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Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe

Partner für systematische Risikoanalyse

In Deutschland liegt die Zuständigkeit für kulturelle Angelegenheiten bei Ländern und Kommunen. Gleichwohl sieht sich auch der Bund in der Verantwortung für den Erhalt unseres Kulturgutes – unter bestimmten Voraussetzungen. Ein Akteur auf diesem Feld ist das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK). Anlässlich der Tagung „KULTUR!GUT!SCHÜTZEN!“ hat Christoph Unger, Präsident des Bundesamtes, mit KulturBetrieb gesprochen. (Anm. 1)

KulturBetrieb (KB): Sehr geehrter Herr Präsident, das BBK ist ein zentrales Organisationselement für die Zivile Sicherheit in Deutschland. Was aber hat der Schutz unserer Lebensgrundlagen mit dem Erhalt von Kunst- und Kulturgut zu tun?

Christoph Unger (CU): Als Zivilschutzbehörde ist das BBK unter anderem dafür zuständig, die 1954 auch von der Bundesrepublik Deutschland ratifizierte Haager Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten umzusetzen. Glücklicherweise sind Kriege hierzulande fern; dennoch verpflichtet die Haager Konvention uns dazu, auch zu Friedenszeiten vorbereitende Maßnahmen für den Schutz von Kulturgut zu treffen. Besonders in Hinblick auf die sog. Kritischen Infrastrukturen (KRITIS) haben das BBK und seine nationalen und internationalen Partner über Jahre ein effektives und effizientes Risiko- und Krisenmanagement aufgebaut. Dieses Know-how wollen wir weiter entwickeln, auch für die spezifische Situation kultureller Einrichtungen. Um deren konkrete Bedarfe besser kennen zu lernen und den Austausch unter den Verantwortlichen zu fördern, bin ich gerne zu dieser Tagung gekommen.

KB: Bevor wir diesen Aspekt vertiefen, will ich nach der Sicherungsverfilmung fragen, für die Ihr Haus auch zuständig ist. Seit 1975 werden national wertvolle Archivalien und Dokumente verfilmt und unter höchsten Sicherheitsvorkehrungen in einem Stollen im Schwarzwald verwahrt. Wie ist hier der Stand?

CU: Die Mikroverfilmung ist ein technisch einfaches und zugleich wirtschaftliches Verfahren, um Unwiederbringliches und Einmaliges langfristig zu dokumentieren, zu sichern und künftigen Generationen zumindest als Film zu hinterlassen. Aktuell sind rund 1,1 Milliarden Aufnahmen gefertigt, was circa 34.000 Kilometer Mikrofilm entspricht. Der Barbarastollen ist der Zentrale Bergungsort der Bundesrepublik Deutschland und zugleich Europas größtes Archiv zur Langzeitarchivierung. Wir gehen davon aus, dass das in speziellen Edelstahlbehältern aufbewahrte Filmmaterial auch in 500 Jahren ohne jeden Informationsverlust genutzt werden kann.

KB: Zurück zum aktiven Schutz von Kunst- und Kulturgut, zu dem auch Bau und Unterhalt von Bergungsräumen gehören sowie die Ausbildung von Personal aus Museen u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen.

CU: Bergungsräume im Sinne der Haager Konvention dienen dazu, mobiles Kulturgut dorthin zu verlagern, wenn es durch kriegerische Handlungen gefährdet ist. Dabei orientieren sich die technischen Richtlinien sinnvoller Weise an denen der Personenschutzräume, berücksichtigen jedoch die Besonderheiten der einzulagernden Objekte. Das BBK baut solche Bergungsorte nicht selbst, sondern es berät bei Bedarf Kultureinrichtungen und begleitet ggf. planerisch, besonders was spezielle Sicherheitsaspekte im Falle von bewaffneten Konflikten angeht. Solche Anfragen kommen in unseren relativ friedlichen Zeiten eher selten vor. Einige Häuser haben allerdings für den Fall, dass die Kulturgüter aufgrund von Gefahren aller Art aus ihrem Stammquartier ausgelagert werden müssen, geeignete Ausweichquartiere ausgewählt und für diesen Zweck ertüchtigt.

Die von Ihnen angesprochene Aus- und Weiterbildung ist eine weitere Säule unserer Arbeit. Dazu unterhält das BBK in Bad Neuenahr-Ahrweiler die Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ). Das Bildungsangebot richtet sich an Entscheidungsträger und Multiplikatoren aller Verwaltungsebenen, auch in Kulturbetrieben.

KB: Ein zentrales Kriterium für rasches und zielführendes Handeln im Krisenfalle ist die Kommunikation zwischen allen Beteiligten. Leider zeigt die Erfahrung, dass dies nicht immer selbstverständlich ist. Wenn etwa ein Museologe von einem `Objekt´ spricht, meint er ein einzelnes Stück. Für Feuerwehrleute, die zu einem Einsatz gerufen werden, etwa einem Brand, ist ein Objekt hingegen ein gesamtes Gebäude. Wie ist Ihre Erfahrung dazu?

CU: Da sprechen Sie einen wichtigen Punkt an! Viele Museen sind baulich, technisch und personell sehr gut gerüstet. Unter vorbereitenden Maßnahmen für den Schutz von Kulturgut verstehen wir jedoch etwas umfassenderes, nämlich die vorausschauende und strukturierte Analyse möglicher Gefahren und Schäden sowie die rasche Wiederherstellung der Handlungsfähigkeit nach einem Schadensereignis. Solche Risikoanalysen sind mittlerweile in vielen Bereichen Standard. Vor allem bei den sog. Kritischen Infrastrukturen wird das systematische Risiko- und Krisenmanagement seit Jahren erfolgreich praktiziert.

KB: Können Sie dazu ein Beispiel geben?

