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Schlitzkopf, Außenvierkant, Kreuzschlitz, Inbus, Torx & Co.

Wie „Unordnung“ zur Sicherheit beitragen kann

 

Diebe, Einbrecher und Räuber wollen einfach, geräuschlos und schnell an ihr Ziel gelangen. Ein Aspekt der Sicherungsmaßnahmen in Archiven, Bibliotheken, Museen und anderen kulturbewahrenden Betrieben sollte es daher sein, einen möglichst hohen Widerstandszeitwert zu gewährleisten, dessen Überwindung mit alarmierenden Geräuschen einhergeht, mehrere Arbeitsschritte erfordert und / oder wertvolle Zeit kostet. Ein schlichtes, aber effizientes Mittel kann ein Mix aus verschiedenen sog. Schraubenkopfantrieben bzw. Schraubenprofilen sein.

»Mit den Augen eines Diebes sehen!« (Günther Dembski)

Sicherheit in kulturellen Einrichtungen sollte stets auf ein optimiertes Miteinander von baulichen, technischen und personellen Maßnahmen ausgelegt sein. Deshalb darf gerade in Zeiten zunehmender Elektronisierung und Digitalisierung die mechanische Sicherung nicht vernachlässigt werden. Gitter, Riegel, Schloss & Co. mögen für manche gestrig klingen, sind aber nach wie vor zentrale Bausteine eines umfassenden Sicherheitskonzeptes. Das gilt auch für den Schutz freistehender Exponate oder Vitrinen.

Um bewegliche Gegenstände zu sichern, reicht das immer noch erstaunlich oft verwendete Doppelklebeband nicht aus! Dagegen kann zum Beispiel ein Mix verschiedenartiger Schrauben hilfreich sein, der ein und dasselbe Exponat sichert, um eine „en-passant-Wegnahme“ zu erschweren oder effektiv zu behindern. Haustechniker dürften bei dieser Überlegung hellhörig werden, denn sie wollen ihre Aufgaben möglichst effizient erledigen: Je weniger Material, Werkzeug und Zeit sie für einen bestimmten Arbeitsvorgang benötigen, umso besser. Aus Perspektive jener, die eine Sicherheitskonstruktion errichten oder warten, ist eine „one-size-fits-all“-Lösung optimal: Ein Schraubenprofil – ein Schraubendreher bzw. -zieher! Aber genau diese Einheitslösung, die die Umsetzung der Arbeitsschritte im täglichen Betrieb einer Kultureinrichtung vereinfacht, beschleunigt und verbilligt, spielt potenziellen Tätern in die Hände, denen es ebenfalls nicht einfach, geräuschlos und schnell genug gehen kann! Oft spionieren die Verbrecher den künftigen Tatort aus, um Informationen über technische und personelle Sicherheitsmaßnahmen in Erfahrung zu bringen und ihr weiteres Vorgehen entsprechend zu planen. Versierte Täter achten dabei nicht nur auf Videoüberwachung, Alarmanlage, Kapazitivmelder oder Laservorhang, sondern auch auf Kriterien wie die Länge und Begehbarkeit von Fluchtwegen, den Grad der Aufmerksamkeit des Aufsichtspersonals oder die Beschaffenheit der mechanischen Sicherung der von ihnen ausgewählten Beute. Prima, dass die Vitrine, in der die handliche Bronzestatuette aufbewahrt wird, zum einen in der Nähe des Ausgangs steht und ihre Haube zufällig mit nur zwei Kreuzschlitzschrauben gesichert ist! Da obendrein die Glashaube eine sog. Durchwurfhemmung der Widerstandsklasse P6B (DIN EN 356) bzw. EH1 (VdS) bietet und folglich 30 bis 50 Axtschlägen standhält, ist es deutlich leichter und schneller, mit einem einfachen Schraubenzieher zu arbeiten.

