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Deutschkurse statt Prüfungsgebühren!

Museen sollten bei der Qualifizierung von Service- und Aufsichtspersonal in relevante Inhalte investieren

Die Weiterbildung von Service- und Aufsichtspersonal ist vielen Museen ein wichtiges Anliegen. Bei manchen Programmen ist jedoch Achtsamkeit geboten, z.B. wegen des damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Aufwandes. In loser Folge greift KulturBetrieb Aspekte zum Thema auf – auch, um über aktuelle Entwicklungen zu informieren.

Anteil der sog. Geringqualifizierten steigt

In früheren Beiträgen (Anm. 1) wurden die Qualifikationen umrissen, die das Personal aus dem Bewachungs- und Sicherheitsgewerbe nachweisen müssen, um hierzulande fremdes Leben und Eigentum gewerblich zu bewachen. Gesetzliche Grundlagen hierfür sind der Paragraph 34a Gewerbeordnung (§ 34a GewO) und die Bewachungsverordnung (BewachV). Die Regelung will u.a. sicherstellen, dass zuverlässige und im behördlichen Sinne geeignete Personen die Tätigkeit ausüben. (Anm. 2) Zentrale Inhalte sind u.a. Recht, Umgang mit Menschen, Sicherheitstechnik und Unfallverhütung, darunter Prävention und Brandschutz. Kulturelle Einrichtungen, die externe Sicherheits- und Bewachungskräfte einsetzen (wollen), sollten auf die entsprechenden Nachweise achten. Da zentrale Basisqualifikationen behördlich geregelt sind, sollten potenzielle Auftraggeber von Schulungen kritisch prüfen, welche der Angebote das Profil und Spektrum des Service- und Sicherheitspersonals in relevanter Weise ergänzen bzw. vertiefen.

Unterrichtung ist nicht gleich Sachkundeprüfung!

In Deutschland bieten Industrie- und Handelskammern (IHK) den Nachweis nach § 34a GewO in zwei Stufen an. Als Mindestqualifikation ist die sog. Unterrichtung vorgeschrieben. Diese umfasst 40 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten und wird meist in einer Woche Vollzeit abgeleistet. Die von den angehenden Sicherheitskräften zu tragenden Kosten variieren nach Stadt und Bundesland und belaufen sich leicht auf 500 Euro und mehr. Da dieses eine beachtliche Summe in einem Niedriglohnsegment ist, bezuschussen manche Sicherheitsunternehmen die Qualifizierung ihrer Mitarbeiter. Die bundesweit einheitlichen Inhalte werden unter Anwesenheitspflicht vermittelt, das Verstehen aber nicht bei jeder IHK überprüft. Demgegenüber sind Anforderungen und Aufwand für das Bestehen der Sachkundeprüfung deutlich höher. Allgemein gilt die bloße Teilnahme an der Unterrichtung als nicht ausreichend für Vorbereitung und erfolgreiches Ablegen der Prüfung, die aus einem schriftlichen (120 min) und einem mündlichen (ca. 15 min) Teil besteht. Die Prüfungsgebühr beträgt ca. 150 Euro. Während Citystreifen oder Kaufhausdetektive die Sachkundeprüfung zwingend ablegen müssen, geht es in Museen u.a. Kulturbetrieben vorwiegend um Objektschutz und Veranstaltungssicherheit sowie um Revier- und Empfangsdienste. Entsprechend nimmt die überwiegende Mehrheit der in diesen Bereichen Tätigen lediglich am Unterrichtungsverfahren teil – Schätzungen gehen von 80 bis 90 Prozent aus! Gründe hierfür sind neben den Kosten und dem zeitlichen Aufwand vor allem der durch den florierenden Arbeitsmarkt bedingte Umstand, dass in der Bewachungsbranche zunehmend sog. Geringqualifizierte arbeiten. Dieser Gruppe fällt es z.B. schwer, die Mindestanforderungen an Sprach-, Lese- und Schreibkompetenzen zu erfüllen.

Details und Kompetenzen prüfen!

