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Kulturmenschen und Feuerwehrleute

Zusammen für den Notfall vorbereitet

Feuerwehren in Deutschland bestehen aus kommunalen Berufs- und Freiwilligen Feuerwehren. Betriebsfeuerwehren, wie die der Wiener Hofburg, sind im Zusammenhang mit Kultureinrichtungen die Ausnahme. Beide Feuerwehrarten haben dieselben Aufgaben, wobei der im Sachwertschutz verankerte Kulturgutschutz nur einen kleinen Teil ausmacht. Der Schutz kultureller Güter steht erst an dritter Stelle – nach dem Retten von Leben und der Brandbekämpfung bzw. der Aufrechterhaltung der Infrastruktur. Es gibt dazu keine Statistik, aber sicherlich betrachtet ein Großteil der Feuerwehren den Kulturgutschutz nur im Rahmen des Sachwertschutzes. An den Feuerwehrschulen gibt es keine Lehrgänge zum Kulturgutschutz. Spezielle Fortbildungen dazu erfolgen meistens lokal und im Rahmen der Arbeit der Notfallverbünde.

Die Ansprechpartner für Kultureinrichtungen können Mitarbeiter im Zivil- und Katastrophenschutz, Mitarbeiter im Vorbeugenden Brandschutz, Ortsbrandmeister usw. sein. Das ist abhängig von der Aufgabenverteilung und der Größe der Feuerwehr am Ort. Die Feuerwehr ist für die nichtpolizeiliche Gefahrenabwehr zuständig. Sie ist es gewohnt, dort zu sein, wo Hilfe benötigt wird, wie z.B. die brennende Gartenlaube oder der Verkehrsunfall mit Gefahrgütern. Aber das Hochwasser 2021 in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zeigt uns deutlich, dass es Ereignisse gibt, bei denen der Kulturgutschutz keine Priorität hat.

Kopf in den Sand? Keineswegs!

Die Vorbereitung auf ein mögliches Schadensereignis ist ein wichtiger Baustein. Die Maxime sollte lauten: „Bereite Dich bereits im Sommer auf den Schneesturm vor!“ Konzepte und Hilfestellungen sind da. Hier eine Auswahl:
• SiLK und die Seite Notfallverbünde.de
• Notfallbroschüre der Münchner Fachgruppe Präventive Konservierung
• Notfallplanung für das Schloss Oberes Belvedere in Wien (Obernosterer-Rupprecht)
• Notfallplanung der Klassik Stiftung Weimar

Ich habe mich immer für Kultur interessiert. Das habe ich nicht nur in den letzten 20 Jahren meiner Dienstzeit bei der Berufsfeuerwehr Weimar als wichtig erachtet. Der Brand der Herzogin Anna Amalia Bibliothek war nicht Auslöser, sondern Verstärker für mein Engagement. Deshalb war es für mich auch folgerichtig, nach meiner Pensionierung weiter in der Notfallvorsorge für Kultureinrichtungen tätig zu sein. Der Kulturrat Thüringen und die Klassik Stiftung Weimar boten die Möglichkeit, meine Kenntnisse und Ideen einzubringen. Der unmittelbare Erfahrungsaustausch mit engagierten Kulturleuten bereichert beide Seiten. Es entwickelt sich ein Verständnis für die Belange des jeweiligen Anderen. Im normalen Arbeitsalltag ist hierfür oftmals keine Zeit. Eine Ausstellung muss vorbereitet werden, ein Bild restauriert usw. und dann will die Notfallvorsorge noch ein Stück von den zeitlich begrenzten Möglichkeiten. Und je kleiner die Kultureinrichtung räumlich und vor allem personell ist, umso schwieriger wird es. Aber auch kleine Häuser müssen die Möglichkeiten haben, Notfallvorsorge zu betreiben. Das Thüringer Modell mit materieller Bereitstellung von Ausrüstung und Fortbildungsmodulen für jede Kultureinrichtung in Thüringen ist eine Möglichkeit. Die Finanzierung übernimmt zu 100% der Freistaat.

Ist ein Museum, eine Bibliothek ein sicherer Ort?

Brandschutzkonzepte, Feuerwehrpläne oder die Kennzeichnung von Fluchtwegen dienen in erster Linie zur Rettung von Menschen. Aber rote Feuerlöscher, die auffällig im Raum stehen, Trockensteigleitungen, Rauchschutzvorhänge, Löschanlagen und andere brandschutztechnische Maßnahmen können mit ausstellungsrelevanten oder ästhetischen Erwägungen kollidieren. Das muss aber nicht so sein! Die Pflichtaufgabe Brandschutz sollte bereits bei der Vorbereitung und Realisierung einer Ausstellung mitgedacht werden, denn letztlich haben beide Ansätze dasselbe Ziel: Der Schutz des anvertrauten Kulturgutes!
Die hohe Kunst ist es, wenn sich auch die Sicherheitstechnik in den Ausstellungsbereich harmonisch einfügt. Sprechen Sie vor und während der Gestaltung von Räumen und Ausstellungen mit den Feuerwehren, Brandschutzsachverständigen usw. Nehmen wir noch einmal die Feuerlöscher. Gibt es die nicht in anderen Farben? In anderen Ländern gibt es weiße Löscher! Und überhaupt, Propangasflaschen sind auch oft rot – ein Widerspruch? Für die Anzahl, die Anbringung, Aufstellung, Farbe, Kennzeichnung der Feuerlöscher gibt es klare Regeln. Es gibt dazu vielfältige Rechtsvorschriften. Die Industrie ist aber gut in der Lage, die Forderung des Brandschutzes mit Ästhetik zu verbinden.