Täter scheuen Komplikationen

Um einem potenziellen Täter das Ausspionieren der technischen Gegebenheiten deutlich zu erschweren, sollte die Art der mechanischen Sicherung möglichst unsichtbar sein. Wenn Schrauben verwendet werden, dann sollten sie an verdeckten Stellen positioniert sein. Ist dies nicht machbar, empfiehlt es sich, dem Täter so viele Hürden als möglich in den Weg zu stellen. Das gelingt zum Beispiel, indem man deutlich mehr Schrauben einsetzt und zugleich verschiedene Typen von Sicherheitsschrauben mischt. Die Liste sog. Schraubenkopfantriebe bzw. Schraubenprofile umfasst mehr als 180 Typen mit Schraubenköpfen, die nur mit speziellen, nicht allgemein gebräuchlichen Werkzeugen oder gar nicht gelöst werden können. Eine Sonderform sind sog. Einwegschrauben, die mit einem normalen Schraubenzieher nur festgezogen, aber nicht gelöst werden können. Die Flanken des Schlitzes sind in der Gegenrichtung abgeschrägt, so dass der Schraubenzieher keinen Halt findet (Einwegantrieb). Ist ein Lösen erforderlich, so muss Spezialwerkzeug (z.B. ein Linksausdreher) verwendet werden. Da nur für einige Sicherheitsschrauben sog. Bits (Schraubenzieher-Einsätze) im Handel angeboten werden, bleibt meist nur der Versuch, Sicherheitsschrauben auszubohren. Das aber geht mit einem enormen technischen Aufwand einher, den „schnelle“ Täter scheuen dürften.

Wegnahme erschweren und / oder behindern

Anspruch und Ziel mechanischer Sicherungsmaßnahmen ist es, eine schnelle Wegnahme ohne bzw. unter Zuhilfenahme bestimmter einfacher Werkzeuge deutlich zu erschweren oder wirksam zu behindern. Dazu bieten sich neben dem hier vorgestellten Schrauben-Mix weitere Ansätze der sog. Wegnahmesicherung. Die VdS-Schadenverhütung GmbH unterscheidet diesbezüglich vier Klassen:

• „Klasse 1 – Wegnahmesicherheit gegen Blitzzugriff: Gegenstände werden z.B. mit Stahlkabeln gegen schnelle Wegnahme gesichert; hinsichtlich der potenziellen Täter wird angenommen, dass diese wenig Zeit und technisches Wissen in den Wegnahmeversuch einbringen und sich auf die Verwendung einfacher Werkzeuge (z.B. Seitenschneider, kleine Zange) beschränken
• Klasse 2 – Einfache Wegnahmesicherheit: Gegenstände werden mit Stahlkabeln oder Ketten zunehmender Festigkeit (relativ zu Klasse 1) gegen Wegnahme gesichert; hinsichtlich der potenziellen Täter wird eine zunehmende kriminelle Energie (Risiko- und Einsatzbereitschaft relativ zu Klasse 1) sowie die Verwendung einfacher – ab Klasse 2 auch spanabhebender – Werkzeuge (z.B. kleine Bügelsäge) angenommen.
• Klasse 3 – Mittlere Wegnahmesicherheit: Gegenstände werden mit Stahlkabeln, Ketten oder anderen mechanischen Fixierungsmethoden höherer Festigkeit gesichert; hinsichtlich der potenziellen Täter wird eine zunehmende kriminelle Energie (Risiko- und Einsatzbereitschaft relativ zu Klasse 2) sowie die Verwendung höherwertiger Werkzeuge (z.B. Bohrmaschine, Miniatursäge) angenommen.
• Klasse 4 – Hohe Wegnahmesicherheit: Gegenstände werden durch eine allseitige Umfassung (z.B. Umschrank aus Stahlblech) gegen Zugriff und Abtransport gesichert. Hinsichtlich der potenziellen Täter wird eine hohe kriminelle Energie (Risiko- und Einsatzbereitschaft sowie die Verwendung hochwertiger Werkzeuge (z.B. Bolzenschneider, Schlagwerkzeug) bei längerer Einwirkdauer oder Intensität angenommen.“ (Anm. 1)