Museen können aus einem breiten Angebot an Schulungen für das Service- und Aufsichtspersonal wählen. Die Maßnahmen variieren erheblich nach Inhalt und Methode sowie nach zeitlichem Umfang und Kosten. Vorwiegendes Format sind eintägige Veranstaltungen, i.d.R. ohne Prüfung. Einen anderen Ansatz verfolgt Echocast, das einen europäischen Qualitätsstandard im Besucherservice etablieren will. Das aus Basis- bzw. Aufbautraining bestehende Programm bietet Museen und / oder Unternehmen eine Folge von Lehrgängen, Zertifizierungen und Rezertifizierungen, deren Umsetzung mehrere Jahre dauern kann. (Anm. 3) Unabhängig von Sinn und Wünschbarkeit eines Standards sollten öffentliche Einrichtungen sich versichern, ob langfristige Vereinbarungen dieser Art mit geltendem Ausschreibungs- und Vergaberecht vereinbar sind.

Ein genauer Blick empfiehlt sich zudem bei den Inhalten und Prüfungen. Zunächst hatte Echocast die kostenpflichtige Vermittlung bestimmter Inhalte vorgeschrieben, obwohl diese bereits von § 34a GewO abgedeckt sind. Dies betrifft konkret Modul 2 „Sicherheit, Brandschutz und Erste Hilfe“. Nachdem die Bedingungen geändert wurden, heißt es nun: „In Deutschland kann das Modul 2 durch den Nachweis Paragraph 34a ganz oder teilweise ersetzt werden. Zur Prüfung kommt der Inhalt des Moduls jedoch.“ (Anm. 4) Um Missverständnissen vorzubeugen, wird auf Nachfrage von KulturBetrieb wie folgt konkretisiert: „Das Modul 2 ist im Umfang von 1 Tag generell Bestandteil der Basiszertifizierung. Durch die unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen in den europäischen Ländern ergeben sich jedoch unterschiedliche Durchführungsvarianten. Für Deutschland haben die teilnehmenden Museen entschieden (Sept. 2014), den Nachweis der abgelegten Sachkundeprüfung nach § 34a GewO als Ersatz für das Modul 2 anzuerkennen. Die Dienstgeber sind frei, das Modul 2 ganz oder teilweise dennoch als Wiederholung oder Prüfungsvorbereitung anzubieten.“ (Anm. 5)

Vorausgesetzt, der Unterschied zwischen Unterrichtung und Sachkundeprüfung ist bekannt: Was nach Reduzierung klingt, bedeutet in der Praxis das Festhalten an der früheren, zeitlich und finanziell aufwändigeren Regelung. Da in Wirklichkeit nur ein Bruchteil der Personen die Sachkundeprüfung ablegt, bleibt der überwiegende Teil verpflichtet, das von einem Privatunternehmen entwickelte Modul zu besuchen, dessen zentrale Inhalte bereits in der behördlich vorgeschriebenen Unterrichtung nach § 34a GewO vermittelt worden sind!

Am Rande: Der Unterrichtungs- bzw. Sachkundenachweis beinhaltet keine Schulung in Erster Hilfe. Aus gutem Grund sollten nur Fachleute aus dem Rettungs- und Sanitätswesen Lehrgänge für Erste Hilfe (EH) oder Lebensrettende Sofortmaßnahmen (LSM) durchführen. Da es um Menschenleben gehen kann, sind Kulturbetriebe gut beraten, Angebote zur Schulung des Besucherservice darauf zu prüfen, was diese unter „Erster Hilfe“ verstehen. Sind die Dozenten entsprechend ausgebildet und legitimiert? Stehen die notwendigen theoretischen und praktischen Lehrmittel für einen kompetenten Unterricht bereit? So verfügen z.B. Echocast-TrainerInnen nicht zwingend über einschlägige Ausbildungen oder regelmäßige Nachweise als Sofort- bzw. Ersthelfer. (Anm. 6) Schnelldurchgänge ohne ausgewiesene Fach- und Sachkompetenz, durchgeführt nach dem Motto „Besser wenig, als gar nichts!“, können qua Halbwissen und Fehleinschätzungen kontraproduktiv wirken.

