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Wer konserviert den Restaurator?

Gefährdung der Museumsmitarbeiter durch kontaminiertes Kulturgut

Während der Schutz von Kunst- und Kulturgut vor materialschädigenden Schadstoffen zu den Kernaufgaben der Präventiven Konservierung gehört, sehen sich die Mitarbeiter der Museen zunehmend vor die Aufgabe gestellt, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um sich vor den Schadstoffen aus dem Sammlungsgut zu schützen.

Gefährliche Spätfolgen

Es ist bekannt, dass eine Vielzahl von Exponaten im musealen Umfeld bis in die späten 80er Jahre des letzten Jahrhunderts mit unterschiedlichen chemischen Substanzen behandelt wurden, um Schäden durch Ungeziefer-, Insektenbefall und Mikroorganismen vorzubeugen. Darunter befanden sich zahlreiche Wirkstoffe, die heute wegen ihrer Toxizität verboten sind. Während schon sehr früh die biozide Wirkung von anorganischen Salzen wie Arsenik (Arsen(III)-oxid), Sublimat (Quecksilber(II)-chlorid) und Kupferoxychlorid (basisches Kupferchlorid) bekannt war, kamen mit der rasanten Entwicklung der organischer Synthesechemie immer häufiger chlororganische Verbindungen, wie Lindan (γ-Hexachlorcyclohexan (γ-HCH)), Dichlordiphenyl-trichlorethan (DDT) und Pentachlorphenol (PCP), Organophosphate (chem. Kampfstoffe) und schließlich hormonähnliche Derivate, wie Permethrin, Methoxychlor und Dichlorvos zum Einsatz. Die Vielzahl an Wirkstoffen, die im weiteren Verlauf der häufig sehr umfangreichen präventiven Konservierungsmaßnahmen erfolgten, spiegelt das Gefährdungspotential wider, das von den ehemals behandelten Exponaten ausgeht. Aufgrund der in den überwiegenden Fällen mangelhaften Dokumentation über die einzelnen Kampagnen zur Schädlingsbekämpfung, wurde das Sammlungsgut oft mehrfach mit unterschiedlichen Bioziden behandelt. Daher liegen vielfach salzartige, anorganische Biozide mit Ionenbindung neben organischen Bioziden mit kovalenten Bindungen vor. Diese Tatsache erschwert die Entgiftung von kontaminierten Objekten mit den bisher zur Verfügung stehenden Dekontaminationsverfahren. (Anm. 1)

Verpflichtung des Arbeitgebers

Im Arbeitsschutzgesetz, der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) für chemische Gefahrstoffe und der Biostoffverordnung (BioStoffV) für biologische Arbeitsstoffe sind die für den Arbeitgeber verbindlichen Auflagen genannt, die auch auf Museumsmitarbeiter anzuwenden sind, die im Rahmen ihrer Tätigkeit mit kontaminiertem Kunst- und Kulturgut umgehen müssen. Dabei ist das in der GefStoffV von 2010, §§8-9, für den Arbeitgeber enthaltene Gebot zur Vorsorge, Minimierung und Substitution beim Umgang mit Gefahrstoffen von besonderem Interesse.
Museen, in denen erhöhte Schadstoffkonzentrationen festgestellt werden konnten, sind gehalten bei ihren Mitarbeitern ein Biomonitoring durchführen zu lassen. Diese Vorsorgepflicht ist in §6, Abs. 2, der arbeitsmedizinischen Vorsorgeverordnung (ArbMedVV) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom Jahre 2008 enthalten. Im Vorfeld baulicher Maßnahmen zur Vermeidung von Querkontaminationen bzw. zur Einrichtung von Schwarz-Weiß-Bereichen und Installation geeigneten Absaug- und Luftfilteranlagen müssen notwendige Arbeitsschutzmaßnahmen eingeleitet werden. Der Erfolg für die Durchsetzung geeigneter Arbeitsschutzmaßnahmen ist in starkem Maß von der aktiven Unterstützung der zuständigen Leitungs- und Verwaltungsgremien abhängig. Ohne die Unterstützung durch die Gremien der Museumsleitung (finanzielle Unterstützung, Weisungsbefugnisse, Initiieren bestimmter Aktivitäten) ist eine vernünftige Strategie zur Minimierung bzw. zur Verhinderung berufsbedingter Krankheiten zum Scheitern verurteilt.

