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Handyfoto als Beweissicherung

Ist das in Kulturbetrieben zulässig?

Ton und Umgangsformen in der Gesellschaft werden rauer. Immer häufiger ist von verbalen und / oder körperlichen Angriffen zu hören, sogar gegenüber Rettungs- und Hilfskräften im Einsatz oder in Krankenhäusern und Sozialeinrichtungen. In Archiven, Bibliotheken, Museen u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen geht es hierzulande vergleichsweise ruhig zu. Meldungen über jugendliche Diebesbanden, die 2013 Gäste und Servicekräfte des Louvre Paris anpöbelten, bedrohten, bespuckten oder tätlich angriffen, kennt man hierzulande bislang nicht. (Anm. 1) Gleichwohl fragt das Service- und Aufsichtspersonal von Museen im Rahmen von Schulungen immer häufiger nach Wegen, um unabsichtliche Beschädigung von Exponaten oder Vorkommnisse wie Vandalismus besser dokumentieren zu können.

Ablauf und Beteiligte dokumentieren …

Dienstanweisungen sehen vielfach vor, dass Service- und Aufsichtskräfte die an dem Geschehen Beteiligten ausfindig machen, sie festhalten bzw. ihre Personalien aufnehmen. Dies muss selbstverständlich ohne Ausübung von Gewalt und am besten mit dem Einverständnis der Betroffenen erfolgen. Was aber, wenn sich dieser Auftrag nicht umsetzen lässt, z.B. weil der Verdächtige den Ort des Geschehens verlässt, ohne seine Daten mitzuteilen? Dann kommt es umso mehr auf eine genaue Dokumentation des Ablaufs des Geschehens und der beteiligten Personen an. Diese sollte möglichst unmittelbar nach dem Auslösen des Alarms und gleich anschließend an die Sicherung des Tatortes erfolgen. Zu den wesentlichen Merkmalen der Dokumentation gehören u.a. Angaben zu Zeit und Ort, Zahl der Täter und Fluchtweg sowie eine möglichst detaillierte Beschreibung der Person oder Personen. Dazu zählen Geschlecht, Alter, Größe, Statur, Haltung, Kleidung, Haut- und Haarfarbe, Stimme, äußerliche Auffälligkeiten (Signalelemente) … Um eine möglichst hohe Dichte an Informationen zu gewinnen, halten manche Kulturbetriebe spezielle Formulare vor, in denen auch persönliche Daten etwaiger Zeugen vermerkt werden können. (Anm. 2)

… oder einfach ein Foto schießen?

Mobiltelefone mit Kamera- und Videofunktion sind inzwischen weit verbreitet, d.h. Ton- und Bildaufnahmen sind technisch zu jeder Zeit und an fast jedem Ort problemlos möglich. Da liegt es nahe, dass Service- und Aufsichtskräfte einen Vorfall bzw. einen Täter oder Verdächtigen mit dem Handy dokumentieren. Aber ist es überhaupt erlaubt, fremde Menschen zu fotografieren oder zu filmen? Ja, unter Beachtung einiger Regeln. Ein zentraler Begriff im Umgang mit personenbezogenen Daten (auch Fotografien) ist das „berechtigte Interesse“ der verantwortlichen Stelle, hier des Kulturbetriebs. Im Sinne des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) sind Erhebung, Speicherung, Veränderung, Übermittlung oder Nutzung personenbezogener Daten zulässig, „soweit es zur Wahrung berechtigter Interessen der verantwortlichen Stelle erforderlich ist und kein Grund zu der Annahme besteht, dass das schutzwürdige Interesse des Betroffenen an dem Ausschluss der Verarbeitung oder Nutzung überwiegt.“ (Anm. 3) `Berechtigt´ sind alle von der Rechtsordnung gebilligten Interessen, auch ideelle oder wirtschaftliche. Das Fotografieren von Personen zu Beweiszwecken – sei es zur Dokumentation eines Tathergangs oder zur Identifikation des Täters – ist ein solch berechtigtes Interesse, obwohl dadurch das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen (Recht am eigenen Bild) (Anm. 4) verletzt oder eingeschränkt werden kann: „Auch die zielgerichtete Anfertigung eines Personenfotos kann jedoch gerechtfertigt sein. So wird das Fotografieren zur Erlangung eines Beweismittels in einem späteren Zivilprozess grundsätzlich als zulässig angesehen. Hierbei ist nach Auffassung der Gerichte zu berücksichtigen, dass solche Fotos nicht zu dem Zweck geschossen werden, diese der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Die Verwendung im Rahmen eines Prozesses führe dazu, dass lediglich ein begrenzter Personenkreis Einblick habe, so dass die Verletzung des Persönlichkeitsrechts sich in einem engen Rahmen halte. Der Zweck, für die Durchführung eines Prozesses ein Beweismittel an der Hand zu haben, sei demgegenüber so schützenswert, dass die mit dem Fotografieren verbundene geringfügige Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts von dem Betroffenen in der Regel hinzunehmen sei.“ (Anm. 5)

