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Wer zahlt für sein eigenes Wissen?

Museen – wenn das Kalkül gewisser Dienstleister aufgeht!

Museen – wenn das Kalkül gewisser Dienstleister aufgeht!

Die Weiterbildung von Service- und Aufsichtspersonal ist vielen Museen ein wichtiges Anliegen. Bei manchen Programmen ist jedoch Achtsamkeit geboten, z.B. wegen des damit verbundenen organisatorischen und finanziellen Aufwandes. In loser Folge greift KulturBetrieb Aspekte zum Thema auf – auch, um über aktuelle Entwicklungen zu informieren.

Während Ausstellungsetats schrumpfen, …

Seit geraumer Zeit befassen sich viele Museen mit ihren eigenen Sammlungen. Zu den positiven Gründen zählt ein gewachsenes Interesse an der eigenen Geschichte und Identität. Schließlich sind Alleinstellungsmerkmale von wachsender Bedeutung im Wettbewerb um die Gunst der Besucher. Dagegen leiden Museen unter zunehmender Bürokratisierung, struktureller Unterfinanzierung oder unzureichender Personalausstattung (Anm. 1). Zudem werden zentrale Bereiche des musealen Auftrags immer stärker von wirtschaftlichen Belangen und rechtlichen Hürden (z.B. Ausschreibung und Vergabe) geprägt. „War schon immer so!“, mag man einwenden. Richtig, aber es wird fragwürdig, wenn Museen gleichzeitig kostenintensive Aufträge an externe Dienstleister vergeben, die in beachtlichem Umfang vom hausinternen Fach- und Sachwissen der Institutionen selbst profitieren!

… verdienen Externe an kostenintensiven Schulungen, …

Ein Beispiel sind Schulungen für das Service- und Aufsichtspersonal in Museen. Solche Maßnahmen empfehlen sich, um einen freundlichen und kompetenten Service für das Wohlbefinden der Besucher und die Sicherheit der Exponate zu gewährleisten. Wichtig ist zudem, die Kräfte an das Haus zu binden, denn aufgrund der aktuell guten Lage am Arbeitsmarkt fällt es öffentlichen Einrichtungen und Unternehmen aus dem Bewachungsund Sicherheitsgewerbe nicht leicht, Personal zu finden, das auf Basis des gesetzlichen Mindestlohns arbeitet (Anm. 2). Da die Angebote an Schulungsmaßnahmen vielfältig und mitunter komplex sind, sind potenzielle Auftraggeber gut beraten, den konkreten Bedarf genau zu definieren und die einzukaufende Leistung darauf abzustimmen.
Zu den wichtigsten Leitlinien der Entscheidungsfindung für öffentliche Einrichtungen zählen die Regeln des Ausschreibungs- und Vergabeverfahrens, die Qualität des Anbieters sowie das Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (Anm. 3). Unter den hierzulande offerierten Maßnahmen steht das Produkt Echocast für einen zeitlich, organisatorisch und finanziell beachtlichen Aufwand. Inwieweit dieser mit den o.g. Kriterien des öffentlichen Auftragswesens vereinbar ist, sollte vor einer Vergabe gründlich geprüft werden. Das betrifft z.B. Vertragskonditionen, die darauf zielen, das Produkt exklusiv und längerfristig anzuwenden, es bei der Besetzung von Stellen zu fordern, in Haus- oder Besucherordnungen zu implementieren oder es zugunsten eines Unternehmens der Privatwirtschaft (!) aktiv zu bewerben (Anm. 4). Neben solch rechtlichen Aspekten sind auch zentrale Kompetenzen zu hinterfragen, darunter Erste Hilfe. Wenn z.B. Trainer ohne die üblichen Befähigungsnachweise lebenswichtige Maßnahmen im Schnelldurchgang vermitteln, kann das bei den Kursteilnehmern zu gefährlichem Halbwissen führen. Museen sind gut beraten, solche Kurse von Fachleuten aus dem Rettungs- und Sanitätswesen durchführen zu lassen (Anm. 5) Im Kontext der Einsparungsauflagen bei Museen sollte das Modell Echocast aber auch in wirtschaftlicher Hinsicht sehr genau geprüft werden. Die bemerkenswert hohen Gebühren für diverse Zertifizierungen, die zu Trainerhonoraren und möglichen weiteren Kosten hinzukommen, wurden bereits in Ausgabe zwei 2015 dieses Magazins erläutert. Für Museen mit 100 und mehr Service- und Aufsichtskräften können sich allein diese Gebühren innerhalb von drei Jahren leicht auf über 20.000 Euro summieren(Anm. 6)! Davon könnten einige Transporte, Vitrinen und Kunstvermittler bezahlt werden. Damit aber nicht genug.

