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Die europäische Vitrinen-Normung

Die europäische Vitrinen-Normung

Seit der Einrichtung der ersten Kunst- und Wunderkammern ist die Vitrine oder der Schaukasten das klassische Präsentationsmedium und zugleich das bestimmende Mobiliar in den Ausstellungsbereichen. Ihre wesentliche Funktion ist die eines Schutzbehälters, um ausgewählte und oft anspruchsvoll präsentierte Gegenstände zu Betrachtungszwecken bereitzuhalten. Dabei zielt ihr Schutzzweck darauf, das Ausstellungsgut vor unerlaubtem Zugriff, Beschädigung durch unbeabsichtigte mechanische Einflüsse, schädigenden Klimaeinflüssen, Staub und anderen schädlichen Umwelteinflüssen zu bewahren. Waren die ersten Vitrinen noch einfache Schänke, bei denen die meist hölzernen Türfüllungen durch Glasscheiben ersetzt wurden, entwickelte sich entsprechend gewandelter Ansprüche ein breites Sortiment heraus, beginnend mit Sammlungsschränken über Spezialvitrinen für herausragende Einzelobjekte oder Objektgruppen bis zur Design- oder Sicherheitsvitrine.
Formal sind die mobilen Vitrinen von fest am Boden verankerten und solchen mit einem Bauwerk verbundenen Ausstellungseinrichtungen zu unterscheiden. Ihre Konstruktion kann Sockel von unterschiedlichem Material und integrierte Beleuchtungseinrichtungen umfassen. Der enthaltene Schauraum von beliebiger Größe kann ganz oder nur teilweise aus Glaswänden bestehen. Darüber hinaus können sie mit Sicherungen verschiedener Art ausgestattet sein, um den Diebstahl der gezeigten Objekte zu verhindern.
Inzwischen sind Vitrinen zur Präsentation von Kulturgütern zu hochkomplexen Einrichtungsgegenständen geworden, die außer einem zeitgemäßen Design eine Vielzahl von Anforderungen in Bezug auf konservatorische Notwendigkeiten, Sicherheit, Instandhaltung, Reinigung, Transportfähigkeit oder Barrierefreiheit aufweisen müssen. Gerade aufgrund der bestehenden Vernetzung von Museen und Ausstellungshäusern gilt es zukünftig sicherzustellen, dass im nationalen und internationalen Leihverkehr ein gleiches Verständnis bei den Anbietern und Nutzern über die spezifischen Eigenschaften gegeben ist.

Die Entwicklung der Vitrinen-Standards

Als erster Schritt in die Richtung einer gesamteuropäischen Leitlinie wurde 2014 der Standard EN 15999-1 entwickelt. In diesem Dokument wurde erstmals festgelegt, wie die allgemeinen Spezifikationen umgesetzt werden. Dabei richtet sich diese Euronorm vornehmlich an Einkäufer, indem sie Merkmale und Bedingungen für die Verwendung von Schauvitrinen zur sicheren Ausstellung von Objekten aufführt. Alle technischen Details zur Ausführung der Konstruktion werden in dem Standard sehr allgemein abgehandelt. Die Entwicklung eines objektscharfen Anforderungsprofils auf der Basis von spezifischen Risikoermittlungen fehlt in diesen ersten Pilotstandard noch völlig.
Zwei Jahre später erfolgte der Auftrag an die nationalen Spiegelausschüsse durch das Technische Komitee (TC 346) im Europäischen Normierungsverfahren den ersten Standard durch einen zweiten Teil zu erweitern. Der Arbeitstitel des Beitrags ist: “prEN 15999-2 Conservation of cultural heritage – Guidelines for management of environmental conditions – Recommendation for showcases used for exhibition and preservation of cultural heritage – Part 2: Technical aspects”.

Das Expertengremium einigte sich im Laufe von Redaktionskonferenzen auf Beiträge zu den Themenbereichen „Schutz gegen äußere und innere Umwelteinflüsse“, „Sicherheit“ sowie „Ergonomie und Funktionalität“. Dabei soll der Themenbereich „Schutz gegen äußere und innere Umwelteinflüsse“ die Einzelthemen „Unterbindung von Schwankungen der Relativen Feuchte“, „Ausbildung eines Mikroklimas“, „Schutz gegen gasförmige Schadstoffe“ sowie „Unterbinden von Erschütterungen“ behandeln. Der Themenbereich „Sicherheit“ behandelt die Unterbereiche „Schutz vor Elementarereignissen“ sowie „Schutz vor unerlaubtem Zugriff“. Der letzte Abschnitt wendet sich den Ausführungen zu den Anforderungen in Bezug auf die Lebensdauer, dem Zugang für Nutzer und Besucher, der Qualität des Präsentationsbereichs, der Transportier- und Lagerfähigkeit sowie den Ausführungen zum Gebrauch zu.

