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Kultur als Arbeitsplatz

Zur Bewusstseinsbildung im Arbeitsschutz

Die Suggestion vom Arbeiten in denkmalgeschützten Schlössern, Wasserburgen und in modernen Kulturzentren sowie der tägliche Umgang mit kulturhistorisch relevanten Objekten lässt leicht in den Hintergrund treten, dass von Arbeitsplätzen in Kultureinrichtungen Gefahren für die dort Beschäftigten ausgehen können.

Vielfältige Faktoren der Gesundheitsgefährdung

Auch in Archiven, Bibliotheken und Museen besteht Verletzungsgefahr, die Atemwege können durch Staub und Schimmel beeinträchtigt werden, bei Transporten sind Verzerrungen möglich etc. Dies gilt ferner für andere Kulturarbeitsplätze: bei Begehungen ungepflegter oder ungesicherter Denkmalbauten, bei der Betätigung im Rahmen archäologischer Ausgrabungen, bei der Arbeit hinter und mit den Theaterkulissen und Requisitendepots oder bei der durchaus künstlerischen „Beschallung“ in viel zu engen Orchestergräben. Die Hektik vor Ausstellungseröffnungen oder Theateraufführungen, der Druck beim Redaktionsschluss, persönliche Konkurrenzsituationen, negative Kritik etc. bilden hier ebenso Faktoren für Gesundheitsgefährdungen. Restaurierungswerkstätten mit ihren technischen Arbeitsverfahren und dort eingesetzten chemischen Gefahrstoffen stellen sogar ein erhöhtes Gefährdungspotenzial dar. Diese und andere Szenarien sind zugleich Einsatzfelder des in der Bundesrepublik Deutschland gut ausgebauten Arbeitsschutzes, welcher zum Kultursektor nicht als „Gegenüber“, sondern als „Miteinander“ verstanden werden sollte.
Die gelegentlich vom Kulturbereich missverstandene Einschätzung des Arbeitschutzes resultiert in der Regel jedoch nicht aus einer dezidierten Ablehnung der Arbeitschutzziele, sondern aus mangelndem einschlägigen Wissen der Kulturverantwortlichen – und aus einer fehlenden Bewusstseinsbildung. Mag man für sich selbst Vorsichtsmaßnahmen verschmähen und den gefühlt heroischen Weg der „Selbstausbeutung“ beschreiten, so stellt sich diese Auffassung aus dem Blickwinkel des Arbeitgebers oder der Vorgesetzten anders dar. Gerade bei Schadensfällen lebt nämlich auch bei „lässigen“ und „coolen“ Zeitgenossen regelmäßig das Anspruchsdenken wieder auf und man besinnt sich auf die komfortablen Instrumente der Haftungsansprüche und des Schadensersatzes oder mindestens der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Die Konflikte sind vorprogrammiert. Insgesamt wird man also konstatieren, dass die Berücksichtigung arbeitsschutzrechtlicher Kriterien ein Merkmal professionellen Arbeitens und einer Auffassung von Kultureinrichtungen „als Betriebe“ ist: Sie gehören zum Qualitätsmanagement.

Abstrakte Inhalte für tatsächliche Gegebenheiten übersetzen

Die Defizite des Arbeitsschutzes im Kulturbereich liegen überwiegend aufseiten des Informationsflusses und der Kommunikation. Die „Klippen“ sind bekannt: Der Arbeitsschutz bedient sich naturgemäß eines rechtlichen Instrumentariums, versehen mit den Standards aus Physik, Chemie, Arbeitsmedizin und Technik, also aus Gebieten, die dem Kulturpersonal mit seiner geisteswissenschaftlichen oder künstlerischen Vorbildung weitgehend fremd erscheinen. Dies bedeutet ganz praktisch, dass die einschlägigen Texte nicht verstanden und umgesetzt werden. So verbirgt sich hinter der Vokabel eines „Flurförderzeugs“ ein Bibliothekswagen und die Problematik des gesundheitlich nicht trivialen Archivstaubes hinter der Systemstelle „Biologische Arbeitsstoffe“. Die inzwischen stark angewachsene Menge der zu berücksichtigenden rechtsverbindlichen oder auch nur erläuternden Texte (Rechts- und DIN-Normen), die überdies laufend in aktualisierten Fassungen erscheinen, setzt bei den Rezipienten viel Energie der Lektürebeschaffung und -interpretation voraus. Gerade die Adaption abstrakter Normen und das Erkennen von Auslegungsspielräumen verlangen weitere Hintergrundkenntnisse. Deutlich wird auch, dass ein bloß punktuelles Überfliegen derartig komplexer Inhalte ebenso wenig befriedigend sein kann und der Problematik nicht gerecht wird.

Einfaches Handling und sicherer Betrieb

Der Arbeitsschutz, der nicht nur gewerbliche, sondern auch öffentlich-rechtliche Institutionen umfasst, beruht deshalb zu Recht auf festen Strukturen und verlässt sich nicht auf die zufällige Rezeption eines Textes. Dies wird bewirkt durch die Zuständigkeitsinstanzen in den Kulturbetrieben resp. bei deren Unterhaltsträgern (z.B. durch die Funktionen des betriebsbezogenen Arbeitsmediziners oder der Arbeitsmedizinerin, des Sicherheitsbeauftragten und den Arbeitsschutzausschuss). Andererseits kommen den Protagonisten die elektronischen Verbreitungswege entgegen, etwa durch die Bereitstellung zumindest der rechtsverbindlichen Texte unter www.baua.de. Diese Möglichkeiten werden jedoch denjenigen nicht genügen, die neben der formalen „Kenntnisnahme“ eine echte Durchdringung des Gedankengutes und eine Verstärkung des Bewusstseins für die Arbeitsschutzanliegen für sinnvoll halten. Seit geraumer Zeit liegen daher grafisch aufbereitete Texte, Tabellen, Checklisten sowie Literatur- und Linklisten zu einzelnen Themenbereichen vor. Beratungsstellen in der Bundesrepublik Deutschland (z.B. beim Landschaftsverband Rheinland) bieten überdies Seminare an, in denen für das Kulturklientel maßgeschneiderte und praxisbezogene Einführungen veranstaltet werden. Sie betätigen sich in einer Dolmetscherfunktion, um die abstrakten Arbeitsschutzinhalte mit den tatsächlichen Gegebenheiten der Kulturbetriebe zu verbinden und eine dauerhafte Arbeitsschutzinfrastruktur zu entwickeln. Oft ergeben sich als Sekundäreffekte, dass effiziente und innovative Verbesserungen der Arbeitsplätze gerade oder schneller mithilfe der Arbeitschutzargumentation erreicht werden können als durch die Appellation an das kulturpolitische Gewissen. Doch selbst eine solche „taktische Vorgehensweise“ setzt eine entsprechende Bewusstseinsbildung und ein zielgerichtetes Engagement der Kulturverantwortlichen für ihren „Betrieb“ voraus.

Dr. Hanns Peter Neuheuser

Landschaftsverband Rheinland. LVR-Kulturzentrum Abtei Brauweiler
Der Autor ist u.a. zuständig für die Koordination der wissenschaftlichen Fortbildung für Beschäftigte im Archiv-, Bibliotheks- und Museumswesen. Vgl. auch seine Beiträge in: Arbeitsschutz im Kulturbereich, hrsg. vom Bundesverband der Unfallkassen, München 2003

afz.archivberatung(at)lvr.de
www.afz.lvr.de

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für wirtschaftliche und innovative Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", drei 2013, S. 8-9.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2013-Ausgabe-3-August.pdf