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Eintritt frei! Wer zahlt?

Zwischen Bildungsauftrag und Kostendruck

Öffentliche Museen stehen im Dienste der Gesellschaft, u.a. zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken. (Anm. 1) Ein Ziel der Träger der kulturbewahrenden Institutionen ist es, möglichst viele Menschen aus möglichst allen Bildungsebenen zu erreichen. Als ein Hindernis auf diesem Wege wird vielfach der kostenpflichtige Eintritt betrachtet, der von ca. zwei Drittel der rund 6.800 deutschen Museen erhoben wird. Wenn der Eintritt entfällt und deutlich mehr Gäste als zuvor das Haus besuchen, stellen sich zwei Fragen: Wie werden die fehlenden Einnahmen gegenfinanziert? Wer trägt die Kosten für mehr Vermittlung?

Freier Eintritt allein …

Seit einiger Zeit experimentieren Museen hierzulande mit verschiedenen Modellen des Freien Eintritts. Während einige Häuser auf dauerhafte Lösungen setzen, finden sich bei anderen zeitliche befristete Angebote (z.B. jeden ersten Mittwoch im Monat) und wiederum andere beschränken den freien Zutritt auf die ständige Sammlung.
Die bisherigen Erfahrungen der Häuser scheinen so unterschiedlich wie die Einrichtungen selbst: Das Essener Folkwang Museum spricht für das Jahr 2019 von einer Verdreifachung der Besucherzahlen. (Anm. 2) Das Potsdam Museum verbucht für den Zeitraum Mai bis Juli 2018 ein beeindruckendes Plus von 70 Prozent. (Anm. 3) Ob solch´ erfreuliche Zuwächse jedoch stabil bleiben und ob auch jene Menschen erreicht werden, die Museen bislang ignoriert haben, ist noch nicht klar. Beim Landesmuseum Württemberg gab es zunächst einen rasanten Anstieg der Besucherzahlen von bis zu 500 Prozent. Nach einem halben Jahr war der Zuwachs jedoch auf fünf Prozent abgesunken. Fragt sich zudem, wie die fehlenden Erlöse gegenfinanziert werden. Nicht jedes Haus ist in der glücklichen Lage wie das Folkwang Museum Essen. Dort kompensiert die Krupp-Stiftung die durch den freien Eintritt in die Dauerausstellung entgangenen Einnahmen bis Ende 2021 mit einer Gesamtsumme von 1,3 Millionen Euro. Nach Auslaufen des Programms soll die Stadt Essen die Kosten übernehmen, sofern der Stadtrat dem zustimmt. Die Träger der Häuser werden die entgangenen Einnahmen wohl nicht in jedem Fall ausgleichen. In Wien testen vier städtische Kultureinrichtungen den sog. „Kultur-Token“. Wer oft genug ökologisch zu einer Kulturveranstaltung anreist, erhält freien Zutritt. Den teilnehmenden Häusern wird die klimaschonende Initiative jedoch nicht finanziell vergütet. (Anm. 4)

… genügt offenbar nicht

Inzwischen liegen Studien vor, die darauf hinweisen, dass freier Eintritt allein kein langfristiges Erfolgsmodell ist. Für ausgewählte Häuser in Baden-Württemberg hat man festgestellt, dass ein Maßnahmenbündel von mindestens fünf Komponenten zielführend ist: Qualität der Ausstellungen, intensive Vermittlung der Inhalte, attraktiver Service, besucherfreundliche Öffnungszeiten und freier Eintritt. (Anm. 5) Wenn die Beobachtungen und Schlussfolgerungen der Studie zutreffen, dann bedeutet das für Museen zweierlei: Weniger Einnahmen (keine oder reduzierte Erlöse aus Eintritten) und zugleich mehr Ausgaben für Ausstellung, Service und Vermittlung – zwei kommunizierende Röhren. Auch das entstehende Berliner Humboldt Forum will Barrieren abbauen und keinen Eintritt erheben – zumindest in den ersten drei Jahren. Dazu Kulturstaatsministerin Monika Grütters: „Erfolg werden wir vor allem mit einer Kombination aus freiem Eintritt und klugen Vermittlungsstrategien haben. Die Frage sei, wie Barrieren abgebaut und attraktive Formate für sehr verschiedene Zielgruppen geschaffen werden können. `Kulturangebote müssen niedrigschwellig und buchstäblich anziehend sein.´“ Völlig ohne Einschränkungen wird es aber selbst in Berlin nicht gehen: Nicht alle Bereiche des Forums werden unentgeltlich zu besuchen sein; aus Kostengründen wird die ebenfalls im Forum vertretene Stiftung Stadtmuseum Berlin Eintritt verlangen. (Anm. 6)