Schutzmaßnahmen für den Arbeitnehmer

In Anlehnung an den durch die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin entwickelten Gefahr- und Sicherheitsplan nach TRGS 524 (Technische Regeln für Gefahrstoffe), werden betriebliche Abläufe definiert, die den professionellen Umgang mit kontaminierten Exponaten im Museumsbereich gewährleisten. Dazu gehört, dass der Umgang mit kontaminierten Objekten nur noch durch fachkundiges Personal durchgeführt werden soll. Entsprechend muss der verantwortliche Personenkreis mit der notwendigen Ausrüstung, sowohl in organisatorischer als auch technischer Hinsicht, ausgestattet werden.
Handlungsanleitungen zur praktischen Durchführung von Schutzmaßnahmen finden sich für bestimmte Gefährdungsstufen in der Gefahrstoffverordnung, den Technischen Regeln für Gefahrstoffe, in den Berufsgenossenschaftlichen Vorschriften und Regeln (BGV und BGR), sowie für spezifische Substanzklassen in der Gefahrstoffdatenbank GESTIS und dem Gefahrstoffinformationssystem GISBAU. Für die meisten toxischen und gesundheitsgefährdenden organischen Substanzen gilt, dass sie sich über längere Zeiträume in den Fettdepots des Körpers einlagern und dort unbemerkt anreichern können. Es empfiehlt sich daher grundsätzlich, eine persönliche Schutzausrüstung zu tragen, die aus Atemschutz, Schutzhandschuhen und Körperschutz besteht. Zumindest sollten bei Tätigkeiten mit kontaminiertem Sammlungsgut grundsätzlich Arbeitshandschuhe getragen werden. Die Sicherheitstechnischen Anforderungen unterliegen der DIN-Norm EN 374. Dort, wo gasförmige Emissionen auftreten können, sind geeignete Atemschutzmasken mit spezifischen Filtern zu verwenden.
Um Fehler aus der Vergangenheit zu vermeiden, sollten alle kontaminierten Objekte mit einem entsprechenden Gefahrensymbol versehen werden. Räumlichkeiten mit höheren Schadstoffkonzentrationen müssen deutlich gekennzeichnet werden. Neben der vom Sicherheitsbeauftragten zu erstellenden Betriebsanweisung, sollte ein Maßnahmenkatalog erstellt werden, der sich in einzelne Handlungsanweisungen aufgliedern lässt.

Anm. 1: Achim Unger, Anke Grit Weidner, Helene Tello, Johannes Mankiewicz: Neues zur Dekontamination von beweglichem Kunst- und Kulturgut mit flüssigem Kohlendioxid, in: VDR-Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut, Heft 2/2011

Paz Laboratorien für Archäometrie
Dr. Boaz Paz, Studium der Analytischen Chemie; berufliche Stationen: Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin, Curt-Engelhorn-Zentrum Archäometrie, Mannheim, 2011 Gründung der Paz Laboratorien mit den Schwerpunkten: Echtheits-, Herkunfts- und Altersbestimmungen von Kunst- und Kulturgut, (zerstörungsfreie) Schadstoffanalysen sowie Weiterbildungskurse zum sicheren Umgang mit belasteten Exponaten für Restauratoren, Konservatoren und Präparatoren.
Planiger Straße 34, Haus 18/19, 55543 Bad Kreuznach
info(at)paz-lab.de
www.paz-lab.de

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für wirtschaftliche und innovative Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", drei 2013, S. 56-57.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2013-Ausgabe-3-August.pdf