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"Museen sind im urbanen Kontext mit die größten Energieverbraucher"

Energiekrise fordert Umdenken bei Bau und Betrieb kultureller Einrichtungen

Während der Deutsche Kulturrat im Gestrigen „Mehr! Mehr! Mehr!“ verharrt und reflexhaft nach mehr Geld ruft, suchen verantwortungsbewusste Kulturmanager/innen nach energie- und ressourcensparenden Lösungen, die über die Engpässe von heute hinausreichen, um auch Morgen einen angemessenen Betrieb von Archiven, Bibliotheken, Museen u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen zu ermöglichen. (Anm. 1) Eine dieser umsichtigen Stimmen ist die des Präsidenten der Kulturpolitischen Gesellschaft e.V. In seiner Stellungnahme »Die Energiekrise ist auch eine Kulturkrise« ruft Tobias Knoblich dazu auf, „den Anlass zu nutzen, um auch mittel- und langfristige Lösungen zum ökologisch nachhaltigen Energie- und Gasverbrauch umzusetzen sowie an der Resilienz des Kulturbereichs zu arbeiten. (…) Kulturausgaben und andere sogenannte freiwillige Aufgaben der öffentlichen Hand sind besonders gefährdet bei einer sich abzeichnenden Krise der kommunalen Haushalte, könnten aber selbst bei vollständiger Einsparung die Haushalte nicht in Ansätzen retten. Daher gilt es, einen Rahmen zu setzen, der unverhältnismäßige Härten verhindert und gerade in der Krise das gesellschaftliche Leben schützt. Zugleich aber sind auch vom Kulturbereich Krisenbeiträge einzufordern, er kann keinen pauschalen Schutzschirm reklamieren: Krisen müssen wir gemeinsam bewältigen.“ (Anm. 2)

Risiko- und evidenzbasierte Lösungsvorschläge sind gefragt!

Flankiert werden die Kulturbetriebe auf diesem Weg von Kulturstaatsministerin Roth, die einerseits zum Energiesparen auffordert und zugleich finanzielle Mittel „zielgerichtet nutzen [will], um den öffentlichen und privaten Kultureinrichtungen bei der Bewältigung der rapide steigenden Energiekosten zu helfen.“ (Anm. 3) Auf den Weg gemacht hat sich auch der Deutsche Museumsbund e.V. Dessen „Handlungsempfehlungen“ sehen grundsätzlich u.a. vor, Mitarbeiter/innen und Besucher/innen für die Notwendigkeit zur Energieeinsparung zu sensibilisieren und ein konsequentes Monitoring des Energieverbrauchs einzuführen. Die Empfehlungen reichen von der Absenkung von Raumtemperaturen, über das Außerbetriebsetzen von Duschräumen oder jahreszeitlich angepassten Klimaregelungen bis hin zu mehr Einsatz von Tageslicht sowie mobiler Arbeit bzw. Homeoffice. (Anm. 4) Darüber hinaus heißt es, dass DMB, Verband Deutscher Restauratoren e.V. (VdR), Doerner Institut und Rathgen-Forschungslabor prüfen, ob man den Korridor von Temperatur und relativer Luftfeuchtigkeit bei der Klimatisierung in Museen erweitern kann – stets mit Blick auf die Divergenz der zu bewahrenden Exponate bzw. Deponate. Stefan Simon vom Rathgen-Forschungslabor: „Museen sind im urbanen Kontext mit die größten Energieverbraucher – und das passt nicht in die Zeit, weder in die des Klimawandels noch in die des Energienotstands. Momentan werden vom Museumsverband ICOM eine Luftfeuchtigkeit von 50 Prozent und eine Raumtemperatur von 20 Grad empfohlen. Doch diese Vorgaben orientierten sich mehr am technisch Möglichen als am konservatorisch Nötigen, so Simon. Ein Feuchtekorridor von 40 bis 60 oder 35 bis 65 Prozent wären beispielsweise auch möglich. Simon plädiert für risiko- und evidenzbasierte Vorschläge: „Wir können uns nicht mehr nur an irgendwelchen apodiktisch verkündeten Feuchtekorridoren entlang hangeln. Wir brauchen Museen, in denen das Gebäude an sich Feuchte und Temperatur gut regeln und gut ausbalancieren kann und nicht auf große Maschinen und große Technik angewiesen ist. Das ist das Konzept des 20. Jahrhunderts.“ (Anm. 5)

Straßburg verringert Öffnungszeiten von Museen

Nicht nur in Deutschland suchen Kulturbetriebe händeringend nach Lösungen, um der steigenden Energiekosten Herr zu werden. „Straßburg will angesichts der Energiekrise die wöchentliche Schließung seiner Museen verlängern. Statt wie bislang an einem Tag sollen je nach Institution zusätzlich entweder der Mittwoch oder Donnerstag geschlossen bleiben. Außerdem sollen die Einrichtungen täglich von 13.00 bis 14.00 Uhr schließen. Die Maßnahme ist vom 3. Oktober an für die acht städtischen Museen geplant, darunter das Museum für moderne und zeitgenössische Kunst, das Kunstgewerbemuseum und das Tomi-Ungerer-Museum. Im Gegenzug sollen die Eintrittspreise nicht erhöht werden.“ (Anm. 6) Bereits im April 2022 hat Frankfurt am Main für einige städtische Museen die Öffnungszeiten verkürzt, um das durch die Corona-Pandemie vergrößerte Haushaltsloch etwas zu verkleinern. (Anm. 7) Auch vor diesem Hintergrund geht in Deutschland die Sorge vor möglichen Schließungen von Museen um. In einem offenen Brief vom 2. August 2022 warnt die Arbeitsgemeinschaft Museen in Bayern vor unpopulären Maßnahmen wie Schließungen und bittet die Träger der Einrichtungen um „einen maßvollen Umgang bei den kommenden Entscheidungen und Maßnahmen zur Reduktion unserer energetischen Haushalte – insbesondere auch um Schonung kleiner Häuser, die ohnehin schon am Limit arbeiteten. Das bedeutet, den Geldhahn nicht weiter zudrehen, sondern unterstützen: investieren in energiesparende Beleuchtung und gegebenenfalls in moderne Heiz- und Kühlsysteme.“ (Anm. 8)

Wasser predigen und Wein trinken?

