgel bespielt, gelangt noch heißere Luft in ihr Inneres – das kann ihr Ruin sein.´“ (Anm. 5)
Aber auch das nachträgliche Erreichen optimaler Werte kann mit Risiken verbunden sein: „Vorsicht ist geboten, wenn man in einem Kirchenraum zwar nicht optimale, aber stabile klimatische Raumzustände vorfindet. Es ist durchaus möglich, dass sich die Werkstoffe im Laufe der Zeit diesen klimatischen Zuständen angepasst haben und sich nun in einem Beharrungszustand befinden. Die Anpassung der Raumluftzustände an die in der Literatur als optimal empfohlenen Werte kann in solchen Fällen irreparable Schäden verursachen. Dementsprechend empfiehlt die DIN EN 15757, vor einer Änderung der klimatischen Bedingungen zu bestimmen, welches Raumklima üblicherweise im betreffenden Kirchenraum herrscht und von einem Fachmann – in diesem Fall einem Restaurator – untersuchen zu lassen, in welchem Zustand die vorhandenen Kunstgegenstände sind. Erst auf dieser Grundlage können die zukünftig anzustrebenden Werte für relative Feuchtigkeit und Temperatur festgelegt werden.“ (Anm. 6)

Fachkonferenz

Mitte Januar 2019 haben die HAWK Hochschule Hildesheim/Holzminden/Göttingen und das Hornemann Institut die interdisziplinäre Tagung „Klimazone Kirche. Präventive Konservierung der Ausstattung“ durchgeführt. Thematisiert wurde das Klima in Kirchen mit besonderer Berücksichtigung des Schadenspotentials auf Altäre, Skulpturen, Gemälde und Orgeln. Ziel der Tagung war es, die in den Kirchen tätigen Denkmalpfleger/inn/en, Architekt/inn/en und Restaurator/inn/en zu einem Austausch mit Grundlagenforscher/inne/n und Verantwortlichen von aktuellen Forschungsprojekten sowie Best Practice Beispielen zusammenzubringen. (Anm. 7)

Anm. 1: Vgl. Christian Dahm, Beheizen und Temperieren von Kirchen. Von Energieeffizienz, Erhaltung des Kulturerbes und Nutzerakzeptanz, in: Energie & Kirche, Mülheim an der Ruhr, Juli 2017; Quelle: https://www.ekir.de/bauberatung/Downloads/Beheizen%20von%20Kirchen%20-%20Ansichtsexemplar.pdf; Abfrage: 27.12.2018
Anm. 2: Katharina Rögner und Romy Richter, Hitze und Trockenheit bringen Orgeln in Not. Fast jedes Kircheninstrument in Sachsen betroffen, in: Leipziger Volkszeitung, 27.12.2018
Anm. 3: Berthold Schmitt, Kirchenorgeln von Schimmelpilzen bedroht. Rätselhafter Schimmelbefall an Orgeln sächsischer Kirchen, in: KulturBetrieb, vier 2013 S. 23.
Anm. 4: Rögner / Richter, a.a.O.
Anm. 5: Hitze gefährdet Kirchen und Orgeln. Kantorin in Holzhausen gießt täglich den Fußboden, in: Evangelische Kirche in Mitteldeutschland, PM 067, 26.08.2018; Quelle: https://www.ekmd.de/presse/pressestelle-erfurt/hitze-gefaehrdet-kirchen-und-orgeln.html; Abfrage: 27.12.2018
Anm. 6: Dahm, a.a.O.
Anm. 7: Vgl. Klimazone Kirche; Quelle: https://www.hornemann-institut.de/german/tagung_klimazone_kirche.php; Abfrage: 27.12.2018

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in eins 2019 KulturBetrieb, S. 32 f.

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