Stefan Simon, Direktor des Berliner Rathgen-Forschungslabors, nimmt kein Blatt vor den Mund: „Museen sind im urbanen Kontext mit die größten Energieverbraucher – und das passt nicht in die Zeit, weder in die des Klimawandels noch in die des Energienotstands. (…) Wir können uns nicht mehr nur an irgendwelchen apodiktisch verkündeten Feuchtekorridoren entlang hangeln. Wir brauchen Museen, in denen das Gebäude an sich Feuchte und Temperatur gut regeln und gut ausbalancieren kann und nicht auf große Maschinen und große Technik angewiesen ist. Das ist das Konzept des 20. Jahrhunderts.“ (Anm. 1) Inzwischen hat sich in vielen Kulturbetrieben sowie bei privaten wie öffentlichen Initiativen etwas getan, zu nennen wären z.B. das Aktionsnetzwerk Nachhaltigkeit oder Museums for Future (MFF). (Anm. 2) Der Deutsche Museumsbund (DMB) hat das Projekt „Klimaschutz und Nachhaltigkeit im Museum“ ins Leben gerufen und u.a. praktische Handlungsempfehlungen für das Einsparen von Energie formuliert. Zudem plädiert der DMB für einen erweiterten Klimakorridor – allerdings nur als Notfallmaßnahme und unter bestimmten Bedingungen. (Anm. 3) Nun nimmt sich auch der Freistaat Bayern der Sache an und richtet für seine nichtstaatlichen Museen die Projektstelle „Optionen von low-energy Klimatechnik in Depot und Museum“ ein.
Neues Denken, neue Konzepte, Best-Practice
Die Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen nimmt die von ihr betreuten Häuser in die Pflicht: „Nachhaltigkeit in Bau in Betrieb von Museen und deren Depots bedeutet auch, dass die Reduktion des CO2-Fußabdruck von Museen ein wesentlicher Bestandteil im Kontext der Bewältigung der Klimakrise bzw. dem Abwenden einer Klimakatastrophe zukommt. Dafür bedarf es eines neuen Denkens und neuer Konzepte für Betrieb und Bau von Museen und Depots, die zum Ziel haben müssen, die Eckpfeiler musealer Arbeit, Bewahren, Erforschung und Vermitteln des kulturellen Erbes, mit der konservatorischen Sicherheit des Kulturgutes und der energetischen Optimierung zusammenzubringen.“ Das auf zunächst vier Jahre angelegte Projekt fokussiert zwei Ziele: „Zum einen gilt es, technische wie auch organisatorische Best-Practice-Beispiele zu eruieren, zu erproben und in Leitlinien zusammenzufassen, die dazu beitragen können, den Betrieb von Museen und Sammlungsdepots energieeffizienter zu gestalten. Zum anderen sollen während der Projektlaufdauer Bau- und Umbaumaßnahmen von Museen und Depots Bau-physikalisch/energetisch beratend begleitet werden, um so einen energieeffizienteren Betrieb zu gewährleisten. Ziel muss es dabei sein, den Einsatz von und damit den Verbrauch von extern zuzuführender Energie zu minimieren bzw. – im Idealfall – auf 0 zu setzen, ohne dabei Abstriche an der konservatorischen Sicherheit in Kauf zu nehmen.“ Zentrale Aufgaben der mit 13 TV-L vergüteten und bis Anfang April 2023 ausgeschriebenen Stelle als Wissenschaftliche/-r Mitarbeiter/-in sind:
• Eruierung von Forschungs- und Sachstand; Aufnahme von Best-Practice-Beispielen
• Projektbezogene Beratung von Depotbauprojekten auf der Grundlage der neuen Erkenntnisse bzw. Weiterentwicklung in aktuellen Bauprojekten
• Eruierung von organisatorischen Optionen zur energetischen Optimierung des Museumsbetriebes
• Weitergabe der bauphysikalischen wie organisatorischen Erkenntnisse im Rahmen u. a. von Fortbildungen in der MuseumsPraxis-Reihe der LSt
• Durchführung von Workshops
• Abfassung von aussagekräftigen Handreichungen zu allen Bereichen
Mit Blick auf die (zunächst) befristete Dauer des Projektes „müssen alle Maßnahmen darauf ausgerichtet sein, dass mit Abschluss des Projektes alle Erkenntnisse in Form von Handreichungen zusammengefasst vorliegen, so dass sie in die museumsfachliche Beratung übernommen werden können.“ (Anm. 4) Bayern hat mehr als 1.200 Museen, d.h. im südlichsten Freistaat stehen rund 20 Prozent aller musealen Einrichtungen in Deutschland. Ein flächendeckender Erfolg des Projektes „low-energy Klimatechnik in Depot und Museum“ wäre deshalb deutlich mehr als nur ein Signal. Aber gleichzeitig hört man aus Berlin von einem noch ambitionierteren Vorhaben zum CO2-Abdruck in Kultur und Medien.
