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Was ist eigentlich ... ein Liaison Manager?

Neue Stellenprofile in Kultureinrichtungen und ein sich verschärfender Kampf um Personal

Die Galerie Blain|Southern in London hat Verstärkung auf der Position „Artist Liaison“ gesucht. Die Berliner Galerien carlier | gebauer bzw. neugerriemschneider haben die Position „Artist Liaison & Sales“ zu vergeben und eine Galerie in Düsseldorf nennt es „Studioassistenz / Artist Liaison“. Und auch das Museum für Naturkunde Berlin schreibt eine Stelle „Liaison Management Entomologie (m/w/d)“ aus. Liaison Manager? Was darf man sich darunter vorstellen?

Auf gute Beziehungen kommt es an

Das Wort liaison stammt aus dem Französischen und bedeutet Verbindung oder auch Liebesverhältnis. Was im Privaten einen pikanten Beiklang haben kann, soll im Beruflichen das Miteinander mit einem oder mehreren Beteiligten erleichtern. Im englischsprachigen Raum sind „Liaison officers“ schon länger aktiv. Dabei handelt es sich um Personen, die eine Verbindung zwischen zwei oder mehr Organisationen herstellen, um Aktivitäten von gemeinsamem Interesse zu kommunizieren und zu koordinieren. Ziel ist es, die vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen bzw. die Leistungen anderer Organisationen bestmöglich für die Erreichung der eigenen Anliegen einzubinden. Liaison Manager stellen u.a. technisches oder fachliches Fachwissen ihrer Mutterorganisation zur Verfügung und gewährleisten durch persönlichen Kontakt einen reibungsarmen Ablauf der Zusammenarbeit. Bislang sind Liaison Manager oft beim Militär oder in der Pharmaziebranche tätig, wo sie Lobbyarbeit leisten und Konzepte für Kommunikation und Meinungsbildung entwickeln und umsetzen. Liaison Manager sollten ein Interesse für Wissenschaft (Fachkompetenz), Mitmenschen (Empathie und Netzwerkfähigkeit), Kommunikation (Fragen und Zuhören) und Dienstleistung (Hilfsbereitschaft) mitbringen.
Bei der privaten Galerie Blain|Southern ist der Artist Liaison dafür verantwortlich, die Beziehung der Galerie zu den von ihr vertretenen Künstlerinnen und Künstlern zu initiieren, zu entwickeln und zu unterstützen. Der Artist Liaison ist beteiligt bei Planung und Organisation der Ausstellungen der Galerie und fungiert als Bindeglied zum Künstler bei allen Belangen, darunter die Überwachung und Überprüfung der Kontoauszüge der Künstler, denn der Artist Liaison ist auch in die Verkäufe von Werken involviert. Zu den weiteren Arbeitsfeldern gehört es, Beziehungen zu öffentlichen Institutionen und externen Kuratoren zu pflegen sowie Veröffentlichungen der Galerie in Zusammenarbeit mit Künstler, Designern und Verlegern zu steuern. (Anm. 1)

Lobbying für Insekten

Im Falle des Berliner Museums für Naturkunde ist die bis März 2023 ausgeschriebene Stelle in der Sammlung für Entomologie (griech. éntomon „Insekt“, „das Eingeschnittene“) angesiedelt. Zu den wichtigsten Aufgaben der auf 24 Monate befristeten Stelle gehören: „Interessenvertretung der Sammlung in Digitalisierungsprojekten durch eine enge Zusammenarbeit mit den Dienstleistern. Außerdem wird die Entwicklung von Bausteinen für ein Konzept für ein „single point of entry“ in der entomologischen Sammlung erwartet. (…) Vorbereitung und Durchführung von Aktionen im Bereich Öffentlichkeitsarbeit und Bildung des Museums.“ Darüber hinaus soll der / die künftige „Insekten-Liaison“ einen einschlägigen Abschluss vorweisen können, z.B. technische/r Assistent/in für naturkundliche Museen und Forschungsinstitute“ bzw. „ abgeschlossene Berufsausbildung als Konservator/in oder zoologische/r Präparator/in“. Zudem soll er / sie über „gute Kenntnisse zum Aufbau und den Grundprinzipien und zur wissenschaftlichen Bearbeitung naturkundlicher Sammlungen“ verfügen und die „Fähigkeit und Motivation zum Arbeiten in öffentlichen Räumen und Präsentation der Arbeiten“ mitbringen. Die Stelle ist mit 8 TV-L dotiert. (Anm. 2)

Was sollen Museen noch alles leisten?

