Archive, Bibliotheken, Museen u.a. kulturbewahrende Einrichtungen sind als Orte der geistigen Auseinandersetzung unersetzlich. Zugleich sind sie aber auch wirtschaftliche Betriebe, die danach beurteilt werden, wie sie es mit der Nachhaltigkeit halten. In der Praxis bieten sich viele Möglichkeiten, um ökologischer zu wirtschaften. Das Magazin KulturBetrieb stellt in dieser Rubrik regelmäßig die eine oder andere Lösung aus großen und kleinen Häusern vor, meist positive, gelegentlich auch negative. Ein irritierendes Beispiel liefert die Stadt Leipzig.
Wenn Anspruch auf Wirklichkeit trifft
Im Mai 2018 hat der Stadtrat mit deutlicher Mehrheit das Stadtentwicklungskonzept „Leipzig 2030“ beschlossen. Ein zentraler Baustein der auf Wachstum setzenden Kommune ist der Schutz von Klima und Umwelt. Um ein positives Zeichen zu setzen, hat der Stadtrat im Oktober 2019 dem Rathaus die Vorgabe gemacht, fortan nur noch Fahrzeuge mit Elektromotor anzuschaffen. Über zu begründende Ausnahmefälle entscheidet der Stadtrat. Aber immer wieder scheitert die Selbstverpflichtung zum E-Auto an der Realität. Nach elf Jahren im Dienst soll der Ford Transit, den die städtischen Museen u.a. für Transporte nutzen, durch einen neuen Wagen ersetzt werden. „Kulturbürgermeisterin Skadi Jennicke (Linke) beantragte allerdings kein E-Fahrzeug, sondern nur einen Hybrid. Grund: Die reinen E-Transporter (…) kosteten zu viel und hätten zu geringe Reichweiten. Zudem sei das bundesweite Ladenetz noch zu lückenhaft. `Die Hinfahrt bzw. Heimfahrt nach Leipzig ohne eine Ladevorgang wäre überwiegend komplett ausgeschlossen. (…) Denn von den 19000 Kilometern, die der Transporter im Jahr für die Museen zurücklegt, entfielen immerhin 92 Prozent auf Fernfahrten, nur 8 Prozent seien Stadtfahrten. Letztere solle der Hybrid elektrisch zurücklegen. (…) Die Grünen überzeugte Jennickes Argumentation gleichwohl nicht. `Es geht hier nicht um ein Spezialfahrzeug wie für die Stadtreinigung oder die Feuerwehr, sondern um einen Transporter mit dem man im Bundesgebiet Kunstgegenstände abholen kann.´ Im Übrigen existierten durchaus Modelle, die – nicht wie von der Verwaltung behauptet – mit einer Akkuladung nur 186 Kilometer weiter kommen, sondern bis zu 421 oder 350 Kilometer zurücklegen können. Man müsse auch die Frage stellen können, `ob es den Mitarbeitenden der städtischen Museen oder der Einrichtungen, für die dieser Transporter angeschafft werden soll, nicht zumutbar wäre, zwischendurch an eine Ladesäule zu fahren.´ In Leipzig werden oft Ausnahmen von der Selbstverpflichtung zu mehr Nachhaltigkeit beantragt – „mal für die Wahlbeamten, mal für die Bauhöfe, mal für die Feuerwehr, mal für die Stadtreinigung und jetzt eben für die Museen.“ (Anm. 1)
Mit knapper Mehrheit (28 zu 24 Stimmen) hat der Leipziger Stadtrat für die Anschaffung eines Hybrid-Fahrzeuges votiert.
Ist Leipzig `überall´?
Kultureinrichtungen wähnen sich nicht selten als prädestiniert für den Erhalt eines einzigartigen Erbes. Neben den Kunst- und Kulturgütern subsummieren sie darunter inzwischen auch den nachhaltigen Umgang mit Umwelt und Klima. Künftig wollen sie – so der Deutsche Museumsbund – sogar das Umweltbewusstsein der Bevölkerung langfristig schärfen. (Anm. 2) Mit Blick auf das Leipziger Beispiel fragt man sich, ob manche Kulturbetriebe überhaupt willens sind, für eine verbesserte Energiebilanz alle CO2-relevanten Handlungsfelder zu identifizieren und konsequent zu optimieren?
Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb
Anm. 1: Klaus Stauebert, Immer wieder Ärger im Rathaus um E-Autos, in: Leipziger Volkszeitung, 21. Mai 2021.
Anm. 2: Vgl. Initiative für mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in Museen: Deutscher Museumsbund übernimmt Leitung der Arbeitsgruppe, in: Pressemitteilung vom 28.05.2021; Quelle: www.museumsbund.de ; Abfrage: 09.10.2021
Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2021, S. 76 f.