Da Museen, Galerien und Ausstellungshäuser im Dienst der Gesellschaft stehen, ist es ihnen ein Anliegen, Öffentlichkeit(en) zu erreichen, z.B. zu Studien-, Bildungs- und Unterhaltungszwecken. Ein Baustein im Rahmen der Ansprache potenzieller Besucherinnen und Besucher ist die Werbung. Ihr Kern ist es im Allgemeinen, Werbebotschaften über geeignete Werbemittel an die Zielgruppe(n) zu transportieren. Nun sollte man annehmen, dass es unseren Museen wichtig ist, ihre Botschaften möglichst weitreichend und zugleich zielgruppenspezifisch zu verbreiten. Während dies durch Social Media möglicherweise gelingt, kann man nur staunen, in welchen Printmedien manche Museen sich präsentieren, um Aufmerksamkeit zu generieren. Kriterien wie Effizienz, Reichweite oder Kostenbewusstsein, die zum Selbstverständnis öffentlich finanzierter Institutionen gehören sollten, spielen dabei vielfach offenbar keinerlei Rolle. Trotz oder wegen tatsächlicher oder behaupteter knapper Mittel scheint für diese Häuser das Motto zu gelten: „Das, was wir haben, können wir auch verpulvern!“ Wie ich darauf komme?
KUNSTZEITUNG erscheint nicht mehr!
Auf dem hiesigen Markt gibt es einige, aber nicht sonderlich viele Printmagazine, in denen es ausschließlich um Kunst und Kultur geht – ist ja letztlich eine Nische. Zu den größten und bekanntesten Special-Interest-Zeitschriften zählen art, Kunst:art, KUNSTFORUM International, KUNSTZEITUNG oder Zeitkunst, die vier bis zwölf Mal pro Jahr erscheinen und Auflagen von 10.000 bis rund 200.000 Exemplare haben. Eine relevante Reichweite – sofern man den Kultursektor nicht mit jener Armada an Fernseh- oder Lifestyle-Zeitschriften vergleicht, von denen manche eine Auflage bis zu 1,5 Millionen Exemplare erreichen.
Was aber aufhorchen lässt: Im Sommer 2023 ist die letzte Ausgabe der KUNSTZEITUNG erschienen. Was, eines der Schwergewichte unter den deutschen Printmagazinen ist Geschichte? Kaum vorstellbar, denn seit 1996 hat das Blatt monatlich und kostenfrei in mehr als 1.900 Museen, Kunstvereinen, Galerien, Universitäten, Buchhandlungen und Kultur-Institutionen ausgelegen. Was ist geschehen? Während der Corona-Jahre 2021/22 ist die Publikation seltener erschienen und ihr Umfang ist deutlich dünner geworden. Zum Jahreswechsel 2022/23 berichten Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid dann erstaunlich offen über Hintergründe und wirtschaftliche Probleme: „Die Pandemie machte uns einen Strich durch die Planung. Und weil wir, die Unartigen, auch gegenüber der Kulturstaatsministerin kritisch, aus dem „Neustart“-Etat mit keinem Euro gefördert wurden, steckten wir zunächst viel privates Geld in unsere KUNSTZEITUNG, die viel Zuspruch der Leser, aber zu wenige Anzeigen erhielt. Das konnten wir eine Zeitlang verantworten, weil wir – trotz der Widerstände – nicht kapitulieren wollten. (…) Verständnis hatten wir auch für im Lockdown geschlossene Museen, dass sie in dieser Zeit nicht inserieren mochten. Doch als sich die Türen wieder öffneten, schien es keineswegs so, als sei alles beim Alten. Im Gegenteil: Teils ernteten wir im Zuge der Anzeigen-Akquisition unfreundliche, rüde Absagen, wenn es überhaupt zum Feedback kam. (…) Man müsse sparen, und da sei eben intern der Werbeetat zuerst gekürzt worden. (…) So stellten wir vor einiger Zeit um – und lassen die KUNSTZEITUNG nun vorerst im Zweimonatsturnus erscheinen, ohne verbindlich sagen zu können, ob und wann wir zum bewährten Vier-Wochen-Rhythmus zurückfinden können.“ (Anm. 1)
Im Juni / Juli 2023 vermelden Lindinger und Schmid dann das endgültige Aus – Ausgabe Nummer 306 ist die letzte: „Dass wir die KUNSTZEITUNG einstellen, hat mehrere Gründe. Aber im Wesentlichen geht es darum, dass wir es wirtschaftlich nicht mehr verantworten können, diese auflagenstarke Publikation herauszugeben.“ (Anm. 2)
Nabelschau & Hochglanz schlagen Inhalt & Reichweite!
