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Interesse an Kunst und Kultur geht zurück

Allensbach-Umfrage liefert aufschlussreiche Zahlen

Deutschland gibt mehr Geld für Kunst und Kultur aus, (Anm. 1) aber immer weniger Menschen scheinen sich für die Einrichtungen und Inhalte zu interessieren. Eine Umfrage des Instituts für Demoskopie Allensbach aus dem Jahr 2017 zeigt, dass die Attraktivität von Kunst und Kultur abnimmt – selbst bei höher Gebildeten mit überdurchschnittlichem Einkommen. (Anm. 2)

Weiblich, älter, höher gebildet und urban

Frauen (44 Prozent) interessieren sich häufiger für Kultur als Männer (35%), Ältere (42% der über 45-Jährigen) häufiger als Jüngere (34% der 14-29-Jährigen), höher Gebildete (55%) häufiger als einfach Gebildete (27%) und Großstädter (48%) häufiger als Kleinstädter (31%). So lässt sich das Ergebnis der Umfrage zu „Bildungsbürgertum und Massenkultur“ zusammenfassen.
Insgesamt geben immerhin 40 Prozent aller Befragten an, sich für die Kunst- und Kulturszene zu interessieren. Davon zeigen jedoch nur neun Prozent ein besonderes Interesse. Diese sog. Kulturaktiven zeichnen sich durch hohe Internet- und Printaffinität aus, haben höhere Schulbildung (67%) und haben ein überdurchschnittliches Einkommen, d.h. monatlich können sie frei über 450 Euro verfügen. Zugleich zeigt sich, dass das allgemeine Interesse an Kunst und Kultur von 44% (1997) auf 39% (2017) zurückgegangen ist. Signifikant ist der Rückgang von 64% (1997) auf 54% (2017) bei Personen mit höherer Schulbildung. Besonders deutlich hat in den letzten 20 Jahren das Interesse der 14- bis 29-Jährigen abgenommen: Von 42% (1997) auf 33% (2017). Auch bei den 30-44-Jährigen ist ein deutlicher Rückgang von 46% (1997) auf 38% (2017) zu beobachten. Das wachsende Desinteresse betrifft vor allem die klassische Musik, die Relevanz unserer „Dichter & Denker“ und das Buch. Innerhalb von 20 Jahren ist die Lesehäufigkeit von Büchern von 47% (1997) auf nur mehr 42% (2017) gesunken. Dieser Rückgang ist vor allem bei den 14- bis 29-Jährigen zu beobachten. Die Ergebnisse für das Buch decken sich mit der Marktforschung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels. „Danach hat der deutsche Publikumsmarkt (ohne Schul- und Fachbücher) in den Jahren 2012 bis 2016 mehr als sechs Millionen Buchkäufer verloren. (…) Zugleich hat der Trend zum weniger Lesen von Büchern auch die Menschen mit höherer Bildung erfasst.“ (Anm. 3)
Was machen die Menschen stattdessen? In den Jahren 2016 bis 2018 belegt Gartenarbeit mit 28 Prozent Platz 1 der beliebtesten Freizeitaktivitäten der Deutschen. Darauf folgen Shopping (27%) und Essen gehen (16%). Auf den Plätzen 12 und 20 rangieren Jogging (7,5%) bzw. Yoga (3,7%). Mit dem `Besuch von Freizeitparks´ taucht auf Platz 24 (2,3%) erstmals eine Tätigkeit auf, die man im weitesten Sinne im Umfeld von Kultur verorten könnte. Ausdrückliche Erwähnung finden Museumsbesuche jedoch nicht. (Anm. 4)