Unter EU-Abgeordneten mehren sich parteiübergreifend die Stimmen, dass man den Bürgern nicht nur mit Zumutungen bezüglich des Einsparens von Energie kommen dürfe, sondern selbst mit gutem Beispiel voran gehen müsse. Greifbar werde das am EU-Parlament. Das parallele Vorhalten der kompletten Funktionsfähigkeit der Parlamentssitze in Straßburg und Brüssel und der monatliche „Wanderzirkus“ zwischen beiden Standorten sollen bis Frühjahr 2023 ausgesetzt werden. Die Kosten für die permanente Zweigleisigkeit sind horrende: Schon vor acht Jahren sind für Personal, Unterhalt der Infrastruktur und Reisen rund 114 Millionen Euro angefallen – pro Jahr. Inzwischen dürfte es teurer geworden sein. Es wird erwartet, dass Roberta Metsola, Präsidentin des Europäischen Parlaments, sich mit der Frage der vorübergehenden Aussetzung des Pendelverkehrs befassen werde. (Anm. 9)

Krise als Chance: Mehr Resilienz ausbilden!

Kulturbetriebe stellen keine sog. kritischen Infrastrukturen dar, können jedoch soziale Bindungskräfte stimulieren. Umso wichtiger ist es, dass sich Archive, Bibliotheken, Museen u.a. kulturbewahrende Einrichtungen – gerade mit Blick auf ihre künftige gesellschaftliche Relevanz und Akzeptanz – in der Krise solidarisch zeigen. „Die Bewältigung der Energiekrise sollte zum Nachdenken über weitergehende und zu mehr Nachhaltigkeit führende Transformationen im Kulturbereich genutzt werden. Zwar müssen wir jetzt schnell, aber nicht kopflos handeln. Die Grundzüge von Veränderungs- und Umbaubedarfen sind bekannt und stellen eine Grundlage für Transformationsprozesse dar. Es steht anzunehmen, dass Krisen künftig nicht die Ausnahme, sondern die Regel sein werden. Wir müssen daher unseren Begriff von Normalität neu skalieren und mehr Resilienz ausbilden. Neben den geforderten Unterstützungsleistungen ist es folglich auch notwendig, etablierte Praktiken zu hinterfragen, Verhalten und Gewohnheiten zu verändern und neue kulturelle Narrative eines gesellschaftlichen Wohlstands zu schaffen.“ (Anm. 10)

Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Vgl. Berthold Schmitt, In der Energiekrise zählt jeder Euro? Bei manchen Museen nicht! In vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Anm. 2: Tobias Knoblich, »Die Energiekrise ist auch eine Kulturkrise«, 07.09.2022; Quelle: kupoge.de/wp-content/uploads/2022/09/Pressemitteilung.pdf; Abfrage: 07.09.2022
Anm. 3: Vgl. Steigende Energiepreise: Claudia Roth fordert Kulturbetrieb zum Energiesparen auf, in: ZEIT ONLINE, dpa, 21.07.2022 sowie Entlastungspaket: Roth will Kultureinrichtungen bei steigenden Energiekosten unterstützen, in: Leipziger Volkszeitung, 06.09.2022
Anm. 4: Vgl. Energieeinsparungen: Jetzt praktische Handlungsempfehlungen umsetzen, in: Deutscher Museumsbund e.V., 22.08.2022
Anm. 5: Wie Museen Energie einsparen können, in: Deutschlandfunk Kultur, 20.08.2022; Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/wie-museen-energie-einsparen-koennen-100.html ; Abfrage: 06.09.2022
Anm. 6: Sparmaßnahme: Straßburg will wegen Energiekrise Museen zwei Tagen pro Woche schließen, in: SWR2, 05.09.2022; https://www.swr.de/swr2/kunst-und-ausstellung/kulturmeldung-strassburg-reduziert-museumsbetrieb-um-energie-zu-sparen-100.html ; Abfrage: 06.09.2022
Anm. 7: Vgl. Berthold Schmitt, Reduzieren! Nicht nur aus ökologischen Gründen!, in: KulturBetrieb, eins 2022, S. 37 f.
Anm. 8: Warnung vor Einsparungen: Museen sind „systemrelevant“, in: BR24, 02.08.2022; Quelle: https://www.br.de/nachrichten/kultur/warnung-vor-einsparungen-museen-sind-systemrelevant ,TDLmGzs; Abfrage: 06.09.2022
Anm. 9: Matthias Reiche, EU-Parlament: Energieverschwendung in Millionenhöhe, in: SWR Wissen, 26.08.2022; Quelle: https://www.swr.de/wissen/umweltnews/eu-parlament-energieverschwendung-in-millionenhoehe-100.html ; Abfrage: 06.09.2022
Anm. 10: Knoblich, a.a.O.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, zwei 2022, S. 40 f.

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