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Was schaut der Museumsbesucher?

Suchmaschine hält Überraschendes bereit

Für das Jahr 2017 meldet das Institut für Museumsforschung 114.375.732 Besuche in deutschen Museen und Ausstellungshäusern. Zugleich weist das Institut darauf hin, dass die Gruppe der Naturwissenschaftlichen und technischen Museen die deutlichsten Rückgänge zu verzeichnen habe, nämlich 4,6 Prozent. (Anm. 1) Wie passen dazu die Ergebnisse einer Studie der Ferienhaus-Suchmaschine „Holidu“?

Topp 3 sind Autosammlungen

Der Onlinedienst Instagram hat sich innerhalb weniger Jahre zu der wohl weltweit größten medialen Plattform für das Posten und Teilen selbstgemachter Bilder entwickelt. Rund eine Milliarde Nutzer (davon rund 15 Millionen in Deutschland) laden täglich mehr als 60 Millionen Fotos und Videos hoch. (Anm. 2) Da das Internet aber keine Einbahnstraße ist, können Algorithmen nicht nur sehr genau ermitteln, welches Bildmaterial eingestellt wird, sondern auch, wonach die Nutzer suchen.
Für das Jahr 2018 wollte die Suchmaschine „Holidu“ wissen, welche Museen besonders gefragt sind. Die Überraschung (?) für Deutschland: Technikmuseen, genauer Automuseen, machen das Rennen!: „Auf den ersten drei Plätzen der beliebtesten Museen in Deutschland landen die Sammlungen der süddeutschen Autohersteller BMW, Porsche und Mercedes. Das ergibt die Studie der Ferienhaus-Suchmaschine „Holidu“, welche die einzelnen Museen nach geposteten Aufnahmen im sozialen Fotonetzwerk „Instagram“ sortiert hat. Auf Platz Drei (rund 52.000 Instagram-Postings) steht das größte Automuseum in Deutschland, das von Mercedes-Benz in Stuttgart. 160 Fahrzeuge und insgesamt rund 1.500 Exponate können auf den 16.500 Quadratmetern bestaunt werden. Besonders interessant: Im Mercedes-Museum wird die Geschichte des Autos von Anfang an beleuchtet und anhand diverser Ausstellungsstücke anschaulich erklärt.
Den zweiten Platz (rund 72.000 Instagram-Postings) sichert sich das Porsche-Museum, das ebenfalls in Stuttgart zu finden ist. Mit 5.600 Quadratmetern bedeutend kleiner als das von Mercedes, finden sich dennoch etwa 80 Fahrzeuge und Kleinexponate in einer Dauerausstellung und wechselnden Sonderausstellungen. Audiophile kommen bei den Soundinstallationen zum Thema Motorengeräusch auf ihre Kosten.
Das auf Instagram beliebteste Museum (rund 79.000 Postings) ist das BMW-Museum in München. 120 Ausstellungsstücke sind auf 5.000 Quadratmeter verteilt und in verschiedenen Stockwerken an der Seite eines Rundgangs aufgereiht. Das Museum wurde 2005 renoviert und ist gleich neben dem legendären Bürogebäude, dem „Vierzylinder“ zu finden. Außergewöhnlich sind die „Art Cars“: von Künstlern wie Roy Lichtenstein oder Andy Warhol gestaltete BMW-Rennfahrzeuge, von denen stets mindestens eins in der Dauerausstellung zu finden ist.“ (Anm. 3)

Kein deutsches Museum auf Podium

Beim Travellers´ Choice Award werden jährlich weltweit Millionen Bewertungen und Meinungen von Portalen wie Holidu oder Tripadvisor.com via Algorithmus ausgewertet. Weder im weltweiten noch im europäischen Vergleich schaffen deutsche Museen es auf das Podium. Europas Top Ten für das Jahr 2018 sind: 1. Musée d’Orsay, Paris; 2. The British Museum, London; 3. Museo del Prado, Madrid; 4. Mousio Akropolis, Athen; 5. Musée du Louvre, Paris; 6. National Gallery, London; 7. Vasa Museum, Stockholm; 8. Galleria degli Uffizi, Florenz; 9. Rijksmuseum, Amsterdam und 10. The State Hermitage Museum, St. Petersburg. Auch weltweit dominieren die Häuser aus Paris, New York City, London und Madrid. Und wer sind die deutschen Top Five? 1. Topographie des Terrors, Berlin; 2. Pergamonmuseum, Berlin; 3. Mercedes-Benz-Museum, Stuttgart; 4. BMW-Museum, München und 5. Gedenkstätte und Museum Sachsenhausen, Oranienburg. (Anm. 4)