Offen kommunizieren!

Kulturbetriebe, die ihren Service- und Aufsichtskräften erlauben, unerwünschte Vorkommnisse wie Unfälle bzw. Randale, Vandalismus oder andere Straftaten mit der Kamera- und Videofunktion zu dokumentieren, sollten dies kenntlich machen. Am besten als zusätzlicher Hinweis in der Haus- und / oder Besucherordnung (HO/BO). Dies empfiehlt sich ohnehin, wenn Außen- und / oder Innenbereiche eines Gebäudes per Videokamera überwacht werden. Bei Zweifeln bezüglich der Formulierungen sollten Juristen oder Polizei befragt werden. Wirksam wird eine HO/BO allerdings nur, wenn die geltenden Regeln den Besuchern offen und in verständlicher Sprache bekannt gemacht werden; immerhin regelt dieses Dokument die Einzelheiten des Vertrages, den Kultureinrichtung und Besucher bzw. Nutzer miteinander schließen, z.B. durch den Erwerb einer Eintrittskarte. Gleichwohl herrscht in vielen Häusern diesbezüglich Nachholbedarf. Manche Einrichtung hängt die HO/BO gut sichtbar aus; in anderen hingegen findet man die Dokumente nur nach aktiver Suche, andere wiederum halten sie „zur Einsicht bereit“. Die Gründe für diese `Zurückhaltung´ reichen von der Sorge, als „Verbotseinrichtung“ verkannt zu werden, über Desinteresse und Unkenntnis bis zur Unvereinbarkeit mit dem ästhetischen Anspruch der Architektur der Einrichtung. (Anm. 6) Wenn Haus- oder Besucherordnungen kein Papiertiger, sondern eine Stütze der Service- und Aufsichtskräfte für geordnete Abläufe sein wollen, sollten sie knapp, klar und nachvollziehbar formuliert und gut sichtbar kommuniziert werden. (Anm. 7)

QEM – Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
Dr. Berthold Schmitt, Trainer von Service- und Aufsichtspersonal in Museen
Wielandstraße 5, 04177 Leipzig
Tel 0049 / 341 / 5296524
mail(at)schmitt-art.de
www.aufsicht-im-museum.de

Anm. 1: Vgl. Rudolf Balmer, Empörte Museumswärter im Louvre, in: Neue Zürcher Zeitung, 11.04.2013; Quelle: https://www.nzz.ch/panorama/empoerte-museumswaerter-1.18062409 ; Abfrage: 09.03.2020
Anm. 2: Vgl. Formular „Besonderer Vorfall“ in: Aufsicht im Museum; hrsg. von ICOM Schweiz, Zürich 2004, S. 84.
Anm. 3: Bundesdatenschutzgesetz, § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2.
Anm. 4: Vgl. Strafgesetzbuch (StGB), § 201a Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen
Anm. 5: Fotografieren von Personen zu Beweiszwecken, in: Haufe.de, 18.07.2014, Quelle: https://www.haufe.de/recht/weitere-rechtsgebiete/prozessrecht/fotografieren-von-personen-zu-beweiszwecken-im-prozess_206_264834.html ; Abfrage: 10.03.2020
Anm. 6: Berthold Schmitt, Haus- und Besucherordnungen in Kulturbetrieben. Papiertiger oder echte Stütze im Alltag?, in: KulturBetrieb, eins 2015, S. 68 f.
Anm. 7: Vgl. Jan-Alexander Fortmeyer, Hausrecht und -ordnung. Was sein muss und was sein sollte, in: KulturBetrieb, drei 2016, S. 8.

Dieser Beitrag wure erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2020, S. 52 f.

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