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Digitalisierung ist kein Selbstzweck

Das komfortable Finden und Nutzen der Daten steht noch bevor

Weltweit ist die elektronische Erfassung von Kunst- und Kulturgütern in vollem Gange. Immer mehr Museen, Bibliotheken und Archive fertigen mit technisch, personell und finanziell hohem Aufwand Digitalisate ihrer Exponate und Deponate an. Inzwischen stellt sich jedoch zunehmend die Frage nach der Zugänglichkeit und Nutzbarkeit dieses rasant wachsenden Datenberges.

Wie erreicht man engagierte oder emotionale Bindung?

Zunächst war die Digitalisierung für viele Kulturbetriebe ein hilfreiches Instrument, um die Bestände inventarisieren und für interne Prozesse effektiver handhaben zu können. Seit einiger Zeit werden die zwei- und dreidimensionalen Abbildungen zusätzlich online gestellt, wobei die Frage der Bild- und Verwendungsrechte kontrovers diskutiert und teilweise vor Gericht ausgetragen wird. (Anm. 1) Unabhängig von der Klärung des juristischen Sachverhaltes, der z.B. in Deutschland anders bewertet wird als in den USA, sehen sich inzwischen immer mehr Kulturbetriebe damit konfrontiert, eine aktive Beziehung zwischen den im „Schaufenster“ präsentierten 2- oder 3D-Dateien und einer möglichst breiten Öffentlichkeit herzustellen. In ihrem Beitrag „Auf den zweiten Klick“ stellt Sandra Rendgen Projekte vor, mit denen Kultureinrichtungen versuchen, „die Kunst aus dem Suchfenster eines Webportals raus zu kriegen“, um „eine engagierte, vielleicht sogar emotionale Anbindung der Nutzer an unsere Sammlungen“ zu erreichen. (Anm. 2) Zu den interessantesten Formaten zählt Rendgen u.a. den Hackathon „Coding da Vinci“ (Anm. 3) und die Website „VanGoYourself“, die – ganz in der Tradition der Tableaux vivants – eine Nähe zwischen heutigem Besucher und alten Werken schaffen will. (Anm. 4)

Wie findet man etwas, von dem man nichts weiß?

Übliche Webportale funktionieren anhand textbasierter Anfragen in Suchfenstern. Das aus der Informatik rührende Verfahren hat seine Berechtigung, wenn man weiß, was man sucht, engt aber „die Perspektive auf kulturelle Sammlungen extrem ein. Wie können Nutzer etwas suchen, wovon sie gar nicht wissen, dass es in der Sammlung enthalten ist oder wie es heißt?“ (Anm. 5) Um die künstlerische oder intellektuelle Auseinandersetzung mit Kultur anzuregen, bietet das dänische Projekt „CultureCam“ die Möglichkeit der visuellen Suche nach Farben oder Mustern: „Mit der Kamera im eigenen Computer lässt sich ein Objekt fotografieren. Die Datenbank wirft dann visuell ähnliche Kunstwerke aus, die aufgrund freier Lizenzen auch weitergenutzt werden können, z.B. von Gestaltern und Illustratoren.“ (Anm. 6) Etwas Ähnliches bietet die New York Public Library: Seit Januar 2016 stellt sie nicht nur über 187.000 digitalisierte Fotos, Postkarten, Karten, Drucke usw. in hoher Auflösung online bereit, sondern ermutigt die Nutzer, das Material „auf Touren zu bringen“ und etwas Eigenes aus den frei verfügbaren Daten zu machen: „We see digitization as a starting point, not end point. (…) We don’t just want to put stuff online and say, `Here it is´, but rev the engines and encourage reuse.” (Anm. 7) Die Digitalisate können nach unterschiedlichen Kriterien durchsucht werden: Chronologisch, nach bestimmten Farben oder Materialarten oder in Sammlungen gegliedert. (Anm. 8)

Umdenken in den Institutionen

Weitere Möglichkeiten der aktiven Einbeziehung von Außenstehenden sind „kollaborative Modelle, in denen Nutzer gemeinsam ihr Wissen zu Objekten zusammentragen, kommentieren oder verschlagworten. Damit wird auch deutlich: Ein solcher Gebrauch von digitalisierten Kulturgütern wäre eine vollkommen neue Verwendungsweise für die in den Museen und Archiven verwahrten Objekte. (…) Das erfordert auch ein Umdenken in den Institutionen: weg von der Deutungshoheit der Experten hin zur gemeinschaftlichen Nutzung und Interpretation des Kulturerbes. (…) Dieser Prozess des Umdenkens hat gerade erst begonnen. Er könnte uns einen neuen öffentlichen Reichtum an Kulturgütern bescheren, die bislang in den Depots der Museen und Archive begraben bleiben mussten.“ (Anm. 9)

Dr. Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeischrift KulturBetrieb

Anm. 1: Vgl. dazu z.B. den aktuellen Rechtsstreit zwischen dem Mannheimer Reiss-Engelhorn-Museum und der Online-Enzyklopädie Wikipedia um das Copyright sog. gemeinfreier Werke. Hierzu u.a.: Eva Herzog, Das Privileg der Abbildung, in: Süddeutsche Zeitung, 15.07.2015, und Torsten Kleinz, Urheberrecht: Mannheimer Museum verklagt Wikipedia-Betreiber, 24.11.2015, in: http://www.heise.de/newsticker/meldung/Urheberrecht-Mannheimer-Museum-verklagt-Wikipedia-Betreiber-3015618.html; Abfrage: 13.01.2016
Anm. 2: Sandra Rendgen, Auf den zweiten Klick. Museen und Bibliotheken stecken seit Jahren enorme Anstrengungen in die Digitalisierung ihrer Bestände. Und was machen wir jetzt mit dem ganzen Reichtum?, in: Süddeutsche Zeitung, 15.07.2015
Anm. 3: Vgl. u.a. codingdavinci.de sowie Barbara Fischer, Coding da Vinci, in: KulturBetrieb, zwei 2015, S. 8 f.
Anm. 4: Vgl. vangoyourself.com
Anm. 5: Rendgen, a.a.O.
Anm. 6: Vgl. culturecam.eu
Anm. 7: Jennifer Schuessler, New York Public Library Invites a Deep Digital Dive (06.01.2016), in: http://www.nytimes.com/2016/01/06/books/new-york-public-library-invites-a-deep-digital-dive.html?_r=0; Abfrage: 13.01.2016
Anm. 8: Vgl. http://www.nypl.org/research/collections/digital-collections/public-domain
Anm. 9: Rendgen, a.a.O.

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in "KulturBetrieb. Magazin für innovative und wirtschaftliche Lösungen in Museen, Bibliotheken und Archiven", eins 2016, S. 58-59.

Zum Magazin: http://www.kulturbetrieb-magazin.de/fileadmin/user_upload/kulturbetrieb-magazin/magazin/KulturBetrieb-2016-Ausgabe-1-Februar.pdf