CU: Gerne. Denken Sie nur an die Versorgung mit Strom. Ein langandauernder Ausfall hätte weitreichende Konsequenzen zum Beispiel für den normalen Betrieb eines Museums. Wenn der Strom ausfällt, ist es nicht nur dunkel und kalt. Auch Telefonie und Internet stehen still. Klimaanlagen fahren herunter, sodass Sammlungen, Depots und Archive nicht mehr optimal versorgt sind. Dass dies kein theoretisches Szenario ist, haben wir im Sommer 2018 gesehen. Der Transport von Öl auf den Wasserstraßen war stark eingeschränkt. In der Folge sind nicht nur die Preise gestiegen, sondern es kaum auch zu Versorgungsengpässen im Energiesektor. Die vielen kleinen und großen Erfolge im Bereich der KRITIS machen es sehr wahrscheinlich, dass eine Übertragung der Methoden auf die Gefahrenabwehr im Kulturbereich ganz erhebliche Vorteile bringen würde. Das Rad muss also nicht neu erfunden werden. Als BBK wollen wir die Kultureinrichtungen ermutigen, ihre vorbeugenden Maßnahmen zur Gefahrenabwehr zu systematisieren, sich mit den Gefahrenabwehrbehörden vor Ort zu vernetzen und gemeinsame Übungen abzuhalten.

KB: Welche Bedeutung haben dabei der SicherheitsLeitfaden Kulturgut (SiLK) und die Notfallverbünde?

CU: Der SicherheitsLeitfaden Kulturgut bietet einen guten und einfachen Zugang zum Thema Sicherheit in Kultureinrichtungen, auch und besonders für Menschen, deren Hauptaufgabe nicht die Sicherheit von Gebäuden und Sammlungen ist. Das BBK finanziert die Weiterentwicklung von SiLK, denn der Wissenspool soll immer aktuell sein und künftig noch um weitere Themen erweitert werden. Das BBK fördert noch eine weitere Initiative zur Verbesserung der Sicherheit von Kultureinrichtungen: Notfallverbünde von Kultureinrichtungen einer Region, die sich auf freiwilliger Basis bilden um sich ggf. im Falle der Gefahr gegenseitig unterstützen zu können. Die Notfallverbünde sind aus unserer Sicht ein wichtiger Hebel, um den Kulturgutschutz vor Ort zu gewährleisten. Die Verbünde sind in Folge von Unglücken wie in Dresden (Hochwasser), Weimar (Feuer) und Köln (Einsturz) entstanden. Es handelt sich um sog. „Bottom-up-Initiativen“, die von den Betroffenen und Verantwortlichen selbst initiiert und getragen werden. Dem BBK ist nicht nur daran gelegen, dass weitere Notfallverbünde entstehen, sondern wir unterstützen auch die Bildung von Netzwerken. Jedes Jahr veranstaltet die AKNZ unter Federführung eines Notfallverbundes in einer anderen Stadt einen Workshop mit interessierten Notfallverbünden und Interessierten, die sich mit dem Gedanken tragen, einem Notfallverbund beizutreten oder eine zu gründen. Dabei geht es um Erfahrungsaustausch, Organisation und Ausrüstung sowie um die Zusammenarbeit mit den Behörden für Gefahrenabwehr. In 2019 wird dieses bundesweite Arbeitstreffen der Notfallverbünde am 29. und 30.04.2019 in Köln stattfinden. Kooperationspartner der Veranstaltung sind das Historische Archiv der Stadt Köln, der Kölner Notfallverbund und das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. (Anm. 2) KB: SiLK und Notfallverbund. Beide Formate klingen nach dem Motto „Hilfe zur Selbsthilfe“. CU: Ja, ohne das geht es nicht. Eine Einrichtung wie das BBK kann und darf sich nur begrenzt engagieren. Umso mehr unterstützen wir die Vernetzung der Handelnden. Die Notfallverbünde sind auch hinsichtlich ihres hohen Maßes an Eigeninitiative vorbildlich. Sie identifizieren sich sehr mit dem Ziel des Schutzes von Kunst- und Kulturgut und arbeiten intensiv an praxistauglichen Lösungen. Diese Haltung deckt sich übrigens mit dem Leitbild des BBK, denn öffentliche Sicherheit und Ordnung sind gemeinschaftliche Aufgaben. Jede Bürgerin und jeder Bürger soll sich der Eigenverantwortung im Bevölkerungsschutz bewusst sein und selbst aktiv werden. Umso schöner, wenn solche Initiativen von der Fachwelt wahrgenommen und gewürdigt werden. Deswegen danke ich Ihnen sehr für die von Ihrem Magazin verliehene Auszeichnung „Riegel – KulturBewahren“. (Anm. 3) Mit SiLK (2016) und den Notfallverbünden (2017) haben Sie zwei sehr verdiente Formate ausgezeichnet. Sehr geehrter Herr Präsident, ich danke für das Gespräch. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe Präsident Christoph Unger Tel 0049 / 22899-550-0 poststelle@bbk.bund.de www.bbk.bund.de Anm. 1: Die 5. Internationale Tagung „Kultur!Gut!Schützen!“, Leipzig, 08./09.11.2018, stand unter dem Motto „Bilanz ziehen – Kulturgutschutz seit Anna Amalia“. Anm. 2: Vgl. Kulturgutschutz – Spezialthemen, in: Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz (AKNZ), Jahresprogramm 2019, S. 50 sowie Weimar – Köln – Rio. Kulturgutschutz in Zusammenarbeit mit den Einsatzkräften, Köln, 29./30.04.2019 Anm. 3: Vgl. Riegel – KulturBewahren. Preis für Schutz, Pflege und Ausstellen von Kunst- und Kulturgut; www.riegel-preis-kulturbewahren.de

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