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Tattoos verringern Respekt vor Funktionsträgern

Eine auch für Museen aufschlussreiche Studie der Polizei

 

Tätowierungen sind nicht nur ein weltweit verbreitetes, sondern auch ein sehr altes Phänomen. Der als „Ötzi“ bekannte „Mann vom Tisenjoch“, der vor über 5.200 Jahren lebte, trägt 61 Körperzeichnungen aus Kohlenstaub. Unter ethnologischen und künstlerischen Aspekten ist Körperschmuck längst Teil von Sammlungen und Ausstellungen. (Anm. 1) Wie aber wirken Tattoos und Piercings, die von Funktionsträgern sichtbar getragen werden, auf das Respektverhältnis zwischen Menschen?

Der erste Eindruck entscheidet

Eine Untersuchung, die sich eigens mit sichtbar getragenem Körperschmuck bei Service- und Aufsichtskräften in Kultureinrichtungen befasst, ist nicht bekannt. Rückschlüsse zulassen könnte jedoch eine im Juni 2018 veröffentlichte Studie der Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz über tätowierte oder gepiercte Polizisten. Das zentrale Ergebnis: Wenn ein Polizist tätowiert oder gepierct ist, sinkt das Vertrauen der Bürger in ihn. Der Respekt verringere sich, die Kombination könne sogar bedrohlich wirken.
Die in Zusammenarbeit mit der Hochschule Trier durchgeführte Studie konzentrierte sich auf sog. implizite Bewertungsschemata, wonach die ersten, unterbewussten Eindrücke entscheiden. Diese kommen besonders in Stress- und Konfliktsituationen zum Tragen. 241 zufällig ausgewählte Menschen wurden in Innenstädten, auf Rastplätzen und in der Bahn nach ihrem ersten Eindruck auf Polizisten in Uniform pur sowie mit Tattoo, Piercing und einem aus der Hose gerutschten Hemd befragt. Werden bewusste Meinungen oder Fragen des Geschmacks ausgeklammert, ist festzustellen, dass Tätowierungen und Piercings eine `ungünstige Wirkung´ entfalten. „Dabei ist bemerkenswert, dass dieser Befund auch bei den Menschen vorliegt, die selbst tätowiert oder gepierct sind. Offenbar existiert eine Diskrepanz in der öffentlichen Akzeptanz und Verbreitung von Körperschmuck einerseits und der tatsächlichen, unterbewussten Wirkung von Körperschmuck andererseits. Die wesentlichen Ergebnisse lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen:
• Die rheinland-pfälzische Polizeiuniform macht ihre/n Träger/in kompetenter und vertrauenswürdiger. Ihr/ihm wird mehr Respekt gegenüber gebracht, als einer zivil gekleideten Person.
• Eine schlampig getragene Uniform reduziert die zugeschrieben Dimensionen Kompetenz, Vertrauen und Respekt.
• Uniformierte Polizistinnen und Polizisten, die eine sichtbare, großflächige Tätowierung auf dem Unterarm tragen, fallen bei Kompetenz und Vertrauen auf die Ebene eines nicht tätowierten Zivilisten zurück.
• Tragen uniformierte Polizistinnen und Polizisten Nasenpiercings bzw. Ohrtunnel sinken die Zuschreibungswerte (Kompetenz, Vertrauen, Sympathie, Respekt), wenn auch in geringerem Maße.
• Beim Tragen einer Kombination aus diesen Schmuckstücken und einer Tätowierung sind die Zuschreibungswerte am negativsten.“ (Anm. 2)
Zusammenfassend sagt Friedel Durben, Direktor der Hochschule der Polizei: „Ein Uniformierter wird generell kompetenter, vertrauenswürdiger und respektvoller betrachtet als jemand in Zivil. (…) Je mehr ich mich individualisiere, desto mehr geht dieser positive Effekt der Uniform verloren.“ (Anm. 3)

Mangelnder Respekt kann Einsatz erschweren

Obwohl eine endgültige Auswertung und Diskussion der Ergebnisse noch nicht vorliegt, nehmen die Macher der Studie an: „Es ist eine wissenschaftlich bewiesene Tatsache, dass negative Zuschreibungen auf der impliziten Ebene das Verhalten beeinflussen. Dieses Verhalten kann je nach Kontext und Situation für die Polizeibediensteten zu deutlichen Nachteilen in der Einsatzbewältigung führen. Daher prägte die Arbeitsgruppe Erscheinungsbild den Begriff des `situativen Einsatzrisikos´. Damit ist die Wahrscheinlichkeit für ein Erschwernis oder gar Scheitern des polizeilichen Einsatzerfolgs gemeint. Eine negative Zuschreibung auf der impliziten Ebene bspw. in Bezug auf Kompetenz oder Respekt kann zu einem für die Polizei nachteiligen Verhalten führen. Das können bspw. mehr Diskussionen oder ein Widerstand gegen polizeiliche Maßnahmen sein, was wiederum zu einer deutlichen Erhöhung des situativen Einsatzrisikos führt. Ein einheitliches und ordentliches Erscheinungsbild der Polizeibediensteten ist somit gelebte Eigensicherung, da es die Gefahren des polizeilichen Alltags reduzieren kann.“ (Anm. 4)

Die mitunter extrem emotional aufgeladene Situation der Polizisten ist nicht direkt vergleichbar mit der Arbeit von Service- und Aufsichtskräften in Museen u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen. Dennoch sollten Direktion und Verwaltung die beschriebene Wechselwirkung zwischen (ziviler) Uniform bzw. uniformartiger Kleidung und sichtbar getragenen Tätowierungen oder Piercings kennen, um möglichen Spannungen oder Risiken bereits im Vorfeld begegnen zu können. (Anm. 5)

Anm. 1: Vgl. u.a. Ausstellung „Tattoo und Piercing – Die Welt unter der Haut“, Leipzig, GRASSI Museum, 2017/18; Tattoo-Museum Amsterdam; Baltimore Tattoo Museum.
Anm. 2: Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz; Quelle: www.polizei.rlp.de/de/die-polizei/dienststellen/hochschule-der-polizei-rheinland-pfalz/aktuelles/; Abfrage: 09.07.2018
Anm. 3: Welt.de; Quelle: www.welt.de/regionales/rheinland-pfalz-saarland/article177107398/Studie-Tattoos-verringern-Respekt-vor-Polizisten.html; Abfrage: 09.07.2018
Anm. 4: Hochschule der Polizei Rheinland-Pfalz, a.a.O.; Abfrage: 09.07.2018
Anm. 5: Vgl. „Umkleidezeit kann bezahlte Arbeitszeit sein. Über Dienstkleidung in Kulturbetrieben“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.

 Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb zwei 2018, S. 82 f.

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