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Obliegenheiten

Stille Quälgeister in der Schadenregulierung

Leihgeber machen sich selten Gedanken, was mit ihren Kunstwerken passiert, die sie auf Reisen geschickt haben. Im Berliner Bode-Museum war eine große Goldmünze im Wert von EUR 3,5 Millionen als Leihgabe zu sehen. Diese wurde leider von einer Bande entwendet, die möglicherweise mit einem externen Dienstleister im Sicherheitsbereich des Museums zusammengearbeitet hat. Die Leihgabe war über den Rahmenvertrag des Museums versichert. Das Schadenbild ist eindeutig und die Münze nicht mehr vorhanden. Der Leihgeber nachweislich in keinerlei Beziehung zum Museum oder denjenigen, die den Einbruch verübt haben. Dennoch sieht er sich jetzt einer Schadenregulierung gegenüber, die lediglich EUR 800.000 als Entschädigung anbietet. Der Grund: Obliegenheiten. Das Museum ist verpflichtet, die Sicherungen stets in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Darüber hinaus wird die Sicherheit durch Bewachungskräfte verstärkt. Letztere können externe Dienstleister sein. Sie gelten aber, solange sie innerhalb des Museums tätig sind, als Repräsentanten. Damit verursachen sie durch Obliegenheitsverletzungen Wirkungen gegen den gutgläubigen Leihgeber, der für all das nichts kann. Jetzt wird gerichtlich geklärt, ob das Angebot des Versicherers zur Regulierung rechtens ist und das kann bekanntlich dauern.

Versicherer unterscheiden Obliegenheiten in drei zeitlichen Abständen

Es gibt zum ersten die Obliegenheiten bei Vertragsabschluss. Das sind die, die den Versicherer dazu bringen, letztlich ein Risiko in die Bücher zu nehmen. Dazu gehören Risikobeschreibungen, Zusicherungen von Eigenschaften und ganz allgemein Gefahren und Umstände, nach denen der Versicherer vor Vertragsabschluss fragt. In der Unfallversicherung zählen dazu auch Krankheitsbilder, deren Verschweigen zu einer Reduzierung des Versicherungsschutzes führen kann.
Vor dem Schadenfall existiert die zweite Ebene von Obliegenheiten insbesondere dann, wenn an den Versicherungsschutz zusätzliche Maßnahmen gebunden waren, die zu einer Verbesserung der Risikosituation innerhalb eines klar bestimmten Zeitraums führen sollten. Oft sind dies Sicherungsmaßnahmen, wie der Einbau einer Einbruchmeldeanlage oder die Bestätigung eines Sachverhaltes durch Dritte, die an Fristen gebunden sind und deren Nichteinhaltung als Obliegenheitsverletzung gewertet wird. Insgesamt wird erwartet, dass sich ein Versicherungsnehmer so verhält als sei er nicht versichert. Das Wesen von Schaden- und Unfallversicherungen ist, wirtschaftliche Folgen von plötzlichen und unvorhergesehen eintretenden Ereignissen abzufedern und zu bezahlen. Insofern gehört auch die Obliegenheit zu den Verhaltensregeln in einem Versicherungsvertrag.

Die dritte Kategorie von Obliegenheiten betrifft die, die man nach einem Schadenfall zu beachten hat. Dazu gehört insbesondere die unverzügliche Information an den Versicherer – wobei unverzüglich heißt, ohne schuldhaftes Verzögern – unter Angabe aller Umstände, die zum Schadenfall bekannt sind. Eine genaue Beschreibung des Hergangs ist dabei genauso wichtig wie die Einleitung geeigneter Maßnahmen zur Eindämmung des Schadenbildes. Unterlässt man die rechtzeitige Meldung, hindert man den Versicherer daran, Maßnahmen zur Aufklärung zu ergreifen oder gegebenenfalls wesentliche Erkenntnisse zum Schadenshergang zu erhalten.
Mit der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes 2008 ist das scharfe Schwert der Obliegenheitsverletzung etwas stumpfer geworden. Galt es vor der Reform als sicher, dass eine Obliegenheitsverletzung ausreichte, dass der Versicherer die Schadenzahlung verweigern und der Versicherungsvertrag seitens des Versicherers nach Kenntnis der Obliegenheitsverletzung gekündigt werden konnte, so ist heute eine direkte Verbindung zwischen der Obliegenheitsverletzung und dem Schadenbild herzustellen. Konkret bedeutet dies, wenn als Obliegenheit zum Beispiel eine Alarmanlage vorgeschrieben wurde, der Schaden aber durch Leitungswasser entstand, die Nichtexistenz der Alarmanlage keine Auswirkung auf die Regulierung hat, weil zwischen dem Schadenbild und der verletzten Obliegenheit kein Zusammenhang besteht. Anders verhält es sich im Fall der entwendeten Goldmünze, bei der der Versicherer davon ausgeht, dass die Nichteinhaltung der Obliegenheit in sehr erheblichem Maße das Schadenvolumen beeinflusst hat. Wäre der Wachmann auf dem Posten gewesen und hätte er nicht den Sicherungsbereich manipuliert, wäre der Einbruch vermutlich nicht erfolgt. Dass der Versicherer überhaupt etwas zahlen muss, liegt daran, dass die kriminelle Energie mit der hier vorgegangen wurde, vermutlich auch bei vorhandenen voll funktionsfähigen Sicherungen zu einem wenn auch geringeren Schadenbild geführt hätte.

Man verhalte sich, als sei man nicht versichert

Als Leihgeber, ob öffentlich oder privat, sollte man daher stets darauf achten, dass man den Versicherungsschutz seiner Objekte unter Kontrolle hat. Das ist am einfachsten, wenn man seine eigene Versicherung für Leihgaben verwendet, denn dann weiß man, was man hat. Bei den Versicherungsbedingungen sollte man allerdings darauf achten, dass die Nichteinhaltung von Obliegenheiten Dritter, dem eigenen Versicherungsschutz nicht schadet. Anders verhält es sich, wenn man sich auf die vorhandene Versicherung des Leihnehmers verlassen will. In der Regel sind weder private noch öffentliche Leihgeber mit den Gepflogenheiten von Versicherungen vertraut oder darin geübt, Bedingungswerke zu lesen. Noch komplexer wird es, wenn dann auch noch Staatshaftung als Haftungsgrundlage angeboten wird.
Versicherungsmakler bieten als Service ihren Kunden an, Bedingungswerke zu überprüfen, um dem Leihgeber so als Kontrollinstanz zu dienen. Auch wenn die Überprüfung zu einem positiven Ergebnis führt und der Leihgeber sich auf die Police des Leihnehmers verlassen will, kann er im Schadenfall nicht auf die Hilfe seines Versicherungsmaklers zurückgreifen, weil dieser für die Vermittlung dieses Vertrages nicht zuständig ist. Er muss sich daher in solchen Fällen externer Rechtsberatung bedienen, die in solchen Fällen durchaus Schärfe in die Diskussion bringen kann und die möglicherweise kontraproduktiv sind. Auch englische Versicherungsverträge kennen sogenannte Warranties. Selbst wenn die Warranties nicht expressis verbis im Vertrag stehen, werden sie von englischen Gerichten nach Ermessensgrundsätzen zugunsten der Versicherer unterstellt. Auch hier gilt der Grundsatz: Man sollte sich so verhalten, als sei man nicht versichert.

Zilkens Fine Art Insurance Broker GmbH
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Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2019, S. 80 f.

 

 

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