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Fachbeiträge

Umkleidezeit kann bezahlte Arbeitszeit sein

Über Dienstkleidung in Kulturbetrieben

In vielen Unternehmen und Institutionen gehört die Dienstkleidung zur regulären Ausstattung des Servicepersonals. Wie aber verhält es sich mit der für das An- bzw. Ablegen der Dienstkleidung benötigten Zeit? Ist sie Teil der Arbeitszeit und als solche zu entlohnen? Ein wiederholt strittiges Thema, das auch für Museen und andere kulturbewahrende Einrichtungen von Belang sein kann.

Dienstkleidung kann vorgeschrieben werden

In vielen Kultureinrichtungen sind die Service- und Aufsichtskräfte gehalten, während des Dienstes eine bestimmte Kleidung zu tragen, die sie einerseits als zum Betrieb gehörig ausweist und andererseits dem Publikum mehr Orientierung bietet. Die Bandbreite möglicher Dienstkleidungen ist groß: Während manche Häuser sich auf einfache Vereinheitlichungen wie dunkle Hose und helles Oberteil oder auf das gut sichtbare Tragen bestimmter Accessoires (z.B. Stoffe im Corporate Design) beschränken, schreiben andere Häuser vollständige Uniformen vor, die aus Hose oder Rock, Bluse bzw. Sakko sowie Namensschild und ggf. Kopfbedeckung bestehen können.
Grundsätzlich darf der Arbeitgeber bei einem begründeten Interesse das Tragen von Arbeitskleidung verbindlich vorschreiben, so z.B., wenn der Mitarbeiter das Unternehmen repräsentiert oder er mit Kunden in Kontakt kommt. Eine rechtliche Grundlage für solche Weisungen ist § 106 der Gewerbeordnung. Dieser legt fest, dass der Arbeitgeber neben Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung auch Ordnung und Verhalten der Arbeitnehmer im Betrieb nach „billigem Ermessen“ bestimmen kann, selbst wenn dies eine Einschränkung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellt und im Arbeitsvertrag keine Regelung zur Dienstbekleidung getroffen wurde. (Anm. 1) Wie aber verhält es sich mit der für das Umkleiden benötigten Zeit?

Umziehen ist Arbeitszeit bei fremdnütziger Tätigkeit

Die Frage, ob Arbeitswege oder Umkleidezeiten zur Arbeitszeit zählen und zu vergüten sind, ist hierzulande wiederholt Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen. Mit Urteil vom 26.10.2016 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu einem Streit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern über die Vergütung von Umkleide- und innerbetrieblichen Wegezeiten festgestellt: „Zur Arbeit gehören auch das Umkleiden und Zurücklegen der hiermit verbundenen innerbetrieblichen Wege, wenn der Arbeitgeber das Tragen einer bestimmten Kleidung vorschreibt, die im Betrieb an- und abgelegt werden muss, und er das Umkleiden nicht am Arbeitsplatz ermöglicht, sondern dafür eine vom Arbeitsplatz getrennte Umkleidestelle einrichtet. (…) Die Fremdnützigkeit ergibt sich in diesem Fall aus der Weisung des Arbeitgebers, die Arbeitskleidung erst im Betrieb anzulegen und sich dort an einer zwingend vorgegebenen, vom Arbeitsplatz getrennten Umkleidestelle umzuziehen.“ (Anm. 2) Ein weiterer Aspekt in diesem Zusammenhang kann die Beschaffenheit der Dienstkleidung sein, genauer: deren Auffälligkeit. Hierzu stellte das BAG in einem früheren Verfahren fest: „Umkleidezeiten gehören zur vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung, wenn das Umkleiden einem fremden Bedürfnis dient und nicht zugleich ein eigenes Bedürfnis erfüllt. Das Ankleiden mit vorgeschriebener Dienstkleidung ist nicht lediglich fremdnützig und damit nicht Arbeitszeit, wenn sie zu Hause angelegt und – ohne besonders auffällig zu sein – auch auf dem Weg zur Arbeitsstätte getragen werden kann.“ (Anm. 3) Wenn der Weg von und zu der Arbeit nicht regelmäßig zur Arbeitszeit zählt, kann „Arbeitgeber nicht verlangen, dass ihre Mitarbeiter bereits zuhause die Arbeitskleidung anlegen. Vielmehr haben die Mitarbeiter meist ein berechtigtes Interesse daran, dass die private Lebensführung des Arbeitnehmers auf dem Weg von und zur Arbeit nicht durch das unternehmerische Interesse eingeschränkt wird.“ (Anm. 4)