Geht’s noch? Nun kann man mit Blick auf das Ende der KUNSTZEITUNG sagen, das sei freie Marktwirtschaft. Auch andere Magazine müssen ohne staatliche Finanzspritze mit den Folgen der Pandemie zurechtkommen. Das aber ist nur die eine Seite der Medaille. Die andere zeigt sich bei jenen Magazinen, in denen Museen trotz der Verwerfungen durch Corona, trotz steigender Energiekosten und trotz allgemeiner Teuerung weiterhin werben. Und dabei ist nicht die Rede von jenen Lokalblättchen, die wöchentlich kostenfrei „an alle Haushalte“ verteilt werden. Die Rede ist vielmehr von Magazinen, die zum beiläufigen Blättern anregen wollen und – ganz im Stile sog. Coffee Table Books – dem Zeitvertreib des Gastes dienen. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden! Wer freut sich nicht, die Wartezeit im Vorzimmer der Museumsleitung durch aufwändig gestaltete Hochglanzbilder und harmlose PR-Texte der in den Magazinen präsentierten Museen und Ausstellungshäuser zu verkürzen? Ach, wie hübsch! Kannte ich bislang noch nicht! Könnte ein nettes Ausflugsziel sein … Relevanz der Texte? Na ja, wohl eher eine eingängige Begleitmusik auf die ausgedehnten Bildstrecken. Aber auch dagegen ist im Grunde nichts einzuwenden.
Während die Museumsleitung barmt, verpulvert das Marketing die Kohle
Was dagegen Kopfschütteln und Fassungslosigkeit auslöst, ist der Umstand, dass es hierzulande immer noch erstaunlich viele Museen gibt, die in Hochglanzpostillen werben, denen es nicht nur an inhaltlicher Substanz mangelt, sondern vor allem an werblicher Effizienz! Solange Geld keine Rolle spielte, konnte man sagen „Wen kümmerts?“ Diese Zeiten aber sind ja angeblich vorbei. Allerorten klagen öffentliche Kulturbetriebe darüber, dass die Kosten für Energie, Unterhalt und Personal sowie für externe Beschaffungen und Dienstleistungen schneller steigen als die Budgets. Dass man Besuchszeiten verkürzen und einzelne Abteilungen vorübergehend schließen müsse und künftig weniger Wechselausstellungen machen könne. Viele warnen vor einer Verödung des kulturellen Lebens und manche sehen gar eine Schließungswelle kommen. Mit Blick auf diese dramatischen Szenarien sollte man annehmen, dass die Häuser genau abwägen, für was sie ihr knappes Geld ausgeben und darauf achten, dass die verausgabten Gelder möglichst effizient eingesetzt werden.
Aber nein: Während eine Publikation wie die KUNSTZEITUNG, die mit Auflage und Substanz überzeugt(e), mangels Anzeigenkunden schließen muss, geben Museen gleichzeitig ihr angeblich knappes Geld an Blätter, deren Effizienz bezüglich der Erreichung des Zielpublikums offenkundig minimal ist.