Schadensereignisse

Die Erfahrung lehrt uns, dass plötzlich auftretende Großereignisse ihre Ursache meist in kleinen Unzulänglichkeiten haben. Das kann technische Ursachen haben, aber oftmals spielt auch der Faktor Mensch eine entscheidende Rolle. Ein Beispiel: In einem kleinen Museum wurde entschieden, dass für die Besucher ein Kaffeeautomat sinnvoll wäre. Beschafft, aufgestellt, Wasserleitung verlegt, hat sich nicht ausgezahlt, wieder abgebaut. Ok, so weit, so gut/schlecht. Jetzt passieren diese erwähnten Kleinigkeiten. Die Wasserleitung wird nur so weit zurückgebaut, dass sie hinter Putz verschwindet. Sie wird unter Druck belassen. Über die Jahre gerät die Baumaßnahme in Vergessenheit und im kalten Winter 2021 zerfriert diese Leitung, Wasser tritt aus und beschädigt das Haus und die Ausstellung erheblich. Deshalb ist eine Risikoanalyse für jedes Objekt unerlässlich und sie geht über ein reines Brandschutzkonzept hinaus.

Mehr voneinander wissen ist die Basis!

Die Begehung eines Museums oder eines Archives durch die Einsatzabteilung der Feuerwehren ist ein wichtiger Baustein. Sie ist nicht zu verwechseln mit Gefahrenverhütungsschauen oder Begehungen im Zusammenhang mit Brandschutzkonzepten. Die Begehung dient der Feuerwehr vielmehr dazu, sich mit den räumlichen Gegebenheiten vertraut zu machen, die Standorte der Infrastruktur und die bauliche und gestalterische Beschaffenheit kennenzulernen. Das Wissen darüber ist für die Feuerwehr von höchster Relevanz. Der Feuerlöscher interessiert weniger als der Feuerwiderstand eines Bauteiles, oder, ob es Lehmdecken gibt und wo Durchbrüche sind. Auslöseeinrichtung für Rauch- und Wärmeabzug, Löschanlagen, Zugänge, Fluchtwege sind wichtige Informationen für den Ernstfall. All diese Informationen sind auch im Feuerwehrplan hinterlegt. Die Kombination aus Plan und Begehung festigt die Information. Nutzen Sie hier jede Gelegenheit, den Kameraden von der Feuerwehr auch etwas zur Historie Ihres Hauses, zur Ausstellung und zu deren Bedeutung für die Region zu vermitteln. Wenn Sie von der „Beletage“ sprechen, werden sie ggf. Stirnrunzeln sehen, weil dieser Begriff in den Feuerwehren nicht verwendet wird und auch auf einem Feuerwehrplan nicht auftaucht. Die jungen Feuerwehrleute werden den Begriff sofort googlen, aber im Einsatz ist dafür keine Zeit. Besser ist es, die Bezeichnung zu nennen und zu erklären. Dann wissen die Feuerwehrleute, dass es sich in den meisten Fällen um den ersten Stock / Etage handelt.
Lassen Sie sich im Gegenzug von der Feuerwehr erläutern, wie eine Brandbekämpfung im Gebäude ablaufen würde, welches Löschmittel zum Einsatz kommt, welche Taktik man anwenden würde. Auch hier haben wir wieder Bezeichnungen und Abkürzungen, mit denen Sie wahrscheinlich nichts anfangen können. Wissen Sie was ein HLF 20/16 ist oder aus welchen Komponenten ein Löschzug besteht? Welche Wassermengen werden aus einem modernen Hohlstrahlrohr abgegeben? Mit welcher Tröpfchengröße? Die Begriffe, die die Feuerwehrleute und Kulturleute verwenden, unterscheiden sich teilweise erheblich. Abkürzungen sind hinderlich und können zu Verwechslungen führen.

Gemeinsame Übungen

Übungen der Feuerwehr, mit oder in einem kulturellen Objekt, dienen dazu, Abläufe und Strukturen sowohl der Feuerwehr als auch der beübten Kultureinrichtung für den Einsatzfall zu festigen und zu optimieren. Sie müssen unabhängig von einer Persönlichkeit funktionieren. Das Retten / Bergen eines konkreten Exponates kann man üben, ist aber nicht die wichtigste Aufgabe. In unserem Fortbildungsmodul „Vorbereitung einer Übung mit der Feuerwehr“ erarbeiten wir gemeinsam die Aufgabenverteilung und Zielstellung einer Übung. Wir legen den Fokus auf das Zusammenspiel der Führungskräfte von Feuerwehr und Mitarbeitern der zu beübenden Kultureinrichtung.
• Wer trifft wann welche Entscheidung?
• Wie ist man in die technische Einsatzleitung der Feuerwehr eingebunden?
• Wer legt die Reihenfolge von Maßnahmen fest?
• Wo plant man den Kulturgutsammelpatz?