Schon mit Blick auf die bisherigen Kernaufgaben wie Sammeln, Bewahren, Forschen & Dokumentieren sowie Ausstellen & Vermitteln erbringen unsere Museen erstaunliche Leistungen. Trotz oft schmaler Budgets. Das aber scheint nicht zu genügen. Sie sollen gesellschaftlicher Treffpunkt (Dritter Ort), Bildungsinstitut (Außerschulischer Lernort) oder Insel der Authentizität in einem Meer aus Schein und Fake sein. Wie aber sollen sie das und noch mehr eigentlich leisten? Mit Geld geht Einiges: Im November 2018 haben das Land Berlin und der Bundestag dem Berliner Naturkundemuseum eine Geldspritze von 660 Millionen bewilligt, um das Haus zu einem Forschungs- und Kommunikationsforum für Natur- und Lebenswissenschaften zu entwickeln. Damit kann man im ganz großen Stil Gebäude instand setzen, technisch nachbessern und das benötigte Personal einkaufen. Das aber dürfte schon bald zu einem immer schärferen Wettbewerb um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter führen, der nicht nur Gewinner kennen dürfte. Eine Orientierung dazu bietet der Stellenmarkt auf dem Onlineportal KulturBewahren. Bis 2020 lag der „Sockel“ von Ausschreibungen bei durchschnittlich 400 bis 500 Stellen pro Jahr. Dann ist der Sockel zunächst auf rund 600 Positionen angewachsen und seit Herbst 2021 liegt er bei durchschnittlich mehr als 700 Stellen. Im Februar 2023 waren gar 950 freie Positionen aufgeführt! Ein Verursacher für diesen Aufwuchs dürfte das Programm NEUSTART KULTUR des Bundes sein, dass aufgelegt worden ist, um die Folgen der Corona-Pandemie zu dämpfen. (Anm. 3)

Fazit: Der bundesweite Fachkräftemangel macht auch vor Kultureinrichtungen nicht halt. Bereits heute suchen sie händeringend nach neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Gleichzeitig kommen innerhalb der Häuser weitere Arbeitsfelder hinzu, von denen es hierzulande viele bis vor wenigen Jahren nicht so oder überhaupt nicht gegeben hat. Eine Auswahl: Persönliche Referenten bzw. Assistenten für kaufmännische bzw. künstlerische Direktion (analog den Statussymbolen der Aufsichtsratsvorsitzenden von Konzernen?), Experten für Out- und Inreach sowie Inklusion, Registrars, Online- und Social-Media-Redakteure, technische bzw. inhaltliche Koordinatoren, Projekt-Organisatoren, Gender-, Gleichstellungs- und Behindertenbeauftragte, Medientechniker, Content Manager, Scouts, Hosts, Explainer, Museotainer, Marketing- und Eventbeauftrate, Kulturmanager, Provenienzforscher/innen, IT-Experten, Firewall- / Security-Manager, Mitarbeiter für Umsatzsteuer, Datenschutzbeauftragte, Wissenschaftskommunikator/in, technische Assistenz für Digitalisierung, Experten für digitale Langzeitarchivierung, Nachhaltigkeitsbeauftragte, Marketing und Events, Data Stewards und – natürlich Liaison Manager. Und ganz nebenbei wächst die absolute Zahl der Kulturbetriebe weiter an. Wohin soll das führen?

