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Wenn Bibliotheken zu öffentlichen Räumen werden

Im Rahmen des sog. »Open Library« stehen Bibliotheken auch außerhalb personalbesetzter Öffnungszeiten den Besuchern zur weitgehend freien Verfügung. Bibliothekare bezeichnen das Konzept aus Dänemark als „Kulturrevolution“.

Nicht Buchmuseum, sondern Ort für Menschen

In den öffentlichen Bibliotheken Dänemarks sinken die Ausleihzahlen gedruckter Bücher zum Teil dramatisch. Open Library setzt darauf, die Einrichtungen in Kommunikationsräume zu verwandeln, in denen sich Menschen gemeinsam oder einzeln aufhalten und tun, was sie für richtig halten. Der wohl größte Protagonist dieses Konzeptes ist die im Sommer 2015 eröffnete, 100 Mio Euro teure Zentralbibliothek Dokk1 in Aarhus. Mit Blick auf E-Books und mobile Endgeräte argumentiert Direktor Knud Schulz: „Heute trägt doch jeder eine Bibliothek mit sich herum. (…) Eine Bibliothek muss heute etwas bieten, was im Netz nicht zu finden ist, sonst hat sie keinen Sinn mehr.“ (Anm. 1) Rund die Hälfte der insgesamt 18.000 Quadratmeter Bibliotheksfläche ist offener Raum, den die Besucher nach eigenen Vorstellungen nutzen dürfen – auch, weil Bibliotheken in vielen Kommunen die einzigen öffentlichen Räume sind, in denen man sich kostenlos aufhalten darf. Während die Bücher in Nebenräumen bereit stehen, informieren in dem geräumigen Foyer große Displays über aktuelle und vergangene Veranstaltungen, darunter ein Drohnenflugwettbewerb, ein Fußballturnier und ein Hacker-Treff. Kinder toben, Besucher lachen, reden und ruhen.

Konsequenzen und Nachahmer

Weniger Platz für Bücher: In der Stadtteilbibliothek von Tarnby hat Direktor Jens Lauridsen das Angebot streng begrenzt: „Alle Bücher, die in den vergangenen drei Jahren niemand ausgeliehen hat, landeten auf dem Müll. »Es gab Tränen«, erinnerte sich Lauridsen an die entsetzte Reaktion unter Kollegen. Der Trost: Über die dänische Fernleihe kann jedes Buch kostenlos beschafft werden, spätestens am zweiten Werktag ist es da.“ Gelesen wird in separaten Räumen. Kommunikationsexperte statt Bibliothekar: In Tarnby warten die Mitarbeiter nicht, bis sie gefragt werden: „Wir laufen herum, sprechen die Menschen an und unterstützen ihre Ideen. Es ist eine Kulturrevolution.“ (Anm. 2) Die erste deutsche Bibliothek, die das dänische Konzept aufgegriffen hat, ist die Bücherhalle in Hamburg-Finkenwerder. Da viele Nutzer sich längere und kundengerechtere Öffnungszeiten wünschten, bietet man dort seit Ende September 2015 einmal wöchentlich die Open-Library an. Dazu wurden die Räume „umgestaltet und für die erweiterten personallosen Öffnungsstunden vorbereitet. Die Bücherhalle wurde klarer strukturiert und die Aufenthaltsqualität zum Beispiel durch neue Möblierung optimiert. Auch gibt es neben der RFID-Selbstbedienungsausleihe nun auch eine RFID-Selbstbedienungsrückgabe, ein Kassenautomat wird installiert. (…) Die Sicherheitsvorkehrungen für Bibliotheksräume, Einrichtungsgegenstände und das Bücherhallen-Netzwerk waren aufwendig, ebenso wie die datenschutzrechtlichen Klärungen für die Kameraaufzeichnung. Es entstehen bei diesem Modell zahlreiche organisatorische Erfordernisse, die Sicherheit der Kunden im Bibliotheksraum zu gewährleisten und das Eigentum der Bibliothek zu schützen. Im Fokus muss stets die Sicherheit der Kunden bei der personallosen Nutzung der Bibliothek stehen.“ (Anm. 3) Da die bisherigen Erfahrungen in Finkenwerder positiv sind, soll das Modell auf weitere Filialen der Bücherhalle Hamburg ausgedehnt werden. Auch bei dem geplanten Neubau der Landesbibliothek Berlin, die sich von Knud Schulz aus Aarhus beraten lässt, könnte Open Library Realität werden – zumindest teilweise.

Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Dirk Asendorf, Sitzen, spielen, reden, (lesen). Bücher sind immer weniger gefragt. Wie Bibliotheken sich neu erfinden, zum Beispiel in Dänemark, in: Die ZEIT, 12.11.2015, S. 42; zur Bibliothek selbst vgl. http://www.aarhus.dk/da/aarhus/fremtidensaarhus1/fremtidens-aarhus/urban-mediaspace.aspx
Anm. 2: Vgl. ebd.
Anm. 3: Bücherhalle Finkenwerder. Erste Open-Library Deutschlands eröffnet!; Quelle: https://www.buecherhallen.de/go/id/bgrm; Abfrage: 25.01.2016

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", eins 2016, S. 45.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2016-Ausgabe-1-Februar.pdf