Aufwändiger Auftritt für überwiegend irrelevante Empfänger
Der hiesige Markt an Special-Interest-Zeitschriften, in denen es ausschließlich oder überwiegend um Kunst und Kultur geht, ist übersichtlich. Umso mehr sollte man annehmen, dass die Marketingbeauftragten der Museen die Pflicht und die Zeit haben, sich ganz genau anzuschauen, welche Gegenleistung sie für ihr Geld bei welchem Medium erhalten. Bei einigen dieser Magazine ist das erstaunlich wenig; sie kommen zwar mit aufwändig gestalteten Strecken großformatiger Hochglanzfotos von Museen und anderen kulturellen Destinationen daher, die mit klassischen PR-Texte abgeschmeckt sind, aber ihre Auflage und ihre effektive Reichweite mit Blick auf potenzielle Besucherinnen und Besucher sind verschwindend gering. Je nach beabsichtigter Wirkung muss man also genau analysieren, welches Medium das bestgeeignete ist.
Nehmen wir vorliegende Zeitschrift KulturBetrieb. Das Magazin erscheint zwei Mal pro Jahr mit einer Auflage von jeweils 2.000 Exemplaren. Diese werden zu rund 98% an Museen, Archive, Bibliotheken und Fachunternehmen versendet – kostenlos. Der „Rest“ geht z.B. an das Publikum von Fachtagungen. Trotz kleiner Auflage ist der bundesweite Verteiler sinnvoll, denn KulturBetrieb ist kein Publikumsmagazin, sondern ein sog. Business-to-Business bzw. B2B-Format.
Ganz anders verhält es sich mit sog. Publikumszeitschriften, also jenen Magazinen, die sich direkt an potenzielle Besucherinnen und Besucher von Museen und Ausstellungshäusern wenden. Wenn der Verbreitungsanspruch eines solchen Formates ein bundesweiter ist, sind eine hohe Auflage und entsprechende Distributionswege zwingend. Wo aber bleibt der besucherorientierte Werbeeffekt, wenn große Kontingente der bescheidenen Auflage gar nicht an potenziell zahlende Besucher gehen, sondern als Coffee-Table-Book auf dem Beistelltischchen in den Direktionsvorzimmern anderer Museen landen? Klar, mit einem dekorativen Blickfang kann man den geschätzten Kolleginnen und Kollegen zeigen, was für bezaubernde Häuser man leitet und was für tolle Ausstellungen man selbst so macht, aber ist das Sinn und Zweck der Sache? Darf man für derart eitle Selbstbespiegelung auch nur einen Euro Steuergeld „verbraten“, während nur ein Teil der Druckauflage potenziell an den eigentlichen Adressaten gelangt? Keine Frage, auch kleine Auflagen haben ihre Berechtigung. Zum Beispiel dann, wenn sie sich an eine exakt definierte Gruppe einzelner Empfänger richten, die sich im Zweifel auch weit verstreut aufhalten können, oder wenn die Auflage nach dem Gießkannenprinzip eine mit Bedacht ausgewählte kleine Region abdecken soll.
Geschenkt ist noch zu teuer!
Aber welcher Marketingbeauftragte glaubt ernsthaft daran, dass Werbung in Printmagazinen, die sich mit 2.000 bis 3.000 Exemplaren potenziell an ganz Deutschland richten, Aufmerksamkeit erzielt und Besuche generiert? Selbst, wenn ein solches Magazin nur die zehn bis 15 Prozent der Deutschen ansprechen sollte, die hierzulande hin und wieder Museen und Kulturbetriebe besuchen, (Anm. 3) wäre die „Zielgruppe“ immer noch acht bis zwölf Millionen Personen groß. Der Streuverlust ist gigantisch! Darf man bei dieser „Verbreitung“ – oder sollte man nicht eher von „Vereinzelung“ sprechen – noch wohlwollend von medizinisch-homöopathischer Anwendung sprechen? Oer ist das nicht vielmehr ein erschreckend sorgloser Umgang mit Steuergeldern und haushaltsjuristisch zumindest grenzwertig? Selbst wenn die Werbefläche in einem dieser Blätter für 500 Euro zu bekommen ist, darf bezweifelt werden, ob diese Investition ihr Geld wert ist. Wohl eher gilt auch hier die kölsche Erkenntnis: „Dreimol Null es Null, bliev Null!“ Hier einige Merkmale, die Mediaplaner mit Blick auf die Wirtschaftlichkeit vor der Beauftragung von Printmagazinen zwingend überprüfen sollten:
• Druckauflage: Wie viele Exemplare werden insgesamt gedruckt?
