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Kulturgut digitalisieren! Aber wie?

Wenn Digitalisierung zum Politikum wird

Die Digitalisierung von Kunst- und Kulturgut stellt Museen, Archive und Bibliotheken vor Herausforderungen, die u.a. technischer, organisatorischer, finanzieller und rechtlicher Natur sein können. KulturBetrieb stellt eine Auswahl wissenswerter und nützlicher Aspekte zum Thema vor. Hier der Blick auf einen konkreten Fall, der zeigt, dass Kulturbetriebe sich mit Blick auf den Gesamtprozess auch mit der Nachnutzung bzw. der (Nicht-)Kontrollierbarkeit von online gestelltem Kulturgut befassen sollten.

Reiss-Engelhorn-Museen (REM) vs. Wikipedia

Werke, deren Urheberrechtsschutz abgelaufen ist (i.d.R. 70 Jahre nach dem Tod des Autors), gelten als gemeinfrei – falls keine anderweitigen Ansprüche geltend gemacht werden. (Anm. 1) In Mannheim hat dieses „falls“ zu einer heftigen juristischen Auseinandersetzung geführt, die aktuell ausgetragen wird. Was ist geschehen? 2006 hatte ein deutscher Wikipedia-Nutzer neben anderen Fotografien auch die eines im REM aufbewahrten Gemäldes ins Netz gestellt, das den Komponisten Richard Wagner zeigt. Während die Rechte des Dargestellten (1813-83) und des Malers (Cäsar Willich, 1825-86) nicht zur Debatte stehen, klagen die REM bzw. ihr Träger, die Stadt Mannheim, auf Entfernung der Abbildung aus dem Netz. Die Mannheimer Museen erheben Anspruch auf die Bildrechte an dem Foto, das 1992 von einem angestellten Fotografen ihres Hauses gefertigt wurde. (Anm. 2) Diese Position kann z.B. dann geltend gemacht werden, wenn bei der Anfertigung einer Fotografie eine eigenständige gestalterische Leistung erbracht worden ist. (Anm. 3) Die Anwälte der REM haben nicht nur Wikipedia verklagt, sondern auch Nachnutzern mit Konsequenzen gedroht. Die Stadt Mannheim hatte bereits in früheren Fällen erfolgreich gegen die Verwendung des Wagner-Porträts geklagt. Im nun anstehenden Konflikt mit Wikipedia sind die REM zunächst gescheitert. Im Oktober 2015 hat das Amtsgericht Nürnberg die Klage vollumfänglich abgewiesen und eine Verletzung des Urheberrechtes verneint. Konkret entschied das Gericht: „Im Endeffekt werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit nach Ablauf der Schutzfrist von 70 Jahren umgangen. Indem die Klägerin durch eigene Fotografen eigene Lichtbilder fertigen lässt, begründet sie letztlich ein neues Schutzrecht mit einer Schutzdauer von weiteren bzw. neuen 50 Jahren gemäß § 72 Abs. 3 UrhG. Zur Überzeugung des Gerichts werden damit die Wertungen der Gemeinfreiheit umgangen. (…) In der genannten Entscheidung ging es allerdings lediglich um die rein technische Reproduktion zweidimensionaler Werke. Insoweit geht auch die ganz herrschende Meinung in der Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass die rein technische Reproduktion im Wege rein technischer Abläufe für zweidimensionale Vorlagen keinen Lichtbildschutz im Sinne von § 72 Abs. 1 UrhG erfährt.“ (Anm. 4) Nun ist die Klage gegen Wikipedia beim Landgericht Berlin anhängig.

Fraktion im Mannheimer Stadtrat will Umdenken erwirken

Aus Anlass der aktuellen Entwicklung hat nun die Fraktion der Partei Bündnis 90 Die Grünen einen Antrag für die Sitzung des Gemeinderats am 26.01.2016 gestellt, wonach der Rat beschließen möge: „Die Stadt Mannheim wirkt auf die Reiss-Engelhorn-Museen (REM) dahin gehend ein, dass die in den REM hergestellten Reproduktionen von urheberrechtsfreien Originalen grundsätzlich für gemeinfrei (gemeinschaftlich nutzbare Lizenz – Creative Commons) erklärt und der Öffentlichkeit für nichtkommerzielle Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Sollte dies aus rechtlichen Gründen nicht möglich sein, ermöglichen die REM Dritten die Produktion gemeinfreier Reproduktionen von urheberrechtsfreien Originalen.“ Zur Begründung dieses Antrages heißt es: „In einer Welt, in der zunehmend Wissen und Informationen online zur Verfügung gestellt wird, ist es sinnvoll, Reproduktionen von urheberrechtsfreien Originalen freizugeben. Das Internet lebt von öffentlich verfügbarem Wissen. Das Enden der Schutzfristen von Urheberrechten wird unsinnig, wenn über die Reproduktionen eine Verlängerung herbeigeführt wird. Um dem Ruf Mannheims nicht zu schaden, sollten ausstehende Gerichtsverfahren, die in diesem Zusammenhang von der Stadt, resp. den REM ausgelöst wurden, außergerichtlich beigelegt werden.“ (Anm. 5) Bei Redaktionsschluss lagen weder eine Entscheidung über diesen kulturpolitischen Antrag, noch Neues zur juristischen Klage Mannheim vs. Wikipedia vor.

Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Vgl. dazu u.a. Carl Christian Müller, Was ist eigentlich … Gemeinfreiheit?, in: KulturBetrieb, vier 2015, S. 98.
Anm. 2: Vgl. dazu u.a. Torsten Kleinz, Urheberrecht: Mannheimer Museum verklagt Wikipedia-Betreiber, 24.11.2015, in: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Urheberrecht-Mannheimer-Museum-verklagt-Wikipedia-Betreiber-3015618.html; Abfrage: 13.01.2016
Anm. 3: Vgl. dazu u.a. Carl Christian Müller, Zur urheberrechtlichen Schutzfähigkeit von Reproduktions-Fotografien, in: KulturBetrieb, drei 2015, S. 84-85.
Anm. 4: Reiss-Engelhorn-Museum scheitert mit Klage gegen Wikipedia Foto; Quelle: hoesmann.eu/reiss-engelhorn-museum-scheitert-mit-klage-gegen-wikipedia-foto/; Abfrage: 22.01.2016 Anm. 5: Reiss-Engelhorn-Museen: Reproduktionen gemeinfrei erklären; Quelle: http://www.gruene-fraktion-mannheim.de/2016/01/19/reiss-engelhorn-museen-reproduktionen-gemeinfrei-erklaeren/; Abfrage: 22.01.2016.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", eins 2016, S. 79.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2016-Ausgabe-1-Februar.pdf