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Gesundheitsschutz in Kulturbetrieben

Was sollten Service- und Aufsichtskräfte wissen? (I)

Die Arbeit in Archiven, Bibliotheken, Museen u.a. kulturellen Einrichtungen gilt auf den ersten Blick nicht als sonderlich gefährlich. Da eine Tätigkeit im Umfeld der schönen Künste aber durchaus mit Risiken für Leib und Leben verbunden sein kann, hat der Bundesverband der Unfallkassen die Handreichung „Arbeitsschutz im Kulturbereich“ (2003) herausgegeben. Ausgabe drei 2013 von KulturBetrieb hat dem Thema „Sicherheit am Arbeitsplatz“ ein Spezial gewidmet. (Anm. 1)

Zunehmende Verunsicherung

Seit einigen Jahren erfahren Restauratoren, Konservatoren und Depotkräfte zunehmend mehr über Risiken, die der berufsbedingte Umgang mit kontaminiertem Kunst- und Kulturgut mit sich bringen kann. Als gefährlich gelten z.B. Biozid-Wirkstoffe, die vielfach zur Vermeidung von Schädlingsfraß bzw. zum Schutz vor Befall durch Pilz und Schimmel verwendet wurden. Gelegentlich wurde auch Arsen eingesetzt, u.a. zur Haltbarmachung organischer Präparate. Für Aufsehen sorgte der Fall einer an Harnblasenkrebs erkrankten Museumsrestauratorin: 2015 hat das von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung getragene Institut für Prävention und Arbeitsmedizin (IPA) im Rahmen eines Berufskrankheitenfeststellungsverfahrens empfohlen, die durch Arsen hervorgerufene Erkrankung der Restauratorin anzuerkennen. (Anm. 2) Unter dem Titel „Achtung! Gefahrgut im Museum“ hat sich Ende 2016 der Arbeitskreis Konservierung / Restaurierung im Deutschen Museumsbund mit dem Thema befasst, auch, um einer zunehmenden „Verwirrung und Besorgnis“ zu begegnen. (Anm. 3) Für Fachkräfte, die einen intensiven Umgang mit potenziell kontaminiertem Material haben, gibt es nicht nur ein gewachsenes Bewusstsein für die Gefahren, sondern auch entsprechende Literatur und Fortbildungen. (Anm. 4) Wie aber steht es um andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, etwa um das Service- und Aufsichtspersonal?

Giftige Dämpfe? Aufsichtskraft verweigert Dienst

Die Kunsthalle „Harry Graf Kessler“ wird vom Stadtmuseum Weimar und der Kulturdirektion der Stadt Weimar betrieben. Gelegentlich bespielen externe Kuratoren wie Konstantin Bayer die Kessler-Kunsthalle. Auf Einladung der Stadt und anlässlich des zehnjährigen Bestehens seiner Galerie „Eigenheim“ zeigte der Künstler-Kurator eine Installation, die u.a. aus fünf Tonnen Abfall bestand, vorwiegend zusammengepresste Plastikflaschen. Anliegen der Arbeit war es, auf das weltweite Müllproblem aufmerksam zu machen. (Anm. 5) Kurz nach Eröffnung musste die Ausstellung zeitweilig geschlossen werden. Ein Mitarbeiter des beauftragten Wach- und Sicherheitsunternehmens fürchtete, aus den Plastikflaschen könnten gesundheitsgefährdende Dämpfe austreten. Nach drei Tagen Zwangspause war eine praktikable Lösung gefunden: Das Personal der Galerie „Eigenheim“ übernahm zunächst den Aufsichtsdienst. (Anm. 6)
Der von dem Künstler verwendete Abfall enthielt handelsübliche PET-Flaschen. Diese werden aus Polyethylenterephtalat hergestellt, einem Kunststoff aus der Familie der Polyester. Unter Experten ist die potenzielle Gefährlichkeit des Materials nicht eindeutig geklärt. (Anm. 7) Da Arbeitgeber bzw. deren Beauftragte für die Sicherheit und Gesundheit ihrer Beschäftigten verantwortlich sind, stand die Stadt Weimar in der Pflicht: „Der für Arbeitsschutz in der Stadtverwaltung Verantwortliche sei einbezogen worden. Gewissheit zur gesundheitlichen Unbedenklichkeit sei aber nur durch Messungen zu erreichen, beispielsweise von Schimmelsporen.“ (Anm. 8) Der Abfall in der Kessler-Kunsthalle war Leihgabe eines Lebensmittelkonzerns. Nach der Kunstaktion ging das Material dorthin zurück, um anschließend nach China verschifft und zu Kleidung verarbeitet zu werden. Die Stadt Weimar hat sich im Logistikzentrum des Konzerns erkundigt und erfahren, dass das dortige Personal weder in Schutzanzügen noch mit Atemschutz arbeite.

Was tun?

