Diese Webseite nutzt Cookies

Diese Webseite nutzt Cookies zur Verbesserung des Erlebnisses unserer Besucher. Indem Sie weiterhin auf dieser Webseite navigieren, erklären Sie sich mit unserer Verwendung von Cookies einverstanden.

Spieglein, Spieglein an der Wand ...

Nabelschau-Marketing kann gegen die guten Sitten verstoßen

Mitunter hört man, Ausstellungskataloge würden produziert, um andere Ausstellungsmacher zu beeindrucken. Steuerfinanzierte Häuser weisen solche Behauptungen entschieden zurück. Mit Recht, denn ein derart `selbstverliebter Spaß´ unter Kuratoren ließe sich kaum mit den Geboten der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit vereinbaren. Ausgesprochen schwer nachvollziehbar ist es aber, wenn öffentliche Museen in musealen Fachzeitschriften mit Anzeigen oder ausgedehnten Bild- und Textstrecken in eigener Sache werben – und dafür zahlen! Dieses Phänomen verdient eine nähere Betrachtung, auch um mehr Bewusstsein für Kosten und Nutzen zu schaffen und um auf einen rechtlichen Graubereich im Umfeld der sog. Schleichwerbung hinzuweisen.

Fachzeitschriften sind keine Massenmedien

Während bei vielen Museen die Etats für Öffentlichkeitsarbeit knapp bemessen oder nicht existent sind, investieren andere ihre Mittel in brancheninterne Imagepflege. Gegen Bezahlung platzieren sie „Homestorys“ oder Anzeigen in Magazinen, die – qua Definition als Fachzeitschrift – nicht nur eine geringe Auflage und sehr begrenzte Reichweite haben, sondern sich zudem an eine sehr kleine Zielgruppe wenden: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter anderer Kultureinrichtungen! Diesen Befund könnte man mit einem lapidaren »Wer hat, der hat!« abtun, aber das wäre mit Blick auf die Haushaltssituation öffentlicher Kulturbetriebe und auf wettbewerbsrechtliche Belange nicht angemessen. In Zeiten knapper Kassen ist es fragwürdig, wenn Museen mit öffentlichen Geldern bei anderen Museen werben, also gleichsam „Eulen nach Athen“ tragen. Für verantwortungsvolle Marketingbeauftragte lohnt ein genauerer Blick, um Möglichkeiten und Grenzen einer Medienlandschaft besser einschätzen zu können, zu der auch das Magazin KulturBetrieb gehört. Im deutschsprachigen Raum befassen sich nur wenige Fachzeitschriften mit dem professionellen Betrieb von Museen und Ausstellungshäusern. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind das (in alphabetischer Folge): BlachReport Museum, EXPOTIME!, KulturBetrieb, MUSEUM.DE, Museen und MUSEUM AKTUELL. In erster Linie dienen diese Magazine der beruflichen Information und dem Austausch zwischen Experten aus Kulturbetrieben einerseits und den Fachleuten aus Industrie und Dienstleistung andererseits. In der Printversion erreichen die genannten Magazine Auflagen von je höchstens 5.000 Exemplaren. (Anm. 1) Mit Blick auf rund 6.700 Museen und Ausstellungshäuser in Deutschland erscheint das als angemessen. Die direkte Kommunikation unter Unternehmen – und dazu zählen Kulturbetriebe – wird als „Business-to-Business“ (B2B oder B-to-B) bezeichnet. Die Distributionsstruktur von B2B ist auf professionelle Zielgruppen fokussiert. Ein branchentypisches Beispiel ist MUSEUM AKTUELL: „Nach unserer Verbreitungsstatistik sind die Leser zu 85% Entscheidungsträger und -vorbereiter in musealen Einrichtungen sowie Fachleute der Museums- und Ausstellungsszene – der Rest geht an Zulieferer, Politiker, Studierende, Volontäre, lehrende Museologen, Verbände und große Bibliotheken.“ (Anm. 2) Die Zielsetzung von B2B ist inhaltlich und mengenmäßig eindeutig: Von Profis für Profis! Dagegen gehört es zum Auftrag öffentlicher Kultureinrichtungen, auf effektive und wirtschaftliche Weise möglichst viele potenzielle Besucherinnen und Besucher anzusprechen. Dafür stehen verschiedene konventionelle und moderne Massenmedien bereit. (Anm. 3) Auch einige Publikumszeitschriften erreichen große Lesergruppen. Im Unterschied zu den B2B-Formaten handelt es sich dabei um „Business-to-Consumer“-Magazine (B2C oder B-to-C), die spezielle Informationen für den allgemeinen Leser in seiner Rolle als Konsumenten bereithalten. Special-Interest-Zeitschriften im Bereich Kunst und Kultur sind u.a.: art, Kunst:art, KUNSTFORUM International, KUNSTZEITUNG oder Zeitkunst, die zum Teil Auflagen von 200.000 und mehr Exemplaren erreichen. (Anm. 4)