• Verbreitete Auflage: Wie viele Exemplare werden verteilt bzw. verkauft?
• Leserschaft: An welche Zielgruppen gehen die Exemplare?
• Distribution: An welchen Orten werden die Exemplare verteilt bzw. zum Kauf angeboten?
• Relevanz: Wie verhält sich die bundesweite Verteilung eines Magazins zur Strahlkraft eines Hauses? • Aktualität: In welcher Zeitspanne werden die Exemplare verkauft bzw. verteilt?
Geringes Budget? Es gibt Alternativen!
Auf Effizienz achtende Werbeexperten in Museen lassen sich nicht von hochglänzenden Bildstrecken blenden, sondern sie fragen nach Auflage, Reichweite und zielgruppenspezifischer Verbreitung. Dies sollte eigentlich selbstverständlich sein. Aber mit Blick auf das Aus der weitreichenden KUNSTZEITUNG und der gleichzeitigen Blüte mancher Mauerblümchen, die letztlich nur der Nabelschau der Insider dienen, kommen Zweifel auf. Ist den Verantwortlichen in immer noch erstaunlich vielen Museen eigentlich bewusst, was sie tun? Klagen die in ihren Dienstsitzungen nur pro forma über zu geringe finanzielle Ausstattung, um anschließend an ihren Schreibtischen Aufträge zu erteilen, die zwar nicht die Welt kosten, aber eben auch so gut wie nichts bringen? Dabei gibt es reichlich Alternativen! So kann es z.B. zielführender und nachhaltiger sein, Vertreter lokaler Medien (Print, Online, Hörfunk und TV) oder regionale Influencer einzuladen, um sie im persönlichen Gespräch bei Kaffee und Kuchen mit interessanten Geschichten und weiterführenden Einblicken hinter die Kulissen zu versorgen. Das schafft nicht nur Verbundenheit, sondern erschließt auch ganz neue Multiplikatoren und Zielgruppen. Es ist allerdings auch viel mehr Arbeit, als per Mail einen PR-Text und ein paar hochglänzende Bilder zu versenden …
Oder sollte es am Ende doch so sein, wie Lindinger und Schmid in der letzten Ausgabe der KUNSTZEITUNG vermuten: „Tatsache ist nämlich, dass Museen und andere Institutionen, von Ausnahmen abgesehen, mittlerweile weniger werben, wohl auch weniger werben müssen. Denn waren die Häuser früher an einer hohen Besucherquote interessiert, sehen sie nun, dass die Trägerschaft mittlerweile zufrieden ist, wenn der Betrieb irgendwie läuft, egal, was veranstaltet, was erreicht wird. Eine Verflachung im Programm, passend zur allgemeinen Verflachung in der Wahrnehmung. Wisch und weg – die Digitalgeneration mag sich nicht mehr tief in die Themen beugen. Headline, Porträtfoto, Bildtext – sie scheinen zu genügen. Ein Drama.“ (Anm. 4)
Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb.
Anm. 1: Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid, … spontan Notiertes, in: KUNSTZEITUNG, Dezember 2022 / Januar 2023, S. 2.
Anm. 2: Gabriele Lindinger und Karlheinz Schmid, Unwiderruflich: Diese KUNSTZEITUNG ist die letzte Ausgabe, in: KUNSTZEITUNG, Juni / Juli 2023, S. 2.
Anm. 3: Vgl. Björn Thümler, Museumspolitik ist Standortpolitik, in: Matthias Dreyer und Rolf Wiese (Hrsg.), Den Museumsstandort entwickeln und stärken. Impulse, Strategien und Instrumente (Schriften des Freilichtmuseums am Kiekeberg; Bd. 100), Ehestorf 2020, S. 14.
Anm. 4: Lindinger und Schmid, Unwiderruflich, a.a.O.
Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2023, S. 82 f.