Auch an den Besucher denken!

Die Vor- und Nachteile des Tragens bzw. Nichttragens von Dienstbekleidungen werden in Kultureinrichtungen oft kontrovers diskutiert – nicht selten auch innerhalb der Belegschaft ein und desselben Hauses. Während sich die einen durch einheitliche Kleidung geschützt und gestärkt sehen (Signale: Funktionsträger und Teil einer Gruppe), fühlen sich die anderen in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit eingeschränkt. Tatsächlich darf das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers durch Art und Beschaffenheit der Dienstkleidung nicht verletzt werden. Neben den persönlichen Neigungen der Service- und Aufsichtskräfte sollten Direktion und Verwaltung beim Abwägen des Für und Wider von Uniform oder uniformähnlicher Bekleidung aber viele weitere Aspekte bedenken: Um welche Art von Einrichtung handelt es sich? Die Erwartungen an das Erscheinungsbild des Servicepersonals dürften in Freilicht-, Industrie- oder Kunstmuseen ganz andere sein als in Gedenkstätten zu NS oder Stasi. Soll das Personal eher beaufsichtigen oder vermittelnd tätig sein? Welche klimatischen Bedingungen herrschen vor? Welche Kleidung oder Ausrüstung ist geeignet und geboten, um die Tätigkeit der Service- und Aufsichtskräfte wirksam zu unterstützen? (Anm. 5)
Bei den Überlegungen zur Dienstkleidung dürfen die Bedarfe des Publikums nicht unterschätzt werden: So kann es z.B. in unübersichtlichen Gebäuden enorm hilfreich sein, dass die Servicekräfte rasch und sicher als solche zu erkennen sind, um Verunsicherung bei den Gästen abzubauen und Orientierung bzw. Ansprache zu erleichtern.

Anm. 1: Vgl. Marcus Köller, Pflicht zur Tragung von Dienstbekleidung?, in: Köller Rechtsanwälte, 06.09.2016; Quelle: www.kanzlei-koeller.com/single-post/2016/09/06/Pflicht-zur-Tragung-von-Dienstbekleidung sowie Gewerbeordnung, § 106 Weisungsrecht des Arbeitgebers; Quelle: dejure.org/gesetze/GewO/106.html; beide Abfragen: 13.06.2018.
Anm. 2: BAG – 5 AZR 168/16, Umkleidezeiten – Schätzung, Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.10.2016, 5 AZR 168/16, in: bag-urteil.com; Quelle: www.bag-urteil.com/26-10-2016-5-azr-168-16/; Abfrage: 13.06.2018
Anm. 3: Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 10.11.2009, 1 ABR 54/08, Mitbestimmung bei der Arbeitszeit – Umkleidezeit, Grund 15; Quelle: juris.bundesarbeitsgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py; Abfrage: 13.06.2018
Anm. 4: Wann ist Umkleidezeit bezahlte Arbeitszeit?, in: Haufe Online Redaktion, 29.05.2017; Quelle: www.haufe.de/personal/arbeitsrecht/arbeitskleidung-umziehen-und-duschen-als-bezahlte-arbeitszeit_76_316644.html; Abfrage: 13.06.2018
Anm. 5: Vgl. „Tattoos verringern Respekt vor Funktionsträgern. Eine aufschlussreiche Studie der Polizei“ in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb zwei 2018, S. 90 f.

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