… die auf hausinternem Know-how basieren!

Der bis zu acht Tage umfassende Lehrplan von Echocast sieht ein Modul „Hausspezifische Einführung“ vor: „TeilnehmerInnen lernen die Organisation kennen, für die sie arbeiten. Ihre Aufgaben und an sie gestellte Erwartungen werden ihnen vermittelt.“ (Anm. 7). Diese Inhalte sind für einen guten Besucherservice hilfreich. Dennoch sollten potenzielle Auftraggeber sich darüber im Klaren sein, woher das zu vermittelnde spezielle Wissen über „ihr“ Museum stammt. Will man dieser Aufgabe gerecht werden, sind alle Bereiche moderner Museumsarbeit einzubeziehen: Darunter Organisation und Verwaltung, Technik und Sicherheit, Sammlungs- und Ausstellungskonzept, Vermittlung und Öffentlichkeitsarbeit aber auch Restaurierung, Registrars und Depot. Ein externer Dienstleister wird kaum in der Lage sein, sich selbstständig profunde Kenntnisse über eine ihm fremde Einrichtung zu erarbeiten. Da dieses spezifische und gegebenenfalls vertrauliche Wissen nur aus den verschiedenen Abteilungen des Hauses selbst kommen kann, gibt es für die Vermittlung der Inhalte nur zwei Optionen: Die mit dem Gegenstand vertrauten Mitarbeiter des Museums referieren selbst, oder sie vertrauen ihre Kenntnisse und Unterlagen einer externen Kraft an, die das Material für eine ganztägige Schulungseinheit aufbereitet. Mit Blick auf die dünne Personaldecke vieler Häuser dürfte es meist auf Letzteres hinauslaufen. Ergänzend zur Vermittlung der theoretischen Inhalte bleibt zu klären, wie die zu schulenden Teilnehmer das Haus praktisch kennen lernen. Wer organisiert und koordiniert das und wer begleitet die Gruppen auf ihrem Rundgang? Diverse Mitarbeiter des Museums oder der externe Trainer, dem man zuvor das entsprechende Know-how und die nötigen Schlüssel ausgehändigt hat? Während inhaltliche, organisatorische, praktische und (versicherungs-) rechtliche Belange offen bleiben, errechnet sich das zu erwartende Honorar für den Trainer leicht: Bei 100 Personen (einschl. Teilzeitkräfte), großzügig aufgeteilt in fünf Gruppen à 20 Teilnehmer und einem Tagessatz von 1.000 Euro, beläuft sich das Honorar für fünf Tage auf ca. 5.000 Euro. Bei 300 Personen werden die Beträge rasch fünfstellig, d.h. es gibt Häuser, die einerseits an Strom, Wasser und Ausstellungsbetrieb sparen, und gleichzeitig bereit sind, 15.000 Euro und mehr für ureigenes Fach- und Sachwissen auszugeben! Dies geschieht entweder durch direkten Auftrag des Museums an Echocast oder indirekt über die Verrechnungssätze ihrer Dienstleister aus dem Wach-und Sicherheitsgewerbe, die ihr Personal nach besagtem Programm schulen lassen. Um solche Ausgaben in Einklang mit dem Gebot der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu bringen, sollten die beauftragenden Einrichtungen bei Nachfrage durch Rechnungshöfe oder Rechnungsprüfungsämter auf gute Argumente verweisen können. Zu den Häusern, deren Personal nach diesem Programm geschult wird, zählen z.B. die Museen der Stadt Köln. Echocast bezeichnet u.a. das Museum Ludwig und das Rautenstrauch-Joest-Museum als sog. „Mitgliedsbetriebe“ (Anm. 8). Beide Häuser betrachten sich übrigens seit Jahren als unterfinanziert und sind auch aktuell mit außergewöhnlichen Belastungen konfrontiert (Anm. 9).

