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Staatshaftung – Allheilmittel zur Kostenreduzierung ohne Folgen?

Neben der Bundeshaftung existieren allein in Deutschland 15 unabhängige Länderhaftungen, die bei Ausstellungen und Leihnahmen öffentlicher Institutionen die Haftung (und damit den Versicherungsgedanken) übernehmen können, ohne dass dafür ein Beitrag fällig wird.
Kunstausstellungen mit Staatshaftung zu versehen, wurde das erste Mal 1974 in Schweden und anschließend 1975 in den USA getestet. Die amerikanische Staatshaftung stellt hohe Anforderungen an die Institutionen, die sie nutzen wollen. Es gibt ein mehrere 100 Seiten starkes Manual, das genau vorschreibt, welche Qualität an Verpackung und Transportmittel in Relation zur Empfindlichkeit der jeweils zu transportierenden Kunstwerke zu stellen ist. Dieses Handbuch hat bisher nicht Schule gemacht.

Uneinheitliche Landesgesetze

Staatshaftung in Deutschland gibt es seit 1992 in unterschiedlichsten Ausprägungen, je nach wirtschaftlichem Vermögen einzelner Länder ist die Höhe der jeweils übernommenen Staatshaftung sehr unterschiedlich. Kann Nordrhein-Westfalen bis zu 100 Millionen Euro übernehmen, liegt die Summe bei Mecklenburg-Vorpommern im einstelligen Bereich. Die jeweiligen Landesgesetze, die die Staatshaftung regeln, sind nicht einheitlich, sondern spiegeln die kulturelle Vielfalt unseres föderal verfassten Staates wider. Kulturhoheit ist nach wie vor Ländersache.
Die ständig steigenden Summen auf dem Kunstmarkt bewegen natürlich auch die Bewertungsüberlegungen der jeweiligen Kuratoren, sofern es sich um staatlichen Besitz handelt. Allerdings gilt innerhalb Deutschlands und für deutsche öffentliche Häuser die Regel, dass einmal in staatlichem Besitz befindliche Kunstgegenstände nicht mehr veräußerbar sind. Lediglich im Falle eines Totalschadens sieht sich die besitzende Institution vor die Frage gestellt, ob der erlittene Verlust durch die Versicherungssumme ausreichend bemessen ist, um vergleichbare Qualität am Kunstmarkt wiederzuerlangen. Totalschäden sind allerdings im Kunstbereich und gerade im Ausstellungsbereich äußerst selten.

Was geschieht im Falle des Falles?