Wachsamkeit und Know-how

Der beste Wegnahmeschutz nutzt aber nichts, wenn das Zusammenspiel von Technik und Personal nicht funktioniert. Ein beeindruckender Beleg für das fehlende Miteinander bleibt der Raub einer Büste von Rodin aus der Ny Carlsberg Glyptothek in Kopenhagen im Sommer 2015: „Der Plan scheint viel zu einfach, als dass er gelingen könnte: Zwei Männer gehen in Kopenhagen zur normalen Öffnungszeit ins Museum und deaktivieren den Alarm an einer Bronzebüste von Auguste Rodin. Ein paar Tage später kommen sie ein zweites Mal. Diesmal haben sie eine Tüte dabei – sie packen die Skulptur darin ein und verlassen damit das Museum. Was sich anhört wie ein Scherz, ist tatsächlich geschehen: Ein Sprecher der Ny Carlsberg Glyptothek hat bestätigt, dass das Werk `Der Mann mit der gebrochenen Nase´ Mitte Juli auf diese Art und Weise aus dem Museum gestohlen wurde. Die Männer hätten ausgesehen wie Touristen, hieß es – was allerdings nicht unbedingt erklärt, warum weder das Sicherheitspersonal noch andere Besucher etwas von der Aktion mitbekamen. Wie die dänische Zeitung Politiken berichtet, hat eine Überwachungskamera zwei Männer im Alter zwischen 30 und 40 Jahren bei der Tat gefilmt. Der eigentliche Diebstahl habe nur zwölf Minuten gedauert. `Sie müssen gewusst haben, was sie stehlen´. (...) Die Büste von 1863, die in mehreren Versionen existiert, war seit 95 Jahren Teil der Sammlung in dem dänischen Museum. Laut Politiken soll diese Version umgerechnet knapp 270.000 Euro wert sein; Rodin selbst soll sie für eines seiner besten Werke gehalten haben.“ (Anm. 2)

Moderne und regelmäßig zu überprüfende Technik ist das eine; genauso wichtig ist aber das Funktionieren des Personals im Bedarfsfalle. Dazu gehören hohe Aufmerksamkeit, das Beherrschen der Alarmkette, die Vertrautheit mit den Örtlichkeiten sowie eine immer wieder zu probende Zusammenarbeit mit allen involvierten hausinternen Abteilungen sowie den relevanten externen Kräften, darunter die Polizei. Ehrliche Analyse des IST-Zustandes und maßgeschneiderte Schulungen zur Erreichung des SOLL-Zustandes sind nützliche Elemente auf dem Weg zu mehr Schutz und Sicherheit.

QEM – Qualifizierte Einbindung von Museumspersonal

Dr. Berthold Schmitt, Trainer von Service- und Aufsichtspersonal in Museen
Wielandstraße 5, 04177 Leipzig
Tel 0049 / 341 / 5296524
mail@schmitt-art.de; www.aufsicht-im-museum.de

Anm. 1: VdS-Richtlinien für mechanische Sicherungseinrichtungen: Sicherungen gegen Wegnahme leicht transportabler Gegenstände (VdS 3528: 2009-05); Abfrage: 01.07.2024 https://shop.vds.de/download/vds-3528/58326528-0483-45a7-b43b-7f494d28446b
Anm. 2: Mit Tüte rein, mit Kunstwerk wieder raus, in: Süddeutsche Zeitung, 20.08.2015; Quelle: https://www.sueddeutsche.de/panorama/gestohlene-rodin-bueste-mit-tuete-rein-mit-kunstwerk-wieder-raus-1.2615299 ; Abfrage: 04.07.2024

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb zwei 2024, S. 76 f.