Es gibt auch Erfreuliches

Gute Nachricht für Museen, Galerien oder Kunstausstellungen: Der Anteil der Personen, die zumindest gelegentlich eine der genannten Einrichtungen besuchen, liegt seit 2002 unverändert bei 45 Prozent. Auch die Kinolandschaft zeigt sich stabil: Es gibt zwar weniger regelmäßige Besucher, aber insgesamt mehr Kinobesuche. Wachstum zeigt sich bei der Neugierde auf andere Länder und Kulturen: 56% der Menschen mit höherer Schulbildung ist dies wichtig (2013: 53%). Das Interesse an Fremdsprachen wuchs von 17% (1997) auf 28% (2017), allerdings nur bei Menschen mit höherer Bildung. (Anm. 5) Auch für das Lesen von Büchern besteht trotz der beunruhigenden Zahlen Hoffnung: Für Anke Vogel vom Institut für Buchwissenschaft der Universität Mainz „hat das Buch vor allem für das vertiefte Lesen von Informationen weiterhin zentrale Bedeutung. Die Wissenschaftlerin sieht die Schulen in der Verantwortung. (…) Die Lesekompetenz müsse gerade für bildungsferne Kinder langfristig gestärkt werden, fordert sie. Studien zeigen, dass Heranwachsende durchaus noch für das Lesen von Büchern zu motivieren sind. Unter den 12- bis 19-Jährigen liegt die Zahl derer, die zum Vergnügen lesen, seit Jahren konstant um die 40-Prozent-Marke.“ (Anm. 6)

Mit Blick auf den Wettbewerb um den Besucher will sich der Deutsche Museumsbund (DMB) in seiner Jahrestagung 2019 stärker mit dem Themenkreis Bildung / Relevanz des Museums befassen. Unter dem Titel „Visionen für die Vermittlungsarbeit“ sollen vor allem vier Themenkreise untersucht werden: 1. Bildungsarbeit ganzheitlicher denken (Welches Potential bieten Ausstellungen für Bildung?), 2. Change Management im Museum (Öffnung gegenüber einem heterogenen Publikum), 3. Auf Augenhöhe mit den Besuchern (Wie kann professionelle Zusammenarbeit mit Besuchern gelingen?) und 4. Soziale Kohäsion im Museum (Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhaltes statt immer mehr Spezialprogramme für verschiedenste Zielgruppen). (Anm. 7)

Anm. 1: Vgl. Kulturfinanzbericht 2018; Hrsg.: Statistische Ämter des Bundes und der Länder, Wiesbaden 2018, 110 Seiten; Download: https://www.destatis.de/DE/Publikationen/Thematisch/BildungForschungKultur/Kultur/Kulturfinanzbericht1023002189004.pdf?__blob=publicationFile
Anm. 2: Steffen de Sombre, Bildungsbürgertum und Massenkultur; Institut für Demoskopie Allensbach / Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse, AWA 2017; Quelle: https://www.ifd-allensbach.de/fileadmin/AWA/AWA_Praesentationen/2017/AWA_2017_deSombre_Bildung_Kultur.pdf; Abfrage: 29.12.2018; vgl. auch „Schwellenangst runter, Gästezahlen rauf?“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Anm. 3: Käuferschwund beunruhigt Buchbranche, in: Süddeutsche Zeitung / SZ.de, 07.03.2018; Quelle: https://www.sueddeutsche.de/news/kultur/literatur-kaeuferschwund-beunruhigt-buchbranche-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-180307-99-374656; Abfrage: 29.12.2018
Anm. 4: Beliebteste Freizeitaktivitäten, Hobbies und Sportarten in Deutschland nach häufiger Ausübung in den Jahren 2016 bis 2018, in: Statista; Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/171168/umfrage/haeufig-betriebene-freizeitaktivitaeten/; Abfrage: 29.12.2018; vgl. auch „Kulturförderung der öffentlichen Hand“ sowie „Was schaut der Museumsbesucher? Suchmaschine hält Überraschendes bereit“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Anm. 5: De Sombre, Bildungsbürgertum und Massenkultur.
Anm. 6: Käuferschwund beunruhigt Buchbranche.
Anm. 7: Vgl. Visionen für die Vermittlungsarbeit, Jahrestagung 2019, 5. bis 8. Mai, Dresden; Quelle: https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2018/12/dmb-call-for-papers-jahrestagung-2019.pdf; Abfrage: 24.12.2018

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb eins 2019, S. 6 f.