Solche und weitere Fragestellungen sind in unserem Zusammenhang wichtig. Dieser Ansatz hat den Vorteil, dass man das System für unterschiedlichste Kultureinrichtungen verwenden kann, egal ob Museum oder Archiv. Das Retten eines Objektes durch Feuerwehrleute unter Atemschutz wird in unserer Fortbildung nicht vermittelt. Es führt unserer Ansicht nach zu einer trügerischen Erkenntnis für die Kultureinrichtung und auch für die Feuerwehr. Ich will das näher erläutern.
Der Schwerpunkt der Übung ist die gemeinsame Arbeit in einer Einsatzleitung. In der Regel wird die Feuerwehr durch eine Einsatzleiter/in geführt. Hier kommen die Technische Einsatzleitung als Führungsunterstützung, Abschnittsleiter und Gruppenführer zum Einsatz. Um eine Übung zu planen, sind ein paar Informationen hilfreich. Feuerwehrleute erhalten eine aufeinander aufbauende Ausbildung, beginnend mit der Grundausbildung bzw. dem Lehrgang zum Truppmann/frau. Diese Ausbildung berechtigt den Ausgebildeten nicht, unter Atemschutz tätig zu werden, ein Löschfahrzeug zu bedienen oder eine Gruppe zu führen. Erst mit Absolvierung weiterer Lehrgänge werden solche Qualifizierungen erreicht. Grundtätigkeiten, wie Löschwasserversorgung herstellen, werden immer wieder geübt, um dies bei einem Einsatz aus dem ff zu beherrschen. Nur so kann man sich auf die aktuelle Situation konzentrieren, denn jeder Einsatz hat Besonderheiten. Niemals wird ein Feuerwehrangehöriger eine Position einnehmen, für die er keine Ausbildung erhalten hat. Deshalb ist es auch so herausfordernd, Einsätze mit Kulturgütern zu bewältigen. Denn selbst in einem spezialisierten Museum gibt es die unterschiedlichsten Kulturgegenstände aus unterschiedlichsten Materialien, die in Vitrinen ausgestellt und mit Sicherheitstechnik verbunden sein können. Den Umgang damit haben Sie viele Jahre studiert, Feuerwehrleute nicht. Sind Kulturgutschutzpläne eine Lösung? Kann man eine Rettung vorplanen? Nehmen wir an, in einer Vitrine befindet sich eine goldene Kette, die für die Rettung vorgesehen ist.
Möglichkeit 1: Sie legen eine Laufkarte mit detaillierten Angaben zum Ort, Aufbau, Handhabung, Werkzeug und Sicherungstechnik für die Rettung durch die Feuerwehr an.
Möglichkeit 2: Sie zeigen bei einer Begehung durch die Feuerwehr dieses Einzelstück und erklären den Vitrinenaufbau bzw. den Öffnungsmechanismus in Zusammenhang mit der Sicherheitstechnik.

Möglichkeit 1 ist nur für einzelne Stücke sinnvoll. Alle Ausstellungstücke auf diese detaillierte Art zu erfassen, ist ein Mammutaufgabe und für eine kleine Einrichtung nicht zu leisten. Die Möglichkeit 2 ist nicht zielführend. Wenn Sie diesen Weg wählen, müssen Sie die Einweisung mindestens jährlich wiederholen, sonst wird es vergessen. Der zweite noch wichtigere Punkt ist, dass Sie alle in Frage kommenden Feuerwehrleute in das System einweisen müssen, da man nicht weiß, welcher Feuerwehrangehörige am Ereignistag zum Einsatz kommt. Der, den man vor zwei Jahren geschult hat, hat sich ggf. weiterqualifiziert und ist jetzt Maschinist eines Löschfahrzeuges. Wo ist die dritte Möglichkeit? Die gibt es als Blaupause nicht. Jede Kultureinrichtung mit ihren Kulturgütern muss individuell betrachtet werden. Und hier ist alles möglich, von der Priorisierung von Einzelstücken bis zur Planung der Rettung und Bergung ganzer Sammlungen. Sie müssen es entscheiden! Unser Fortbildungsansatz ist selbstverständlich zu priorisieren und einen Kulturgutschutzplan mit textlichem und graphischem Teil zu erstellen und mit der Feuerwehr zu beüben. Das Hauptaugenmerk liegt aber darin, dass die verantwortlichen Personen Entscheidungen treffen können, basierend auf einer für das Objekt und sein Kulturgut abgestimmten Notfallplanung. Eine Herausforderung? Sicherlich! Aber ohne Notfallplanung hat der Faktor Zufall und Glück ein großes Wort mitzureden.

Fachberater Notfallverbünde im Kulturrat Thüringen e.V.
Arbeitsgruppe Notfallverbund für Weimar
Ralf Seeber, stellv. Vorsitzender
fachberater.notfallverbund(at)kulturrat-thueringen.de

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2021, S. 36-39.