Immer höhere Gehälter werden es wohl nicht richten

Parallel mit dem enormen Aufwachsen zu besetzender Stellen ist zu beobachten, dass die Gehälter steigen. In der Regel liegt die monatliche Vergütung bei wissenschaftlichen Stellen in öffentlichen Kulturbetrieben zwischen 9 b (ca. 3.500 Euro) und 13 TVöD bzw. TV-L (ca. 5.000 Euro). (Anm. 4) Aber immer häufiger sind Positionen zu finden, die mit 14 (ca. 5.400 Euro), 15 (ca. 6.500 Euro) oder 16 sehr großzügig dotiert sind – und dennoch nicht sofort besetzt werden können! So ist z.B. die Ausschreibung für die Leitung des LVR-Institutes für Landeskunde und Regionalgeschichte in Bonn im Jahr 2022 drei Mal verlängert worden – und das bei Gehaltsstufe A 16 (ca. 7.000 Euro)! Besonders üppig entlohnen Ministerien (A 13 bis 15 für Referenten) und Universitäten (A 15/16 für die Leitung von Universitätsbibliotheken). Geradezu überbordend ist es beim Bund: So wird z.B. die Funktion Künstlerische Direktion der Kulturstiftung des Bundes in Halle / Saale mit B 7 (fast 11.000 Euro) vergütet und ein Direktor der Deutschen Nationalbibliothek bekommt B 3. Die Abteilungsleitung Fachbereich Bestand / Provenienzforschung der Kunstverwaltung des Bundes darf sich über immerhin A 15 bzw. 15 TVöD freuen. Handelt es sich bei diesen und vielen anderen Jobs womöglich um das berühmte „Schmerzensgeld“, das den Hochleistungsmanagern unserer Kulturdampfer das Leben erträglich machen soll? Aber auch die ach so klammen Kommunen sind spendabel, wenn es um die Leitung von Museen geht. So zahlt Freiburg im Breisgau A 16 für die Leitung der Städtischen Museen, das arme Bottrop gibt 15 TVöD (Leitung Josef-Albers-Museum) und das sprichwörtlich klamme Berlin lässt sich die Direktor/in Management der Stiftung Stadtmuseum sogar B 2 (8.400 Euro) kosten. Noch besser geht es dem Vorstand Stiftung / Direktor TECHNOSEUM in Mannheim, der mit B 3 besoldet ist. Aber es geht noch besser, denn beim Gehalt der Beigeordneten für Kultur sind die bettelarmen Gemeinden noch großzügiger. Solche Stühle sind dann schon mal mit B 3 (ca. 8.900 Euro) oder B 5 (ca. 10.000 Euro) gepolstert, so in Karlsruhe bzw. in Aachen. Dagegen müssen Leiter/innen kommunaler Volkshochschulen mit etwa 5.800 Euro nahezu darben.

NRW ist arm, vielleicht sexy, aber auf keinen Fall fair

Fast paradiesisch geht es auch beim Landschaftsverband Rheinland (LVR) und seinem Pendant dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) zu, zumindest was die höheren Sphären anbetrifft. So zahlt der LVR z.B. A 16 für die Leitung von Museen (Max-Ernst-Museum Brühl) oder A 15 für die Leitung der Abteilung Inventarisation (Pulheim). Selbst Sachgebietsleiter (LVR-Medienzentrum in Düsseldorf), wissenschaftliche Referenten (LVR-Industriemuseum Bergisch Gladbach) oder Museumspädagogen (LVR-Niederrheinmuseum Wesel) werden nach 14 TVöD bezahlt – auf Positionen ohne jegliche Verantwortung für Leitung, Budget oder Personal! Ähnlich großzügig ist auch der LWL. Hier werden Museumsleiter/innen mit A 16 gelockt (z.B. Freilichtmuseum Hagen) oder wissenschaftliche Referenten mit 14 TVöD umschmeichelt (LWL-Museum für Naturkunde in Dortmund). Ausgerechnet Nordrhein-Westfalen, das mit weitem Abstand höchst verschuldete aller Bundesländer ist derart freigiebig! (Anm. 5) Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt?