Die bisherigen Erfahrungen mit Staatshaftung haben bei den Verantwortlichen in Politik und Ministerien zu der Meinung geführt, dass die ersparten Prämien jedes Verhältnis rechtfertigen. Nach inoffiziellen Informationen sollen aus der Bundeshaftung weniger als 300.000 Euro in den letzten zehn Jahren gezahlt worden sein. Problematisch an allen Staatshaftungen ist, dass diese keine klaren Regeln vorsehen, wie im Fall der Fälle vorzugehen ist. Versicherungsgesellschaften halten Schadenabteilungen vor, die genau wissen was zu tun ist, wenn ein Kunstwerk beschädigt ist oder durch ein Schadenereignis einen Totalschaden erleidet. Die Versicherungspolicen sehen dafür Regularien bis hin zum sogenannten Sachverständigenverfahren vor.
Im Museumswesen muss man in diesem Zusammenhang private Leihgaben von öffentlichen Leihgaben unterscheiden. Bei den öffentlichen Leihgaben gilt es abzuwägen, ob bei allen proeuropäischen Überlegungen die unterschiedlichen Rechtssysteme anderer europäischer Staaten es erlauben, dass sich das Museum eines anderen Staates auf eben dieses Konstrukt einlässt. Im Schadenfall fallen in der Regel Restaurierungskosten an. Museen untereinander sprechen aber selten von Themen der Wertminderung, zumal die wiederhergestellten Werke der Museumsarbeit weiterhin zur Verfügung stehen. Sie sind dem Markt entzogen und das Argument des Minderwertes scheidet dadurch aus. Private Leihgeber und Stiftungen können sich auf diesen Gedanken nicht einlassen, denn diese sind zum Erhalt des Vermögens generell verpflichtet. Es fragt sich also, ob das Instrument der Staatshaftung in abgestufter Weise Sinn macht.
Innerhalb eines Bundeslandes können Leihgaben öffentlicher Institutionen untereinander von der Staatshaftung profitieren. Gleiche Voraussetzungen, gleiche Rechtssysteme, gleiche Regeln machen das einfach. Zwischen zwei Bundesländern kann es gelegentlich kompliziert werden, aber da man sich letztendlich innerhalb desselben Bundesrechtes bewegt, ist dieses auch mit gutem Willen zu bewerkstelligen. Problematischer verhält es sich, wenn man sich auf die Staatshaftung anderer Nationen einlässt, deren Rechtssysteme mit dem eigenen, gewohnten System nicht in Deckung zu bringen sind. So kennt das englische Recht im Wesentlichen Fälle, wohingegen das französische und das deutsche Recht kodifiziert sind und eine andere Rechtsgeschichte pflegen.
Der Privatsammler oder die Stiftung haben ein Problem, wenn sie sich auf die Staatshaftung einlassen. Denn es gibt in der Regel nur eine vertragliche Zusatzseite, die anführt, dass der Staat haftet, nicht aber ausgearbeitete Regularien dazu. Versicherungstechnisch gibt es hierfür ausreichende Instrumente und wenn man überlegt, in welchem Maße die Beiträge für die Kunstversicherung gesunken sind, dann fragt man sich, ob das ganze Instrument Staatshaftung überhaupt sinnvoll erscheint. Wenn die Versicherungswirtschaft eine Jahreshaftung von 200 Millionen Euro für die Museen einer deutschen Großstadt für weniger als 70.000 Euro anbietet, ist die Frage berechtigt. Sollte der Totalschaden in dieser Höhe eintreten, sehen die öffentlichen Haushalte hierfür keinerlei Reserven vor. Diese müssen hingegen über Nachtragshaushalte die Mittel zur Verfügung stellen, die sie anschließend über den Schuldendienst finanzieren müssen. Zugegeben, die aktuelle Zinssituation stärkt die staatlichen Überlegungen, Staatshaftung zum Prinzip zu machen. Es soll aber Zeiten geben, in denen sich Zinssituationen ändern und damit andere Aspekte in die Forderungen treten. Insbesondere sollte auch politisch vermieden werden, in einem solchen Fall potentielle notwendige Sozialausgaben gegen die dann ebenso notwendigen Neuausstattungen der Museen auszuspielen. Private Versicherung ist unabhängig von diesen Gedanken. Sie verlangt einen Beitrag für eine klar umrissene Leistung und ist aufgrund von Verträgen und Rückversicherungsverträgen im Schadenfall kurzfristig leistungsfähig.

Fazit

Staatshaftung als Instrument der Kostenreduzierung einzusetzen, ist kurzfristig lohnend, langfristig aber der Risikovorsorge entgegengesetzt. Um die Beitragssituation großer Ausstellungen zu entlasten, könnte man sich zumindest bei den öffentlichen Leihgaben darauf verständigen, lediglich die Restaurierungskosten zu ersetzen. Dies reduziert das zu versichernde Volumen erheblich, da der Totalschaden nicht die Versicherungswirtschaft träfe. Bei diesem Konstrukt sind wiederum private Leihnahmen auszuschließen. Andernfalls würde man den Eigentümer enteignen.
Ein ausgefeiltes Risikomanagement, das auch im Sinne eines Handbuches Verpackungsqualität und Anforderungen festgelegt, würde der Versicherungswirtschaft die eine oder andere Unsicherheit ersparen, wenn in Ausschreibungen lediglich von qualifiziertem Kunstspediteur gesprochen wird. Die Qualifikation wird in der Regel nicht definiert und auf die Auswahl haben immer weniger Kunstverständige Einfluss. Dies geschieht mehr durch Vergabeinstitutionen, die mit der eigentlichen Sache nichts zu tun haben. Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich auch nur eine Frage der Zeit, wann auch die Staatshaftung sich dem ersten großen Schaden ausgesetzt sehen wird.

Zilkens Fine Art Insurance Broker GmbH
Dr. Stephan Zilkens, Geschäftsführer

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Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in eins 2019 KulturBetrieb, S. 88 f.

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