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Nachts im Museum – Kollege Roboter wischt und saugt

Dem Fachkräftemangel mit Technik begegnen

Auch vor Archiven, Bibliotheken, Museen und anderen kulturbewahrenden Einrichtungen macht der Arbeits- und Fachkräftemangel nicht Halt. So hat eine Befragung aus dem Jahr 2020 ergeben, dass nur 19 Prozent der mittelgroßen deutschen Museen „offene Stellen in ihren Häusern ohne Probleme neu besetzen können. 21 Prozent sagten, es sei oft schwierig, gute Leute zu finden. Die große Mehrheit landete bei einer gemäßigten Antwort im Mittelfeld.“ (Anm. 1) Der Fachkräftemangel in Kultureinrichtungen gilt gleichermaßen für die über allem schwebenden und gut besoldeten oberen Etagen wie für das eher prekär entlohnte „Bodenpersonal“, d.h. für die Putz- und Reinigungskräfte.

Spitzenpositionen sind keine Selbstläufer mehr, …

Die Verknappung auf dem Arbeitsmarkt dürfte sich seit 2020 verschärft haben. An der angeblich schlechten Bezahlung im öffentlichen Dienst liegt es sicherlich nicht. Bei Pflege des Stellenmarktes auf dem Onlineportal KulturBewahren fällt auf, dass Ausschreibungen häufiger wiederholt oder Fristen verlängert werden. Zunächst bezog sich dies meist auf Volontariate oder Positionen in der Verwaltung. Inzwischen hat der Engpass auch die wissenschaftliche Ebene erreicht – sogar bei der Gehaltsstufe 14 TVöD.
Während andernorts nur Museumsleitungen in dieser Größenordnung bezahlt werden, zeigt sich der Landschaftsverband Rheinland (LVR) ausgesprochen generös. So darf sich in den Römerthermen Zülpich schon ein Referent/in für Vermittlung über ein monatliches Einkommen 5.000 bis 7.000 Euro freuen – ohne Verantwortung für Administration und / oder Personal. In selbiger Stufe werden auch Paläontologe/in oder Geowissenschaftler/in im LVR-Amt für Bodendenkmalpflege im Rheinland entlohnt, so in Bonn und in Titz. Bei der Funktion einer Museumsleitung (LVR-Freilichtmuseum Lindlar) darf es auch mal A 16 sein, d.h. 7.000 bis 8.700 Euro. Das stark verschuldete Nordrhein-Westfalen kann sich offenbar derartige Spitzengehälter leisten. Gleichzeitig beschwert NRW sich darüber, dass der Freistaat Bayern angeblich den Markt der Lehrkräfte an Schulen durch Verbeamtung leerfege.
Mittel- und langfristig verzerren solche Praktiken und Löhne den Wettbewerb mit anderen deutschen Regionen. So erhält die Sammlungsleitung Klassische Moderne der Hamburger Kunsthalle A 14 bzw. 14 TV-L, den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen ist die Position einer Wissenschaftlichen Mitarbeit 13 TV-L wert, die stellvertretende Leitung der Bibliothek der Staatlichen Hochschule für Musik in Baden-Württemberg wird mit 9 b TV-L honoriert und selbst die Leitung der Universitätsbibliothek der Freien Universität Berlin erhält mit A 16 genau so viel wie die Leitung des Freilichtmuseums in Lindlar. (Anm. 2) Man reibt sich die Augen: In ländlichen Regionen wie Oberbergischer Kreis oder Voreifel zahlt das Land NRW für Jobs im mittleren oder oberen Management mehr als für vergleichbare oder weitaus anspruchsvollere Positionen in Ballungszentren wie Berlin, Hamburg, München oder Stuttgart. Kurzfristig – wiederholte Verlängerungen oder Neuauflagen von Ausschreibungen zeigen es – gelingt die Besetzung offener Positionen trotz Topgehalt offenbar nicht ohne Weiteres. Das Kalkül „Mehr Geld gleich mehr Spitze!“ gerät ins Stottern. Künftig werden auch Kulturbetriebe neue Wege bei Rekrutierung und Auswahl ihres Personals gehen müssen. Ganz in diesem Sinne hat die Staatsbibliothek zu Berlin im August 2024 eine eigene Stelle „Strategische/r Recruiter/in“ ausgeschrieben.