In der hehren Kultur wird mit harten Bandagen geboxt

Zugleich verwahrt sich das bis über beide Ohren verschuldete NRW, das üppige Gehälter im Bereich Kultur zahlt und nolens volens potenzielle Kandidaten aus anderen Bundesländern abwirbt, besonders entschieden gegen die im Februar 2023 verkündeten Pläne des Freistaates Bayern, der am geringsten verschuldet ist, Lehrerinnen und Lehrern höhere Gehälter zu zahlen und eine Kostenpauschale für den Umzug drauf zu legen! Geradezu staatsmännisch verweisen die Verantwortlichen in NRW auf einen Beschluss der Kultusministerkonferenz, wonach sich die Länder nicht gegenseitig Lehrkräfte abwerben. Was an Schulen als Sakrileg gilt, wird im Bereich der Kultur offenbar nicht einmal thematisiert. Weit verbreitet scheint das Motto „Jeder ist sich selbst der nächste!“ Schon heute gibt es Dienstleister, die für das sog. Recruiting entsprechende Anforderungsprofile erstellen und gleichzeitig auf einen großen Pool an Kandidaten zugreifen können, geeignete Personen diskret ansprechen und selbst beim Absagemanagement umsichtig agieren. Wie sollen kleine und mittlere Häuser, die den überwiegenden Teil unserer Museumslandschaft ausmachen, mithalten, wenn Headhunter losziehen?

Und nun? Deutscher Kulturrat, was tust Du?

Ob man die sich immer doller drehende Kultur-Spirale aus zusätzlichen Aufgaben, neuen Häusern, Fachkräftemangel und Vergütungsrekorden beruhigen kann, ist ungewiss. Was es dafür auf jeden Fall braucht, sind wegweisende Ideen, zielführende Strategien und durchsetzungsstarke Allianzen. Wer aber könnte die entwickeln und kommunizieren? Ein folgerichtiger Akteur wäre der Deutsche Kulturrat e.V., der Spitzenverband der Bundeskulturverbände. Die in Berlin ansässige Organisation bezeichnet sich selbst als Ansprechpartner für übergreifende kulturpolitische Angelegenheiten bei Bund, Ländern und EU. Was man trotz dieser vielschichtigen Vernetzungen vom Kulturrat hört, ist jedoch recht eindimensional: Mehr Geld für ein noch breiteres kulturelles Angebot in noch mehr Kulturbetrieben! Seit Jahren ist belegt, dass die Zahl derer, die hierzulande Hochkultur nutzen, ausgesprochen gering ist, gerade einmal zehn Prozent. (Anm. 6) Mehr Aufgaben, mehr Personal und mehr Geld ist folglich nicht die Lösung. Aber entgegen dieser Erkenntnis bleibt das zentrale Instrument des Kulturrates ein ständiger Alarm-, Protest- und Appellmodus, der wie ein kulturfolkloristisches Hintergrundgetöse anmutet. Vergeblich wartet man bislang darauf, dass dieser Kulturrat sich einmal als Ratgeber im engeren Sinne hervortut. Wünschenswert wäre ein Think-Tank, der die sich abzeichnende Situation eines ruinösen Wettbewerbs auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene analysiert, beschreibt und tragfähige Lösungen für die Zukunft der Kultureinrichtungen formuliert – selbst, wenn es mit unbequemen Wahrheiten verbunden sein sollte. Was, wenn nicht das, könnte die vornehmste Aufgabe eines aus öffentlichen Mitteln finanzierten gemeinnützigen Vereins sein, der sich Kulturrat nennt? Vielleicht sollte der Kulturrat zunächst einmal die Stelle eines Liaison Managers einrichten.

Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Vgl. Artist Liaison, Blain|Southern, 11.12.2019; Quelle: callforcurators.com/call/artist-liaison/ ; Abfrage: 09.03.2023
Anm. 2: Museum für Naturkunde Berlin (MfN), Liaison Management Entomologie; Quelle: https://jobs.museumfuernaturkunde.berlin/jobpostin/c9c6247cf84d1929ee3db86d1c985f392572725d0 ; Abfrage: 09.03.2023
Anm. 3: Vgl. Berthold Schmitt, NEUSTART KULTUR verschärft Wettbewerb um Fachkräfte. Warmer Geldsegen geht mit einem Feuerwerk an Stellenangeboten einher, in: KulturBetrieb, eins 2022, S. 60 f. Anm. 4: Vgl. Leitfaden Professionell arbeiten im Museum, Hrsg.: Deutscher Museumsbund e.V., Berlin 2019
Anm. 5: Vgl. Schulden der Bundesländer in Deutschland am 30. September 2022, in: Statista; Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/157124/umfrage/schuldenstand-der-bundeslaender-2010/ ; Abfrage: 10.03.2023
Anm. 6: Vgl. Berthold Schmitt, Interesse an Hochkultur nimmt ab. Was aber machen die Leute in ihrer Freizeit? in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2023, S. 81-83.

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