Vermittlung soll besser werden

Das Vermitteln ist eine der zentralen Aufgaben von Museen und Ausstellungshäusern. Als Ort lebenslangen Lernens erfüllt das Museum einen Bildungsauftrag. (Anm. 7) Mit der Qualität hiesiger musealer Vermittlungsarbeit ist Kulturstaatsministerin Grütters jedoch nicht zufrieden: „`Die kulturelle Vermittlung war in Deutschland leider jahrelang nicht auf dem Niveau, das ich in internationalen Museen beobachtet habe.´ Lange Zeit habe hier die Zahl der Kuratoren die der Vermittler bei weitem überstiegen. Gleichzeitig `konnte man in Museen von Brasilien über Amerika bis Frankreich eine klare Priorität der kulturellen Vermittlung wahrnehmen´, sagte Grütters. Inzwischen sei auch Deutschland viel weiter `Zunehmend werden an den Museen nicht nur Kunsthistoriker, sondern auch Pädagogen eingestellt.“ (Anm. 8) Bleibt abzuwarten, ob künftig auch jenseits von Leuchttürmen wie dem Humboldt Forum ausreichend finanzielle Mittel für eine intensivere Vermittlungsarbeit bereitgestellt werden. Außerdem: Bei zusätzlichen Kosten nur für die Vermittlung wird es nicht bleiben. Wenn Museen in Zukunft tatsächlich signifikant mehr Gäste haben sollten, dann wird folgerichtig auch mehr Personal für die Bereiche Service, Aufsicht und Sicherheit benötigt …

Alternativen zum freien Eintritt

Kultureinrichtungen können auch an die Freiwilligkeit ihrer Gäste appellieren, so wie das Zoologische Museum Alexander Koenig in Bonn. Dort hat man 2012 vorübergehend das Modell „Pay-What-You-Want“ (PWYW) angewendet und nicht nur 20 Prozent mehr Besucher gewonnen, sondern auch höhere Umsätze erzielt. (Anm. 9) Einen ganz anderen Weg hat das Museum für Moderne Kunst in Bremen mit dem Modell „Pay-As-You-Stay“ (PAYS) eingeschlagen. Über einen Zeitraum von 24 Öffnungstagen hat die „Weserburg“ Ende 2019 „einen flexiblen Eintritt von einem Euro pro zehn Minuten erhoben. Gezahlt wurde am Ende des Besuchs. Der übliche Tagespreis beträgt neun Euro, ermäßigt fünf Euro. Der Tagespreis war zugleich der Höchstpreis, wenn Besucher länger als 90 Minuten blieben.“ Unterm Strich sind die Besucherzahlen um 42 Prozent gestiegen und die Ticketeinnahmen im Vergleich zu 2018 gleich geblieben. Laut Befragung hat sich auch kaum einer der Gäste von dem PAYS-Modell gehetzt gefühlt. Im laufenden Jahr soll der Versuch auch auf andere Zeiträume und Ausstellungskonstellationen angewendet werden. (Anm. 10)

Anm. 1: Deutscher Museumsbund (Hrsg.), Standards für Museen, Kassel-Berlin 2006, S. 6.
Anm. 2: „Normaler, ein Museum zu besuchen.“ Folkwang: Eintritt in Sammlung soll auf Dauer frei bleiben, in: Leipziger Volkszeitung, 04.02.2020; vgl. Berthold Schmitt, Schwellenangst runter, Gästezahlen rauf? Museen der Stadt Dortmund seit 2019 kostenfrei, in: KulturBetrieb, eins 2019, S. 56 f.
Anm. 3: Lena Schneider, Siebzig Prozent mehr Besucher, in: Potsdamer Neueste Nachrichten, 07.09.2018; Quelle: https://www.pnn.de/kultur/potsdam-museum-zieht-bilanz-zum-pilotprojekt-siebzig-prozent-mehr-besucher-/23011422.html; Abfrage: 17.03.2020
Anm. 4: Vgl. „Ökologisch anreisen – Geld sparen. Wien testet neues Modell“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Anm. 5: Vgl. Berthold Schmitt, Freier Eintritt allein genügt nicht. Studie bietet Anregungen für mehr Attraktivität im Museum, in: KulturBetrieb, zwei 2019, S. 46 f.
Anm. 6: Gerd Roth, Barrieren abbauen. Berlins Mitte bekommt 2020 mit dem Humboldt Forum einen neuen Anziehungspunkt, in: Leipziger Volkszeitung, 06.01.2020.
Anm. 7: Deutscher Museumsbund, Standards für Museen, 2006, S. 20.
Anm. 8: Gerd Roth, a.a.O.
Anm. 9: Vgl. Berthold Schmitt, Pay what you want! Ein Modell für Museen?, in: KulturBetrieb, drei 2013, S. 16.
Anm. 10: Mehr Besucher ohne Einbußen. Test: Eintrittspreis nach Verweildauer in Bremer Museum, in: Leipziger Volkszeitung, 11./12.01.2020

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2020, S. 34 f.

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