Abgeschlagen – nicht nur in den sozialen Netzwerken

Die deutschen Museen hinken jedoch nicht nur bei Instagram & Co. hinterher, sondern auch bei der Zahl der realen Zuschauer – trotz der 115 Millionen Besuche. Nach Einschätzung von Hanno Rauterberg ist die Situation der Staatlichen Museen zu Berlin sogar ein „Desaster“: „Nirgends, in keiner anderen Sammlung von Weltrang, ist es so windstill wie hier. Die schönste Kunst, doch kaum jemand will sie sehen. (…) Ins Amsterdamer Reichsmuseum kommen alljährlich zwei Millionen Besucher. Fast drei Millionen sind es im Prado in Madrid, über fünf in der Nationalgalerie in Washington. Und in Berlin? Kaum mehr als 300.000 Menschen finden ihren Weg in die Gemäldegalerie. (…) Auch die anderen staatlichen Museen (…) zeigen zwar die erstaunlichsten Schätze, die Nofretete zum Beispiel, landen jedoch im internationalen Wettbewerb weit abgeschlagen im hinteren Mittelfeld. Alle Ausstellungshäuser der Stiftung zusammen haben im Jahr nicht halb so viele Besucher wie der Louvre in Paris. Hier sind es 3,5 Millionen, dort über acht. Woran liegt das? Am Geld wohl kaum.“ (Anm. 5)

Und die Gründe?

Weshalb die deutschen Museen auf den hinteren Rängen landen, können auch die Suchmaschinen nicht erklären. Für Berlin sieht Rauterberg vor allem zwei Ursachen: „Weil die Museen immerzu in Architektur investieren, steigen die Kosten für Betrieb und Bewachung, während für das Eigentliche, für die Arbeit mit der Kunst, kaum Energie und Geld übrig bleiben. Der Ausstellungs- ist so winzig wie der Ankaufsetat, und prominente Ausstellungen sind kaum zu finanzieren. Weniger Geld für Architektur, mehr für Kuratoren, das wäre ein Anfang. Allerdings ist auch die Bequemlichkeit im Geiste nicht zu unterschätzen (…) Der Apparat hat viele dienstbeflissene Köpfe hervorgebracht, doch diese Köpfe sprechen Aktendeutsch und haben keinen Sinn für das Unausrechenbare der Kunst. Deshalb fehlen Furor und Esprit, es fehlen Kuratoren, die gegen die Selbstlähmung aufbegehren und andere mitreißen.“ (Anm. 6)

Anm. 1: Materialien aus dem Institut für Museumsforschung, Statistische Gesamterhebung an den Museen der Bundesrepublik Deutschland für das Jahr 2017 (Heft 72), Berlin 2018, S. 25; Quelle: https://www.smb.museum/fileadmin/website/Institute/Institut_fuer_Museumsforschung/Publikationen/Materialien/mat72.pdf; Abfrage: 18.12.2018
Anm. 2: Vgl. „Zeigen, was man tut. Instagram befördert die visuelle Kommunikation“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Anm. 3: Beliebteste Museen in Deutschland, in: Welt, 29.10.2018; Quelle: https://www.welt.de/motor/news/article182937146/Autos-stehen-ganz-hoch-im-Kurs-Beliebteste-Museen-in-Deutschland.html; Abfrage: 18.12.2018
Anm. 4: Das sind die beliebtesten Museen in Deutschland, Europa und auf der Welt, in: Travel Book, 06.09.2018; Quelle: https://www.travelbook.de/attraktionen/museen/travellers-choice-award-die-beliebtesten-museen-in-deutschland-und-europa; Abfrage: 18.12.2018
Anm. 5: Hanno Rauterberg, Was guckst du? Vermeer, Rembrandt, die Nofretete: Die Berliner Museen hüten die großartigsten Kunstschätze. Warum nur wollen immer weniger Menschen sie sehen? Besichtigung eines Desasters, in: Die ZEIT, No. 52, 13.12.2018, S. 41.
Anm. 6: ebd.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in eins 2019 KulturBetrieb, S. 16 f.