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Fachbeiträge

Wenn die Absperrung zur Waffe wird

Zerstörerische Attacke auf Gemälde

Die Meldung ging durch die Medien: Ende Mai 2018 hat in der Tretjakow-Galerie in Moskau ein Besucher das Bild „Iwan der Schreckliche und sein von ihm erschlagener Sohn am 16. November 1581“ von Ilja Repin (1844-1930) beschädigt – mit einem Teil des hauseigenen Absperrsystems.

Eine Sperre ist eine Sperre … oder eine Waffe

Absperrsysteme gehören zur Grundausstattung vieler Einrichtungen, in denen Menschen kontrolliert, geleitet oder zurückgehalten werden sollen – auch in Museen. Dort weisen die Absperrungen die Besucherinnen und Besucher diskret, aber unübersehbar darauf hin, nicht zu nahe an die Exponate heran zu treten oder sie zu berühren. In der Regel handelt es sich dabei um Metallpfosten von rund 40 oder 100 cm Höhe, die in Abständen nebeneinander aufgestellt und mit elastischen Schnüren, Bändern bzw. Kordeln verbunden sind. Die Vorrichtungen gibt es entweder als fest mit dem Boden verschraubte oder als frei stehende Systeme. Da bei letzteren die Standsicherheit besonders wichtig ist, sind die Pfosten und Bodenplatten oft aus hochwertigem Edelstahl mit rutsch- und kratzfesten Belägen gefertigt. Eine solche Einheit aus Pfosten und Fußteller (23 bis 35 cm Durchmesser) kann zehn bis zwölf Kilo wiegen – eine solide und wirkungsvolle Hiebwaffe!

Alkohol aus dem Museumscafé und eine Portion Wut

Obwohl keine Aufzeichnungen von Überwachungskameras vorliegen, gibt es am Tathergang in der Tretjakow-Galerie wohl keine Zweifel: Ein Mann aus Woronesch (Zentralrussland) hat am 25. Mai 2018 den Raum mit Repins Gemälden betreten, einen der Pfosten des freistehenden Absperrsystems gepackt und damit mehrfach auf das Gemälde „Iwan der Schreckliche“ eingeschlagen: „Laut dem Museum durchschlug ein Besucher das Schutzglas mit einem Eisenpfahl und zerriss so die Leinwand an drei Stellen im Bereich der Figur des Thronfolgers. Auch der Rahmen sei beschädigt. Glücklicherweise seien die „wertvollsten“ Teile des Gemäldes, die Gesichter und Hände von Vater und Sohn, nicht versehrt. Das Bild werde restauriert. Der Angreifer wurde festgenommen, ein Strafverfahren ist eröffnet; nach Angaben des Gerichts beträgt der Schaden mehr als eine halbe Million Rubel, gut 6900 Euro. So weit die nüchternen Umstände des Vandalismus.“ (Anm. 1) „Laut der Agentur Interfax sagte der 37-jährige Täter beim Verhör, er habe Alkohol im Museumscafé getrunken und sich über das Thema des Bildes aufgeregt. Er habe das Bild beschädigt, weil er die Darstellung der Fakten in dem Gemälde für unglaubwürdig halte, berichtete die Agentur Tass. Ihm droht eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren.“ (Anm. 2) Unmittelbar nach der Tat haben Spezialisten mit Sicherungsarbeiten begonnen. Glassplitter seien entfernt und die Leinwand aus dem Rahmen genommen worden.

Wiederholt attackiert, nur mäßig geschützt

Das 1885 von Repin geschaffene Gemälde stand nicht zum ersten Mal im Zentrum politischer Auseinandersetzungen und physischer Angriffe: Kurz nach seiner Präsentation fiel das Werk für einige Monate unter die Zensur des Zaren. 1913 hat ein Ikonenmaler mit einem Messer auf die Leinwand eingestochen. 100 Jahre später forderten russische Monarchisten, das Exponat aus der Galerie zu entfernen. Trotz dieser Vorgeschichte waren die Schutzvorkehrungen an dem Gemälde bislang mäßig: Eine der bedeutendsten Kunstgalerien Moskaus, ein weltberühmtes und zugleich hochumstrittenes Gemälde, einfache Verglasung von 1927, keine Videoaufzeichnung und keine besondere Bewachung, aber die griffbereiten Metallpfosten des freistehenden Absperrsystems … Medien zufolge, soll das 200 x 254 cm große Gemälde künftig hinter speziellem Panzerglas präsentiert werden.

Anm. 1: Friedrich Schmidt, Kunstzerstörung mit Wodka und Politik, in: Frankfurter Allgemeine, 28.05.2018; Quelle: www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/moskauer-tretjakow-galerie-besucher-beschaedigt-gemaelde-15610485.html; Abfrage: 04.06.2018
Anm. 2: Besucher beschädigt weltberühmtes Repin-Gemälde, in: Deutsche Welle, 27.05.2018; Quelle: www.dw.com/de/besucher-besch%C3%A4digt-weltber%C3%BChmtes-repin-gem%C3%A4lde/a-43946598; Abfrage: 04.06.2018

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb zwei 2018, S. 55.

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