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Ist Ihr Haus schon „instagrammable“?

Museen stellen sich auf die Bedarfe der Selfie-Freunde ein

„Fotografien sind dokumentierte Millimeter des Lebensweges.“
Hermann Lahm

Das Museum of Ice Cream in New York ist die perfekte Bühne für Selfie-Motive: Viel Pink, überdimensionale Eiswaffeln und eine helle Einrichtung. Zwar bieten nur wenige Orte derart optimale Voraussetzungen für das Fotografieren, aber die weltweit wachsende Bilderflut und das Netzwerk Instagram tragen maßgeblich dazu bei, dass auch Museen sich zunehmend für die Freunde des Selfie ins rechte Licht rücken.

Instagram verändert die Wahrnehmung der Welt

Während hierzulande viele Museen hinsichtlich des Themas „Fotografieren“ im „Bermudadreieck“ aus Urheberrecht, Verwertungsrecht und Hausrecht stecken (Anm. 1) oder sich mit den Problemen sperriger Selfie-Stangen befassen, (Anm. 2) inszenieren immer mehr Häuser weltweit ausgewählte Orte und Plätze so, dass sie als Bildhintergrund für Selfies bzw. Instagram funktionieren: „Das Getty Museum in Los Angeles hat Spiegel aufgestellt umgestellt, damit man leichter Selfies machen kann, das Museum of Modern Art in San Francisco hat neue Terrassen eröffnet, die explizit als »selfie spots« konzipiert wurden, und das Birmingham Museum of Art hat im vergangenen Sommer für eine Ausstellung mit dem Schlagwort `Instagram Gold´ geworben. (…) Vergangene Woche wurde in Glendale, Kalifornien, das Selfie-Museum eröffnet, in dem man viel über die Geschichte des Selfies lernen – und vor allem viele Selfies machen kann.“ (Anm. 3) Cafés und Restaurants folgen diesem Trend schon länger: Das Mobiliar, die Farben der Wände und des Geschirrs, die Beleuchtung und selbst die Gerichte werden bewusst so ausgewählt und inszeniert, dass sie oft fotografiert, auf Instagram hochgeladen und von möglichst vielen Menschen gesehen und geliked werden. Ob ein Betrieb Instagram-tauglich bzw. instagrammable ist, kann mit endscheiden über den wirtschaftlichen Erfolg.

Nicht neue Erlebnisse zählen, sondern neue Bildmotive

Der Online-Dienst zum Teilen von Fotos und Videos ist kostenlos und extrem erfolgreich. Das 2010 gegründete Unternehmen, das mittlerweile zu Facebook gehört, hat weltweit rund eine Milliarde Nutzer, die täglich mehr als 60 Millionen Fotos und Videos hochladen. (Anm. 4) Unter den Nutzer sind besonders viele junge Menschen, die sich in immer größerer Zahl von der `Mutter Facebook´ abwenden und zu kleineren, flexibleren Diensten wie Instagram abwandern. Um nicht von kommerziellen Angeboten überflutet zu werden, suchen Teenager zunehmend sog. Netzoasen auf, in denen sie sich mit Gleichgesinnten austauschen: „Social Messaging“ statt „Social Media“. (Anm. 5) So auch die 14-jährige Lara Stephens: „Snapchat ist leicht zu nutzen, und ich werde nie mit bedeutungslosen Benachrichtigungen bombardiert, sondern sehe nur, was ich auswähle. Bei Instagram ist es größtenteils genauso. Ich mag verschiedene Formen von Kunst und alles optisch Ansprechende, insofern habe ich viel Spaß damit, auf dieser Plattform, auf der man Fotos und Videos teilt, meine Beiträge mit Schönem aufzulockern. Und ich sehe mir gerne nur durch Fotos und Videos an, was meine Freunde so treiben.“ (Anm. 6) Die Kunstwissenschaftlerin und Kuratorin Anika Meier erklärt das weltweite Phänomen so: „Viele Menschen definieren sich heute über das, was sie essen oder was sie sehen, wenn sie unterwegs sind. Früher war das Auto oder das Haus ein Statussymbol, heute zeigt man sein Leben auf Instagram.“ (Anm. 7)