… aber auch Reinigungskräfte fehlen

Gravierender noch als beim wissenschaftlichen Personal wirkt sich der Wettbewerb bereits beim Ringen um Fachleute aus der IT-Branche aus. Dies ist umso dramatischer, als die Digitalisierung hierzulande erst Fahrt aufnimmt. Aber auch im Bereich Haustechnik und / oder Facility Management macht sich der Fachkräftemangel bei Kulturbetrieben immer deutlicher bemerkbar. Da entsprechendes Personal rar ist, bieten Industrie- und Handwerksbetriebe Löhne, die jenseits der in öffentlichen Kulturbetrieben üblichen 5 bis 9 TVöD bzw. TV-L liegen. Und selbst wenn ein Handwerker für die Haustechnik gefunden ist: Viele Einrichtungen bemängeln, dass Qualifizierung bzw. Know-how der Fachkraft nur entfernt den besonderen Bedarfen einer Kultureinrichtung entspricht. Und da hierzulande besonders viel Wert auf Ordnung und Sauberkeit gelegt wird, werden auch im Bereich Reinigung die Engpässe immer deutlicher. Kulturbetriebe, die das Putzen ausgelagert haben, haben vertraglich vereinbart, dass der Dienstleister in der Lage ist, den Bedarf mit ausreichend qualifiziertem und engagiertem Personal abzudecken. Aber wie genau ist der Dienstleistungsvertrag formuliert? Ist dort festgehalten, dass Menschen die Reinigung durchführen, oder ist dort nur die Erbringung einer vereinbarten Leistung innerhalb eines zeitlichen Rahmens niedergeschrieben? Das ist insofern von Bedeutung, als immer mehr Reinigungsbetriebe wegen des Mangels an Fachkräften auf Roboter setzen, sog. Cobots.

Darf Kollege Roboter zwischen Exponaten wischen und saugen?

