Aufgrund stark gestiegener Preise sind Wirtschaft und Privathaushalte gehalten, den Energieverbrauch zu drosseln. Tatsächlich werden seit dem 1. September 2022 u.a. öffentliche Gebäude nur noch bis 19 Grad geheizt und Effektbeleuchtungen von Gebäuden ausgeschaltet, Schaufenster sind nachts unbeleuchtet und Ampeln bleiben dunkel. Erste Hallenbäder sind bereits dicht und der Deutsche Landkreistag hält selbst das zeitweise Schließen von Freizeit- und Sportstätten für denkbar. (Anm. 1) Auch Archive, Bibliotheken, Museen und andere kulturbewahrende Einrichtungen, die sich vielfach noch nicht von den finanziellen Einbußen der Corona-Pandemie erholt haben, sind von den steigenden Kosten für Energie betroffen.
Kosten steigen, Museen schließen und entlassen Personal
Allein für den Bereich der Museen wird hierzulande mit einer signifikanten Mehrbelastung von mindestens 100 Millionen Euro für 2023 sowie zusätzlichen Belastungen in den kommenden Jahren gerechnet. (Anm. 2) Aufgrund gestiegener Kosten machen erste Museen vorübergehend zu. So teilt z.B. die Stadt Naumburg im Dezember 2022 mit, ihre Museen für ein Vierteljahr zu schließen und im Frühjahr wieder zu öffnen. Im französischen Strasbourg werden in acht städtischen Museen die Öffnungszeiten verkürzt, um die Eintrittspreise nicht erhöhen zu müssen. Dänische Museen haben neben temporären Schließungen sogar die Entlassung von Personal angekündigt und in Ungarn schließen einige staatliche Museen während des Winters. Ähnlich in Großbritannien: „Theatres, museums, castles and other heritage sites are making staff redundant, turning down the heating, shutting rooms to the public and closing early. The findings come from research that shows nine in 10 such sites across the UK now fear for their future.“ (Anm. 3)
Klimakorridor darf erweitert werden
Kulturbetriebe verfügen über einige Stellschrauben, um den Energieverbrauch zu drosseln. Am einfachsten geht dies in den Büros und Sozialräumen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Kompliziert kann es dagegen in Sammlungen und Ausstellungsräumen werden, wo es auf das passende Verhältnis zwischen Luftfeuchtigkeit und Temperatur ankommt, um Kunst und- Kulturobjekte sachgerecht zu konservieren. In dieser Situation empfiehlt der Deutsche Museumsbund (DMB) einen erweiterten Klimakorridor einzuführen, als Notfallmaßnahme und unter bestimmten Bedingungen. Der Verband der Restauratoren (VDR), das Doerner Institut und das Rathgen-Forschungslabor tragen die Empfehlung mit. Bereits zuvor hat der DMB ein Bündel praktischer Handlungsempfehlungen vorgelegt, um in Museen und Ausstellungshäusern verstärkt Energie zu sparen. (Anm. 4)
Bund übernimmt Mehrkosten anteilig
Jenseits möglicher Kürzungen und temporärer Schließungen werden die Kulturbetriebe hierzulande finanziell entlastet – durch den Kulturfonds Energie des Bundes. Auf Antrag von Kulturstaatsministerin Roth hat der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages am 25. Januar 2023 beschlossen, bis zu eine Milliarde Euro bereit zu stellen, um Kultureinrichtungen und -veranstalter bei der Bewältigung der Krise zu unterstützen. Im Februar 2023 ist eine erste Tranche in Höhe von 375 Mio. Euro freigegeben sowie die rechtlichen und organisatorischen Voraussetzungen für den Programmstart erarbeitet worden. „Der Fonds soll Belastungen abfedern, denen Kultureinrichtungen und Kulturveranstaltende trotz Steuererleichterungen und Energiekosteneffekten ausgesetzt sind. Dazu werden durch den Fonds Mehrbedarfe bei den Energiekosten anteilig bezuschusst. (…) Antragsberechtigt sind private und öffentlich-rechtliche Kultureinrichtungen wie auch Kulturveranstaltende, sofern sie ticketfinanzierte Kulturveranstaltungen in geschlossenen Räumen durchführen, die nicht selbst als Kultureinrichtung förderfähig sind. Bei öffentlich finanzierten Einrichtungen bezuschusst der Bund mindestens 50 Prozent der Mehrbedarfe, die maximale Förderhöhe richtet sich nach der Höhe des regulären Bundesanteils der jeweiligen Einrichtung. Bei privaten Einrichtungen und soziokulturellen Zentren können bis zu 80 Prozent der Mehrbedarfe übernommen werden. Bei Kulturveranstaltenden wird der Energiekostenmehrbedarf über einen Festbetrag pauschal gefördert, gestaffelt nach der Kapazität des jeweiligen Saales, in dem die Kulturveranstaltung stattfindet. (…) Zugleich sind Kultureinrichtungen angesichts der drohenden Gas- und Energiekrise weiterhin dazu aufgerufen, Energie zu sparen. Neben der Reduktion ihres Energieverbrauchs sind die Einrichtungen auch angehalten, zeitnah Krisenpläne zu erarbeiten. Ziel ist es, auch im Fall von Notfallszenarien Schließungen möglichst zu vermeiden.“ Der Förderzeitraum des Kulturfonds erstreckt sich rückwirkend vom 1. Januar 2023 bis zum 30. April 2024 (Ende der Gas-, Wärme- und Strompreisbremse). (Anm. 5)