„Sag mir, was Du weißt, und bezahl mich dafür!“

Kompetentes, engagiertes und freundliches Service- und Aufsichtspersonal hat eine Schlüsselrolle für den Erfolg der Museen. Mit Blick auf ihre begrenzten Budgets sollten potenzielle Auftraggeber von Schulungen aber nicht nur darauf achten, welche Leistungen sie erhalten. Sie sollten sich zugleich fragen, welchen personellen und technischen Aufwand sie dabei selbst betreiben müssen und ob sie wirklich bereit sind, für ihr originäres Know-how zu zahlen?! Unabhängig davon bleibt die grundsätzliche Frage: Weshalb sollte eine Museumslandschaft, die sich durch lokale, regionale und länderspezifische Vielfalt und Einzigartigkeit ihrer Institutionen auszeichnet, einen europaweit standardisierten Besucherservice einführen?

Dr. Berthold Schmitt, QEM - Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal
www.aufsicht-im-museum.de

QEM - Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal ist Förderer der Auszeichnung "Riegel - KulturBewahren" (www.riegel-preis-kulturbewahren.de)

Anm. 1: Vgl. Bernhard Graf und Volker Rodekamp, Bilanz und Perspektive, in: Museen zwischen Qualität und Relevanz. Denkschrift zur Lage der Museen (Berliner Schriftenreihe zur Museumsforschung; Bd. 30), Berlin 2012, S. 413 ff.
Anm. 2: Vgl. Berthold Schmitt, Schulungen für Service- und Aufsichtspersonal in Museen. Worauf Museen bei Auswahl und Vergabe achten sollten, in: KulturBetrieb, zwei 2014, S. 76-77; ders., Zunehmender Wettbewerb auf dem hiesigen Arbeitsmarkt. Kulturbetriebe sollten mehr in Qualifizierung und Anerkennung des Service- und Aufsichtspersonals investieren, in: KulturBetrieb, vier 2013, S. 28.
Anm. 3: Vgl. ders., Schulungen für Besucherservice sind wichtig, aber nicht um jeden Preis, in: KulturBetrieb, drei 2014, S. 68-70.
Anm. 4: Zum Memorandum für potenzielle Mitglieder vgl. www.echocast.eu/ museen-und-kulturelle-einrichtungen/wie-werde-ich-mitglied/; Abfrage: 09.08.2015
Anm. 5: Vgl. Berthold Schmitt, Im Notfall richtig handeln: Erste Hilfe in Kulturbetrieben. Service- und Aufsichtspersonal nur von Fachleuten schulen lassen, in: KulturBetrieb, vier 2014, S. 66 f.
Anm. 6: Vgl. ders., Deutschkurse statt Prüfungsgebühren! Museen sollten bei der Qualifizierung von Service- und Aufsichtspersonal in relevante Inhalte investieren, in: KulturBetrieb, zwei 2015, S. 63-66.
Anm. 7: www.echocast.eu/zertifizierung/echocast-lehrplan/; Abfrage: 09.08.2015
Anm. 8: www.echocast.eu/museen-und-kulturelle-einrichtungen/; Abfrage: 09.08.2015
Anm. 9: Zum Museum Ludwig vgl. Andreas Damm, Regelmäßig droht die Pleite, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 11.11.2014; Quelle: www.ksta.de/koeln/-museum-ludwig-regelmaessig-droht-die-pleite,15187530,29019568.html; Abfrage: 09.08.2015; zum Rautenstrauch-Joest-Museum vgl. Bettina Janecek, Die Mängelliste bleibt geheim, in: Kölner Stadt-Anzeiger, 08.02.2015; Quelle: www.ksta.de/koeln/rautenstrauch-joest-museumdie-maengelliste-bleibt-geheim,15187530,29784020.html; Abfrage: 09.08.2015; Jochen Hilgers, Das Kölner Rautenstrauch-Joest-Museum vermisst Kunstwerke: Wird das Depot schlampig geführt?, in: www1.wdr.de/studio/koeln/themadestages/rautenstrauch114.html; Abfrage: 09.08.2015; vgl. dazu Berthold Schmitt, Depots und Archive angemessen ausstatten, in: KulturBetrieb, drei 2015, S. 44 f.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", vier 2015, S. 118-119.

Link: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2015-Ausgabe-4-November.pdf

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