Zentrale Anlaufstelle „Green Culture“ geplant
So schleppend unsere Kulturbetriebe sich zunächst des Themas Nachhaltigkeit angenommen haben, so sehr erstaunen Menge und Vielfalt an Initiativen, die inzwischen entstanden sind. Im „Dschungel der grünen Optionen“ hat mancher bereits den Überblick verloren. Das sieht man offenbar auch bei der Bundesregierung so. Auf Einladung von Kulturstaatsministerin Claudia Roth sind am 18. November 2022 in Berlin Akteure aus der Kultur- und Medienbranche zusammen gekommen, um sich „über Möglichkeiten und Wege in einen klima- und ressourcenschonenden Kultur- und Medienbetrieb auszutauschen. Roth skizzierte in ihrem Eingangsstatement die Vielzahl an Maßnahmen, die zur nachhaltigen Entwicklung des Kunst-, Kultur- und Medienbetriebs nötig sind – vom ökologischen Umbau der Kultur- und Medieneinrichtungen bis zum vorausschauenden Klimaschutz. „Und um all diese notwendigen Maßnahmen koordinieren und rasch umsetzen zu können, hat mein Haus ein neues Referat für Kultur und Nachhaltigkeit eingerichtet mit dem Ziel, eine Kultur der Nachhaltigkeit zu stärken“, so Roth. „Ziel ist es, eine zentrale Stelle zu schaffen, die für Wissenstransfer sorgt, Best Practice-Beispiele gibt und Handlungsmöglichkeiten für eine nachhaltige Entwicklung im Kultur- und Mediensektor aufzeigt.“ (Anm. 5)
Bleibt zu hoffen, dass dieser „grüne“ Wettbewerb zwischen Bund und Ländern die Akteure in den kulturellen Einrichtungen dieser Republik beflügelt und nicht lähmt.
Anm. 1: Wie Museen Energie einsparen können. Stefan Simon im Gespräch mit Britta Bürger, in: Deutschlandfunk Kultur, 28.08.2022; Quelle; https://www.deutschlandfunkkultur.de/wie-museen-energie-einsparen-koennen-100.html ; Abfrage: 20.03.2023
Anm. 2: Vgl. Berthold Schmitt, Museen entdecken die Nachhaltigkeit. Nach schleppendem Beginn treten immer mehr Akteure auf den Plan, in: KulturBetrieb, eins 2022, S. 44 f.
Anm. 3: Vgl. Energieeinsparungen: Jetzt praktische Handlungsempfehlungen umsetzen; Link: https://www.museumsbund.de/energiekrise/ bzw. Der Klimakorridor ist erweitert! Und nun? Museen machen erste Erfahrungen mit der nicht mehr ganz so strengen Klimatisierung, in vorliegender Ausgabe von KulturBetrieb.
Anm. 4: Bayerisches Landesamt für Denkmalpflege (BLfD) / Landesstelle für die nichtstaatlichen Museen, Wissenschaftliche/-r Mitarbeiter/-in (m/w/d) für das Projekt „Optionen von low-energy Klimatechnik in Depot und Museum“; Quelle: https://www.blfd.bayern.de/mam/blfd/stellenangebote/wiss._mitarbeiter_lst.pdf ; Abfrage: 20.03.2023
Anm. 5: „Green Culture“-Veranstaltung in Berlin Roth: Aufbruch zu mehr Nachhaltigkeit in Kultur und Medien, in: Staatsministerin für Kultur und Medien, 20.11.2022; Quelle: https://www.bundesregierung.de/breg-de/bundesregierung/bundeskanzleramt/staatsministerin-fuer-kultur-und-medien/auftakt-green-culture-2144242 ; Abfrage: 20.03.2023
Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2023, S. 60 f.