Knipsen kann das Erlebnis steigern

Nun könnte man annehmen, dass die Flut der Fotografien und Selfies die Aura eines Moments stören. Dagegen zeigt eine Studie der Psychologin Kristin Diehl von der University of Southern California: „Zu fotografieren mindert ein Erlebnis mitnichten. Vielmehr kann es die Freude an schönen Momenten sogar steigern, wenn man dabei fotografiert. (…) Ein Foto eines besonderen Moments zu schießen, fokussiert die Aufmerksamkeit auf dieses Erlebnis. Das beobachteten die Wissenschaftler in zahlreichen Versuchen, bei denen die Teilnehmer auf Busrundfahrten in Philadelphia unterwegs waren, auf Feinkostmärkten Essen kosteten oder andere Dinge unternahmen: Durften die Probanden dabei Fotos machen, dann genossen sie die Bustour, ihr Essen oder die anderen Erfahrungen noch ein bisschen mehr, weil sie das Fotografieren (nicht aber die Bilder) stärker mit den Erlebnissen verknüpften.“ (Anm. 8) Das Museum of Selfies in Kalifornien vertritt gegenüber dem Phänomen Selfie eine ganz pragmatische Haltung: „Mehr als eine Million Selfies werden täglich in Social Media hochgeladen. Ob man nun der Meinung ist, dass sie das Schönste auf der Welt sind oder aber der Tiefpunkt der menschlichen Kultur: Selfies haben nicht nur einen festen Platz in unserer modernen Gesellschaft, sondern haben zudem Wurzeln, die bis zu den Anfängen der Menschheit reichen. Das lässt sie doch museumswert erscheinen, oder?“ (Anm. 9)
Die Fondation Beyeler in Riehen bei Basel arbeitet aktiv mit Instagrammern. Das Haus lädt „kunstaffine Blogger und Instagrammer in die Ausstellungen. Während der Art Basel hatte eine Handvoll Blogger exklusiven Zugang zu Wolfgang Tillmanns laufender Ausstellung. `Zudem haben wir eine Reise in die Normandie organisiert: Ausgewählte Schweizer Instagrammer sind an die Orte gefahren, die Monet gemalt hat´, erklärt Silke Kellner-Mergenthaler, Head of Communications. (Anm. 10)

Anm. 1: Vgl. Angelika Schoder, Das Bildrechte-Problem: Warum ist Fotografieren im Museum verboten?, in: MusErMeKu. Museum | Erinnerung | Medien | Kultur, 08.02.2017; Quelle: musermeku.org/2017/02/08/bildrechte-im-museum/; Abfrage: 10.07.2018
Anm. 2: Vgl. Berthold Schmitt, Selfie-Stangen in der Ausstellung. Service- und Aufsichtskräfte durch klare Regeln unterstützen, in: KulturBetrieb, zwei 2015, S. 62.
Anm. 3: Christoph Amend, Die Quadratur der Welt, in: ZEIT MAGAZIN, Nr. 16, 12.04.2018, S. 14-19.
Anm. 4: Instagram, in: Wikipedia; Quelle: de.wikipedia.org/wiki/Instagram; Abfrage: 10.07.2018
Anm. 5: Vgl. „Facebook? Wir nicht! Jugendliche sind über das Netzwerk kaum noch zu erreichen“ und „Social Media? Nein, danke! Kulturbetriebe nehmen Abstand von sozialen Netzwerken“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Anm. 6: Lara Stephens, Alt und pummelig. Warum Teenager Facebook nicht nutzen und längst bessere Alternativen gefunden haben, in: Die ZEIT, 03.05.2018
Anm. 7: Amend, a.a.O., S. 18.
Anm. 8: Sebastian Herrmann, Wer knipst, gewinnt. Smartphones und Digitalkameras produzieren eine Bilderflut, die schönen Momenten die Aura nehmen – oder? Von wegen. Neue Forschungen zeigen: Fotografieren verstärkt besondere Erlebnisse, in: Süddeutsche Zeitung, 12.08.2016; Quelle: www.sueddeutsche.de/panorama/fotografie-wer-knipst-gewinnt-1.3118844; Abfrage: 10.07.2018
Anm. 9: Museum of Selfies; Quelle: themuseumofselfies.com; Abfrage: 10.07.2018; Übersetzung: Redaktion
Anm. 10: Matthias Balzer, Im Museum der Selbstdarstellung – Was bedeutet die Aufhebung des Fotografieverbots für die Kunst?, in: bz Basel, 02.08.2017; Quelle: www.bzbasel.ch/basel/basel-stadt/im-museum-der-selbstdarstellung-was-bedeutet-die-aufhebung-des-fotografieverbots-fuer-die-kunst-131572911; Abfrage: 11.07.2018

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb zwei 2018, S. 22 f