Inhaltliche Relevanz und zielgenaue Verbreitung

Es mutet befremdlich an, wenn Museen einerseits darüber klagen, nicht ausreichend Mittel für Strom, Wasser oder Servicekräfte zu haben, gleichzeitig aber in Zeitschriften, die sich nicht an das breite Publikum wenden, kostenpflichtige `Nabelschau´ betreiben – sei es aus Unkenntnis oder Eitelkeit. (Anm. 5) Einige geschäftstüchtige Anbieter von B2B-Magazinen profitieren von diesem Wunsch nach Aufmerksamkeit und bewerben ihre Produkte als nützliche Instrumente für öffentlichkeitswirksame Auftritte. Ihre Verkaufsstrategien stützen sich z.B. auf Hochglanzfotos, die Lust auf Kultur wecken sollen, oder auf Reichweiten, die praktisch jedoch nicht überprüfbar sind (Multiplikationsfaktor x). Da der tatsächlich Zugewinn von Besucherinnen und Besuchern fragwürdig ist, verzichten verantwortungsbewusste Fachzeitschriften auf solche kostenpflichtigen Offerten, die weder zielführend noch wirtschaftlich sinnvoll sind. Das Ansehen einer Fachzeitschrift wird nicht durch ihren Kaufpreis und nicht durch ihre behauptete Auflage geprägt, sondern durch relevante Themen und deren sachgemäße Aufbereitung. Ein weiteres Kriterium für ihren Erfolg ist die spezifische Reichweite. Hierbei sollten potenzielle Auftraggeber beachten, dass gedruckte Auflage nicht gleichbedeutend ist mit verteilter Auflage. Wenn z.B. ein Teil der Produktion für den sog. freien Verkauf vorgesehen ist, die Exemplare aber keine Abnehmer finden, kann die tatsächliche Distribution mitunter weit unterhalb der nominellen Auflage liegen. Ähnlich verhält es sich mit Abonnements: Wieviel Prozent der Auflage gehen in den regelmäßigen Bezug? Seriöse Anbieter setzen auf Transparenz. Hilfreich für die Akzeptanz einer Fachzeitschrift ist auch die Genauigkeit des Verteilers: Werden die Produkte an die allgemeine Postanschrift einer Einrichtung verschickt oder ist der Empfänger personalisiert, z.B. mit Vor- und Zunamen, akademischem Grad und Funktion?

Vorsicht vor „Schleichwerbung“

Neben der wirtschaftlich fragwürdigen medialen `Selbstbespiegelung´ kann ein juristisches Problem von einiger Brisanz hinzukommen: Das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sieht vor, dass bezahlte Veröffentlichungen so gestaltet sein müssen, dass der Leser sie als Werbung erkennen kann. Wie verhält es sich mit einem redaktionell anmutenden, tatsächlich jedoch bezahlten Wort- und Bildbericht, den ein Museum platziert, um Aufmerksamkeit zu erzielen und (zahlende) Gäste zu gewinnen? Komplikationen sind nicht auszuschließen: Zum einen könnten andere Kultur- oder Freizeiteinrichtungen die beschriebene Form der medialen Darstellung als unlauteren Wettbewerb oder „Schleichwerbung“ auffassen. Das könnte sowohl gegen die guten Sitten verstoßen, als auch Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz durch konkurrierende Kulturbetriebe nach sich ziehen. Zum anderen wäre zu prüfen, inwieweit Museen, die vorgeblich redaktionelle Beiträge liefern, de facto jedoch werbliche Präsentationsflächen kaufen, den Umstand der sog. Schleichwerbung begünstigen und dadurch auch die anbietenden Fachzeitschriften angreifbar machen. Schließlich stehen diese mit anderen Medien im Wettbewerb und dürfen ihrerseits ebenfalls nicht unlauter handeln. Museen, die beabsichtigen, sich gegen Bezahlung in Fachzeitschriften u.a. Medien zu präsentieren, sollten sich im Vorfeld Klarheit über diesen komplexen Sachverhalt verschaffen. Die juristische Betrachtung erfasst aber nur einen Teil des Themas. Eine ethische Komponente kommt besonders für steuerfinanzierte, öffentliche Häuser zum Tragen. Im Interesse der eigenen Integrität sind sie gehalten, jene Grundsätze zu beachten, die sie sich selbst gegeben haben, u.a. in den „Ethischen Richtlinien für Museen von ICOM“. (Anm. 6) Mit Blick auf den beschriebenen Graubereich sollte auch der verantwortungsbewusste Umgang mit Werbung in eigener Sache dazu gezählt werden.