Die Zielsetzung

Diese Norm richtet sich als erweiterte Produktnorm hauptsächlich an zukünftige Produktlinien, kann jedoch in Teilbereichen auch auf Bestandsvitrinen angewendet werden. Da Vitrinen je nach Einsatzort und den Exponaten, mit ihren besonderen Anforderungen zur Konservierung, unterschiedlich ausgelegt werden müssen, beinhaltet die Euronorm neben dem Katalog an Themenbereichen auch ein Klassifizierungssystem welches die Eignung der Vitrine für bestimmte Zwecke beschreibt. Hersteller können dann zukünftig ihre Vitrinen standardisierten Testverfahren unterwerfen, um diese zu qualifizieren und sich gegenüber anderen Produzenten abzugrenzen. Zugleich wird dadurch erreicht, dass bei Sonderproduktionen für wertvolle Objekte die Formulierungen der Einzelanforderungen von Seiten des Nutzers durch Verwendung des allgemeingültigen Katalogs von klassifizieren. Gleichzeitig soll jedoch das Design weitgehend von gestalterischen Auflagen befreit bleiben, so dass auch zukünftig zeitgemäße ansprechende Entwicklungen möglich bleiben.
Zum Erreichen dieses Ziels ist es notwendig, eine Vielzahl von bestehenden Normen zu sichten und sie in der Redaktionsarbeit auf ihre Verwendbarkeit zu prüfen, um dann ggf. auch Modifikationen zu formulieren. Bestehende Standards zur Risikoanalyse oder zur Erstellung von Gebrauchsanleitungen sowie für Gläser, Schlösser und Beschläge können dabei vollumfänglich übernommen werden, andere sind sinnentsprechend zu verändern, wie die Standards zur Prüfung von Sicherheitsbehältnissen. Dazu besteht selbstverständlich die Notwendigkeit, die Erkenntnisse aus den spektakulären Ereignissen in Berlin, Trier und Dresden sorgsam zu analysieren und einzuarbeiten. Des Weiteren sind neben den bestehenden nationalen und europaübergreifenden Normen auch die Richtlinien der Versicherer sowie der Elektronikbranche zu beobachten.

Internationales Fachwissen

An dem Prozess sind verschiedene Fachdisziplinen beteiligt. Für die Redaktionsarbeit unter Leitung des Rathgen-Forschungsinstituts, vertreten durch Stefan Röhrs, konnten Fachleute aus verschiedenen operativen Bereichen von Museen ebenso gewonnen werden, wie Naturwissenschaftler, Ingenieure oder Hersteller von Produkten. Unterstützt wird die Arbeit u.a. durch die Stiftung Preußischer Kulturbesitz sowie der Fraunhofer Forschungsgemeinschaft, dem französischen Kultusministerium, dem Nationalmuseum in Krakau, dem Consiglio Nazionale delle Ricerche (CNR) und dem English Heritage. Begleitet und überwacht wird die Normierungsarbeit durch ein Sekretariat des nationalen französischen Normungsinstituts AFNOR in Paris. Durch die verschiedenen Blickpunkte auf die Vitrinen zur Bewahrung von Kulturgut darf man auf einen ausgereiften internationalen Standard hoffen, der für den zukünftigen Kulturguterhalt Maßstäbe setzt.

Ausblick

Nach dem derzeitigen Stand muss der bestehende Normentwurf noch die verschiedenen vorgesehenen Sichtungs- und Einspruchsphasen durch die beteiligten Ausschüsse durchlaufen, so dass mit einem abschließenden Votum aller nationalen Spiegelausschüsse der Europäischen Mitgliedsstaaten nicht vor 2021 zu rechnen ist.

Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)
LWL-Museumsamt für Westfalen
Stephan Brunnert, Fachberatung für Konservierung und Restaurierung

Erbdrostenhof Salzstraße 38, 48133 Münster / Westfalen
Tel 0049 / 251 / 591-4697
stephan.brunnert(at)lwl.org
www.lwl-museumsamt.de

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2020, S. 62 f.

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