Auch im Reinigungsgewerbe werden zunehmend sog. Cobots eingesetzt, wobei das Wort die englischen Begriffe „Collaboration“ und „Robot“ kombiniert. Cobots sind speziell für die direkte Zusammenarbeit mit Menschen konzipiert, wobei Cobots wiederkehrende, monotone Aufgaben selbstständig übernehmen und so den Menschen entlasten. Das Besondere: Mensch und Cobot sind nicht durch Schutzeinrichtungen voneinander getrennt, sondern arbeiten direkt mit- und nebeneinander. Um Verletzungen beim menschlichen Kollegen zu verhindern, verfügen diese speziellen Roboter über eine Vielzahl eigener Sensoren, die die Maschine automatisch abschalten, wenn sie Hindernisse berührt. In der Automobil- und der Elektronikbranche werden Collaborative Robots bereits seit den 1990er Jahren eingesetzt und sind mittlerweile auch in Logistik, Chemie- und Pharmabetrieben, der Lebensmittelindustrie und auch dem Militär anzutreffen.
In vielen Hotels, Geschäften und Büros mit großen Bodenflächen übernehmen Cobots inzwischen Wisch- und Saugaufgaben. Das ist auch in Archiven, Bibliotheken und Museen möglich, zumal die moderne Sensortechnik Zusammenstöße mit Architektur, Ausstattung und sonstigen „Hindernissen“ wie zum Beispiel Vitrinen, Skulpturen oder anderen Exponaten verhindert. Während interne Sensoren ständig kontrollieren, ob das Gerät optimal läuft, sammelt der Cobot während der Reinigung zudem eine Reihe von Daten, anhand derer er seine Leistung ständig verbessert. Dank einer KI-basierten Kartierung „weiß“ der Cobot, wo bereits gereinigt ist und was noch zu tun ist. Bei größeren Bedarfen können mehrere Geräte miteinander vernetzt werden, um gleichsam als Flotte noch effizienter und zeitsparender zu arbeiten. Während die größeren Modelle „Fläche machen“, erreichen die kleineren Cobots auch versteckte Stellen. Bei langen Laufzeiten können Cobots ohne Pause und zu jeder Tages- und Nachtzeit arbeiten, sodass Urlaubs- oder Krankheitstage wegfallen. Die Geräte gehen sparsam mit Wasser oder Reinigungsmittel um und ihre Leistung kann genau aufgezeichnet werden. Nach dem Einsatz kehren Cobots selbstständig an ihren Standort zurück, zum Beispiel zur Ladestation.
Cobots oder Collaborative Robots gelten als eine der wichtigsten Zukunftstechnologien der nächsten Jahre. Da zum einen davon auszugehen ist, dass die Fähigkeiten der Maschinen immer weiter verbessert werden, und zum anderen die Verknappung an Fachkräften voranschreiten dürfte, sind auch Kulturbetriebe gut beraten, sich mit dem Einsatz von Cobots zu befassen. Neben der reinen Arbeitsleistung sind aber auch Fragen der Versicherung zu klären. Während hierzulande zum Beispiel das Vitra Design Museum dem Thema Robotik die Ausstellung „Hello, Robot. Design zwischen Mensch und Maschine“ (2022/23) widmete, setzte das Deutsche Museum in München seinen „Candybot“ bislang nur zum Verschenken von Süßigkeiten ein – selbstredend im Auftrag der Bildung. (Anm. 3) In Südtirol ist man da schon weiter: Das in Bozen beheimatete Südtiroler Archäologiemuseum, in dem der weltweit bekannte Ötzi aufbewahrt wird, begegnet dem Personalmangel durch den Einsatz von Cobots. Mit Blick auf den schonenden Umgang mit Ressourcen und um dem Personalmangel zu begegnen, stellt Direktorin Elisabeth Vallazza fest: „Wie hoch ist der Altersdurchschnitt Ihrer Belegschaft? Fest steht, in den nächsten 10 bis 20 Jahren werden sich große personelle Abgründe vor uns auftun, dafür reicht ein Blick auf die Demografie Mitteleuropas. Der sich schon jetzt abzeichnende Personalmangel zwingt uns dazu, die menschliche Arbeitskraft mit immer mehr Bedacht einzusetzen. Seit einigen Monaten zieht der erste industrielle Staubsaugerroboter im Südtiroler Archäologiemuseum seine abendlichen Runden. Und er wird nicht der einzige bleiben.“ (Anm. 4)

Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Sophia Karwinkel, Wie modern arbeiten deutsche Museen, in: Kultur Management Network, 13.01.2020; Quelle: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Studie-zu-Arbeitsformen-und-prozessen-Wie-modern-arbeiten-deutsche-Museen ,4076; Abfrage: 06.08.2024
Anm. 2: Vgl. Onlineportal KulturBewahren; https://www.kulturbewahren.de/services/stellen/ ; Abfrage: 07.08.2024
Anm. 3: Vgl. Petra Einertshofer, Wie unser Cobot ins Museum kam, in: UNIVERSAL ROBOTS, 06.08.2020; Quelle: https://www.universal-robots.com/de/blog/wie-unser-cobot-ins-museum-kam/ ; Abfrage: 07.08.2024
Anm. 4: Elisabeth Vallazza, Klimasünder Museum?, in: MO – Museumsbund Österreich, 03.06.2024; Quelle: https://www.museumsbund.at/museumspraxis/klimasuender-museum ; Abfrage: 07.08.2024

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb zwei 2024, S. 54-55.

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