Durch Internet und Social Media sind Wissenschaftler, Kuratoren oder Vermittler zunehmend gefordert, die Deutungshoheit über Kunst und Kultur mit dem Publikum zu teilen. Die Bemühungen vieler Kulturbetriebe um größere Teilhabe sollten aber nicht nur den Gästen gelten, sondern auch den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Dazu gehört auch die Abschätzung möglicher Risiken für die Gesundheit aller Beteiligten. Ein vom Gesetzgeber vorgeschriebenes Instrument ist die sog. Gefährdungsbeurteilung. Um Risiken frühzeitig erkennen und ihnen begegnen zu können, sind Arbeitgeber verpflichtet, alle relevanten Gefährdungen systematisch zu ermitteln und zu bewerten. Darüber hinaus müssen Arbeitgeber alle zum Schutz von Sicherheit und Gesundheit erforderlichen Maßnahmen, die sich aus der Gefährdungsbeurteilung ergeben, ableiten und umsetzen. (Anm. 9) Um Gefahren und Risiken im Ausstellungswesen ermitteln zu können, gibt es z.B. den Leitfaden „Sichere Ausstellung von Kunstwerken und Objekten“. (Anm. 10) Seit Ende 2015 forscht eine Arbeitsgruppe in Berlin nach einem einfachen und praxisnahen Verfahren, um Schadstoffe in der Luft zu messen. Das von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt geförderte Projekt trägt den Arbeitstitel VOC-tracker. (Anm. 11)

Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Kostenfreier Download unter http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2013-Ausgabe-3-August.pdf
Anm. 2: Vgl. Thomas Brüning, Olaf Hagemeyer, Eike Marek, Tobias Weiß, Harnblasenkrebs durch Arsen bei einer Museumsrestauratorin. Einsatz von Konservierungsmitteln als wahrscheinliche Ursache, in: IPA-Journal 3/2015, S. 6-9.
Anm. 3: Achtung! Gefahrgut im Museum – vom Umgang mit schadstoffbelastetem Kulturgut (AK Konservierung / Restaurierung im DMB, Leipzig 10.11.2016, in: http://www.museumsbund.de/de/fachgruppen_arbeitskreise/konservierung_restaurierung_ak/termine/; Abfrage: 02.07.2016
Anm. 4: Vgl. u.a. Elise Spiegel, Boaz Paz und Wigbert Maraun, Wenn Museumsobjekte gefährlich werden, in: KulturBetrieb, drei 2016, S. 50 f.
Anm. 5: Zur Ausstellung „Im Dialog – Enrico Freitag und Konstantin Bayer“ (13.01.-05.02.2017) vgl. http://www.galerie-eigenheim.de/exhibitions/im-dialog-enrico-freitag-und-konstantin-bayer/; Abfrage: 26.02.2017
Anm. 6: Vgl. Angst vor Dämpfen: Ausstellung zeitweilig geschlossen, in: MDR Thüringen, 17.01.2017, Quelle: http://www.mdr.de/thueringen/mitte-west-thueringen/weimar-kunsthalle-ausstellung-100.html; Abfrage: 26.02.2017
Anm. 7: Vgl. u.a. Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR), Gesundheitliche Bewertung von Materialien in Kontakt mit Lebensmitteln: http://www.bfr.bund.de/de/gesundheitliche_bewertung_von_materialien_in_kontakt_mit_lebensmitteln-227.html; Abfrage: 26.02.2017
Anm. 8: Michael Baar, Weimar schließt Kunsthalle, weil sie riecht wie ein Getränkemarkt. Wie giftig ist die Ausstellung in der Kunsthalle „Harry Graf Kessler“? Dieser Frage geht jetzt die Stadt-Kulturdirektion nach, in: Thüringer Allgemeine Zeoitung (18.01.2017), Quelle: http://www.thueringer-allgemeine.de/web/zgt/kultur/detail/-/specific/Weimar-schliesst-Kunsthalle-weil-sie-riecht-wie-ein-Getraenkemarkt-120342833; Abfrage: 26.02.2017
Anm. 9: Vgl. Berthold Schmitt, Was ist eigentlich eine … Gefährdungsbeurteilung? Ein Instrument für mehr Sicherheit und Gesundheit, in: KulturBetrieb, eins 2016, S. 64.
Anm. 10: Vgl. Sichere Ausstellung von Kunstwerken und Objekten hrsg. von der Unfallkasse NRW; Autor: Andreas Krieger (Schriftenreihe „Prävention in NRW“, PIN 70), Düsseldorf 2016, Download (PDF): www.unfallkasse-nrw.de, Webcode: N0166, in: KulturBetrieb, vier 2016, S. 12.
Anm. 11: Vgl. Berthold Schmitt, Schadstoffe in Sammlungen: Mitarbeiter und Besucher schützen!, in: KulturBetrieb, drei 2016, S. 60.

Dieser Beitrag ist erstmals erschienen in KulturBetrieb, eins 2017, S. 84-85.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2017-Ausgabe-1-April.pdf