Eine Gebühr ist eine Gebühr ist eine Gebühr …

Während sowohl die sachliche Kompetenz als auch die strukturellen Aspekte des Echocast-Modells Fragen aufwerfen, sind die Kosten eindeutig, wie ein einfaches Zahlenbeispiel zeigt: An nicht wenigen Museen arbeiten 100 und mehr Service- und Aufsichtskräfte, viele davon in Teilzeit. 100 Personen, großzügig aufgeteilt in vier Schulungsgruppen à 25 Teilnehmer (TN), durchlaufen das dreitägige Basistraining in insgesamt zwölf Tagen. Bei einem Tagessatz von 1.000 Euro beträgt das Trainerhonorar rund 12.000 Euro. (Anm. 7) Deutlicher können die Gebühren für die abschließenden mündlichen und schriftlichen Prüfungen ausfallen: Eine Erstzertifizierung kostet 155 Euro, pro Person, (Anm. 8) d.h. bei 100 TN summieren sich die Gebühren (einschließlich Zertifikat) auf 15.500 Euro. Für Rezertifizierungen (ohne erneute Prüfung) sind nach drei Jahren eine Schulung (ein Tag) sowie 70 Euro pro Person (einschl. Zertifikat) zu veranschlagen. In unserem Beispiel können sich allein die Gebühren innerhalb von drei Jahren auf über 20.000 Euro summieren! Zu kalkulieren sind ferner die Kosten für Wiederholung der Prüfung bei Nichtbestehen. Eine nicht zu unterschätzende Größe bei dem vergleichsweise hohen Anteil von sog. Geringqualifizierten! Ob solche Modalitäten den Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen, denen öffentliche Einrichtungen verpflichtet sind?

Was geschieht bei wiederholtem Nichtbestehen mit den Kandidaten? Dürften sie ihrer Arbeit nicht nachgehen, obwohl sie im Besitz einer behördlichen Erlaubnis sind? Würde so lange gefragt, bis jeder die Prüfung besteht? Wäre das vereinbar mit dem Anspruch eines europäischen Standards?

Auch die beachtlichen Gebühren fordern zur Nachfrage heraus: An wen gehen die Einnahmen? Das Prüfungsgremium besteht aus „einer Vertretung von ECHOCAST (für Deutschland und Österreich: Komunariko) und einer Museums-Vertretung.“ Während 15 Euro (ca. zehn Prozent) pro Zertifikat als „Beitrag für Echocast“ (die Organisation?) ausgewiesen werden, (Anm. 9) bleibt offen, was mit den restlichen 90 Prozent geschieht. Fließt ein Teil der Gebühren dem Museum oder der Museums-Vertretung zu? Wenn ja: Ist ein Haushaltsposten für diese Art von Einnahmen vorgesehen? Darf ein Bediensteter einer öffentlichen Einrichtung derlei Honorare erhalten? Kann es zu Interessenkonflikten kommen?

Fazit: Deutsch als Fremdsprache, statt Prüfungsgebühren!

Es wurden mögliche Gründe genannt, weshalb die meisten Bewachungskräfte `nur´ am Unterrichtungsverfahren teilnehmen. Eine Ursache sind mangelnde Deutschkenntnisse. Das ist ein gravierender Nachteil – nicht nur für den Besuch der Weiterbildung, sondern auch für die Tätigkeit im Service, die gewissermaßen von Kommunikation lebt. Vor diesem Hintergrund sollten potenzielle Auftraggeber von Schulungsmaßnahmen prüfen, ob sie ihre knappen Mittel für Inhalte, Prüfungen und Gebühren ausgeben, deren Relevanz, Kompetenz (Erste Hilfe) und Wirtschaftlichkeit Fragen aufwerfen, oder ob sie diese nicht besser in das Beheben realer Defizite investieren. Ein Instrument können Sprachkurse wie „Deutsch für Ausländer“ sein, u.a. angeboten von Volkshochschulen (VHS). Um Kosten zu sparen, könnten Kommunen, die gleichzeitig Träger von Museum und VHS sind, spezielle Konditionen vereinbaren, die zudem museums- bzw. kulturnahe Sprachübungen beinhalten können.