NRW legt eigens Programm für bestimmte Energieträger auf
Der Kulturfonds Energie des Bundes richtet sich an Kulturbetriebe, die Gas, Fernwärme und Strom als Energieträger nutzen. Dagegen sind Öl oder Holzpellets zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgesehen. Auch deshalb Nordrhein-Westfalen, das zu den Bundesländern mit der höchsten Dichte an musealen Einrichtungen zählt, beschlossen, den Kulturfonds des Bundes im Jahr 2023 mit 90 Millionen Euro ergänzend zu finanzieren. Um aber zu erfahren, wie viele Kultureinrichtungen in Nordrhein-Westfalen mit Öl, Holzpellets oder anderen nicht vorgesehenen Energieträgern arbeiten, haben das zuständige Ministerium für Kultur und Wissenschaft und die Plattform kultur-klima einen Aufruf gestartet, an dem interessierte Häuser bis zum 13. Februar 2023 teilnehmen konnten. Die Umfrage war betont knapp. Zum einen wurde gefragt, womit ein Haus seinen Energiebedarf deckt (Gas, Strom, Fernwärme, Öl, Holzpellets oder Sonstiges) und zum anderen, wie der Name der jeweiligen Kultureinrichtung lautet. Ziele der kurzfristig geschaffenen und Anfang Januar 2023 gestarteten Plattform sind Koordination von Themen, Angeboten und Fragen rund um die aktuelle Energiepreiskrise; Sammlung, Aufbereitung und Bereitstellung von gezielten Fachinformationen; Vernetzungen der unterschiedlichen Kultursparten und der spezifischen Expertise der Landschaftsverbände sowie Vermittlung von Beratungsleistungen. Die Website kultur-klima ist ein Gemeinschaftsprojekt des Landes NRW sowie den Landschaftsverbänden Westfalen-Lippe und Rheinland. (Anm. 6)
Und schließlich in eigener Sache
KulturBetrieb begrüßt die neue Initiative aus Nordrhein-Westfalen und fühlt sich zugleich sehr geehrt, dass das Land Nordrhein-Westfalen bzw. die Landschaftsverbände Westfalen-Lippe und Rheinland sich offenbar bei der Namensfindung für ihre hoffentlich segensreiche digitale Plattform an der Rubrik „KulturKlima“ orientiert haben, die das Fachmagazin KulturBetrieb seit dem Jahr 2020 bereit hält.
Anm. 1: Vgl. Hohe Energiepreise: Kommunen warnen vor weiteren Abstrichen, in: Süddeutsche Zeitung, 23.08.2022.
Anm. 2: Vgl. Deutscher Museumsbund rechnet mit mindestens 100 Mio. Euro Energie-Mehrkosten für Museen, 30.11.2022, Quelle: https://www.museumsbund.de/deutscher-museumsbund-rechnet-mit-mindestens-100-mio-euro-energie-mehrkosten-fuer-museen/ ; Abfrage: 13.02.2023
Anm. 3: Vgl. Straßburg will wegen Energiekrise Museen länger schließen, in: Deutschlandfunk Kultur, 05.09.2022; Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/strassburg-will-wegen-energiekrise-museen-laenger-schliessen-100.html ; vgl. Dänischen Museen drohen Schließungen und Entlassungen, in: Der Nordschleswiger, 10.11.2022; Quelle: https://www.nordschleswiger.dk/de/daenemark-kultur/daenischen-museen-drohen-schliessungen-und-entlassungen ; vgl. Energie-Krise: Orbán schließt im Winter Museen – was macht Österreich?, in: Express, 13.09.2022; Quelle: exxpress.at/energie-krise-orban-schliesst-im-winter-museen-was-macht-oesterreich/ ; vgl. ‘It’s very tough’: UK castles, museums, theatres to close as energy prices hit, in: The Guardian, 31.12.2022; Quelle: https://www.theguardian.com/culture/2022/dec/31/uk-castles-museums-theatres-close-energy-prices ; alle Abfragen: 13.02.2023
Anm. 4: Vgl. Empfehlung zur Energieeinsparung durch die Einführung eines erweiterten Klimakorridors bei der Museumsklimatisierung, September 2022; Quelle: https://www.museumsbund.de/wp-content/uploads/2022/11/klimakorridor-fuer-sammlungsgut.pdf ; vgl. Energieeinsparungen: Jetzt praktische Handlungsempfehlungen umsetzen; Quelle: https://www.museumsbund.de/energieeinsparungen-jetzt-praktische-handlungsempfehlungen-umsetzen/ ; beide Abfragen: 13.02.2023
Anm. 5: Kulturfonds Energie startet im Februar 2023, in: Die Bundesregierung, Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/energiehilfen-fuer-kultur-2068786 ; Abfrage: 13.02.2023; zu den Krisenplänen vgl. Berthold Schmitt, Was bedeutet eigentlich … Blackout?, in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Anm. 6: www.kultur-klima.de/de/; Abfrage: 13.02.2023
Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2023, S. 62 f.