Mediale »L’art pour l’art« braucht gute Argumente

Das weiter oben zitierte und für Printmagazine typische B2B-Verbreitungsmuster bedeutet: Bei knappen Mitteln und rationaler Betrachtung sind kostenpflichtige Anzeigen oder Präsentationen in diesen Blättern keine nützlichen Instrumente, um in nennenswertem Umfang Besucherinnen und Besucher für Museen und Ausstellungen anzusprechen. Oder sollten die Auftraggeber solcher Maßnahmen ernsthaft damit rechnen, die Mitarbeiter anderer Häuser als Multiplikatoren zu gewinnen? Man stelle sich vor: Um potenzielle Kunden zu finden, präsentieren Künstler ihre eigenen Arbeiten vor anderen Künstlern! Ein solches Geschäftsmodell würde zu Recht als fragwürdig eingeschätzt. Kritisch zu befragen sind in diesem Zusammenhang auch ergänzende sog. Crossmedia-Angebote aus der digitalen Welt, denn: Wer konsumiert Bilderstrecken aus Hochglanzfotos auf Smartphone oder Tablet? Für potenzielle Auftraggeber, bei denen vorgeblich oder tatsächlich jeder Euro zählt, sollte die Kosten- und Nutzen-Relevanz auch dann Maßstab sein, wenn es sich bei den zu zahlenden Beträgen für Anzeigen und Bildergeschichten `nur´ um kleine Summen handelt. Kulturelle Einrichtungen sollten sich daran orientieren, inwieweit die eingesetzten Mittel den für das öffentliche Auftragswesen verbindlichen Grundsätzen von Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit entsprechen. Auch hier sollten Museen die selbst gewählten Regeln und Leitlinien beachten: „Die Finanzwirtschaft verfolgt das Ziel, die bereitgestellten Ressourcen optimal und wirtschaftlich einzusetzen. Hierzu gehört neben einer vorausschauenden Wirtschaftsplanung auch das entsprechende Controlling.“ (Anm. 7) Öffentliche Museen und Ausstellungshäuser, die über knappe Haushalte klagen, aber gleichzeitig mit ihren Ressourcen eine Art brancheninterne Selbstbespiegelung betreiben, sollten gegenüber ihren Trägern bzw. Rechnungshöfen und Prüfämtern gute Argumente bereithalten, um Fragen nach dem Umgang mit Steuermitteln überzeugend begegnen zu können. Narzisstische `Nabelschau´ mit bezahlten Werbeflächen ist – ganz abgesehen von möglichen juristischen Komplikationen – weder ein verantwortungsvolles, noch ein zielführendes Instrument, um publikumswirksam auf Sammlungen und Ausstellungen aufmerksam zu machen. Und außerdem: Welcher Kurator, welche Kuratorin analysiert Coffee-Table-Magazine mit opulent inszenierten musealen Homestorys oder lässt sich von Lifestyle-Geschichten anderer Häuser inspirieren? Aus Gründen des Prestiges? Um herauszufinden, wer „die Schönste“ im ganzen Lande sei?

Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Sofern Selbstauskunft vorliegt, werden aktuell folgende Printauflagen erreicht: BlachReport Museum (drei Ausgaben pro Jahr à 2.000 Stück); KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven (vier / Jahr à 2.700); Museen. Das Magazin für Ausstellungsmacher (zwei / Jahr à 5.000); MUSEUM AKTUELL. Die aktuelle Fachzeitschrift für die deutschsprachige Museumswelt (zehn / Jahr à 2.300). EXPOTIME! (sechs / Jahr) erscheint ausschließlich online. Das MAGAZIN MUSEUM.DE (vier / Jahr) nennt keine Zahlen, was ungewöhnlich für die Branche ist und keine solide Einschätzung der tatsächlichen Distribution erlaubt. Offenbar wurde die Auflage von einst 7.500 Exemplaren (Ausgabe 3, 2010) inzwischen drastisch reduziert.
Anm. 2: Vgl. Preisliste #19 vom 1.2.2016; Quelle: http://www.museum-aktuell.de/preise/azpl.pdf; Abfrage: 11.02.2016
Anm. 3: Darunter TV, Radio, Tageszeitungen und Plakate sowie Apps, Blogs, Podcasts u.a. Optionen der Social Media wie z.B. Twitter oder Facebook. Anm. 4: Laut Selbstauskunft werden folgende Auflagen erreicht: art – Das Kunstmagazin (zwölf / Jahr à ca. 55.000 Stück); Kunst:art (sechs / Jahr à 223.000); KUNSTFORUM International (vier bis sechs / Jahr à ca. 10.000); Kunstzeitung (zwölf / Jahr à ca. 200.000) und Zeitkunst. Monatszeitung für Kunst & Kultur (zwölf / Jahr à ca. 200.000).
Anm. 5: Vgl. dazu in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb den Beitrag von Berthold Schmitt „»Des Kaisers neue Kleider«. Zertifikate kritisch auf Status und substanziellen Wert prüfen!“ Darin geht es um „Schein und Sein“ von Zertifikaten im Umfeld der Schulung von Service- und Aufsichtskräften in Museen.
Anm. 6: Vgl. Museen halten sich an Recht und Gesetz, in: Ethische Richtlinien von ICOM; hrsg. von ICOM – Internationaler Museumsrat, zweite überarbeitete Auflage, 2006, S. 24 f.
Anm. 7: Standards für Museen; hrsg. von Deutscher Museumsbund e.V. gemeinsam mit ICOM Deutschland, Kassel / Berlin 2006, S. 11.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", zwei 2016, S. 76-78.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2016-Ausgabe-2-Mai.pdf

Zurück