Für (fast) alle Beteiligten ist die Situation unbefriedigend: Die Unternehmen der Bewachungsbranche können nur das Personal einsetzen, das der Arbeitsmarkt bereithält. Auch deshalb fällt es vielen Museen nicht leicht, die Servicequalität zu bieten, die die Besucher erwarten. Die Service- und Aufsichtskräfte investieren beachtliche Summen in ihre Qualifizierung in der Annahme, nach § 34a GewO eine reguläre Zulassung für ihre Tätigkeit erhalten zu haben. Dann aber erschwert oder versperrt das Konstrukt einer privaten Organisation, die hierzulande weder von öffentlichen Institutionen oder Normen wie DIN, EN und ISO noch durch unabhängige Prüfgesellschaften legitimiert ist, den behördlich geregelten und gewünschten Zugang zum Arbeitsmarkt. Die Leidtragenden dieser Gemengelage dürfen aber weder die Museen sein, die direkt oder indirekt für die Kosten aufkommen müssen, noch die oft geringqualifizierten Service- und Aufsichtskräfte!

Dr. Berthold Schmitt, QEM - Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
www.aufsicht-im-museum.de

QEM - Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal ist Förderer der Auszeichnung "Riegel - KulturBewahren" (www.riegel-preis-kulturbewahren.de)

Anm. 1.: Zu den folgenden Ausführungen vgl. Berthold Schmitt, Schulungen für Besucherservice sind wichtig, aber nicht um jeden Preis!, in: KulturBetrieb, drei 2014, S. 68-70; ders., Zunehmender Wettbewerb auf dem hiesigen Arbeitsmarkt. Kulturbetriebe sollten mehr in Qualifizierung und Anerkennung des Service- und Aufsichtspersonals investieren, in: KulturBetrieb, vier 2013, S. 28; ders., Schulungen für Service- und Aufsichtspersonal in Museen. Worauf Museen bei Auswahl und Vergabe achten sollten, in: KulturBetrieb, zwei 2014, S. 76-77.
Anm. 2: Die im Herbst 2014 aufgedeckten Fälle von Übergriffen von Sicherheitspersonal auf Asylsuchende in Flüchtlingsheimen in Deutschland zeigen die mitunter ernüchternde Diskrepanz zwischen Theorie und Wirklichkeit.
Anm. 3: Vgl. www.echocast.eu/museen-und-kulturelle-einrichtungen sowie Berthold Schmitt, Marketing nach dem Tom-Sawyer-Prinzip. Öffentliche Museen sollen für ein Privatunternehmen werben – und zahlen!, in: KulturBetrieb, vier 2014, S. 72-74.
Anm. 4: Vgl. Echocast Basis-Training, www.echocast.eu/zertifizierung/echocast-lehrplan; Abfrage: 24.04.2015.
Anm. 5: E-Mail-Auskunft von Echocast vom 04.11.2014.
Anm. 6: Vgl. www.echocast.eu/trainerinnen/grundvoraussetzung; Abfrage: 24.04.2015; vgl. auch Berthold Schmitt, Im Notfall richtig handeln: Erste Hilfe in Kulturbetrieben. Service- und Aufsichtspersonal nur von Fachleuten schulen lassen, in: KulturBetrieb, vier 2014, S. 66-67.
Anm. 7: Unter Umständen fallen weitere Kosten an, z.B. Arbeitsmaterialien bzw. indirekte Ausgaben für Überstunden oder für den Einsatz von Ersatzkräften zur Aufrechterhaltung des regulären Museumsbetriebs.
Anm. 8: Vgl. www.echocast.eu/zertifizierung/reglement-und-kosten-fur-die-zertifizierung; Abfrage: 24.04.2015. Ob Mengenrabatte möglich sind, bleibt offen.
Anm. 9: Vgl. ebd.; Abfrage: 24.04.2015.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven, zwei 2015, S. 63-67.

Link: KulturBetrieb, zwei 2015, S. 63-67

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