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Was und wie wird online gesucht?

Nützliche Erkenntnisse des Victoria & Albert Museums

Die elektronische Erfassung von Kunst- und Kulturgütern ist in vollem Gange. Immer mehr Archive, Bibliotheken, Museen u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen fertigen mit technisch, personell und finanziell hohem Aufwand Digitalisate ihrer Exponate und Deponate an – auch, um sie online zugänglich zu machen. Mit dem Anwachsen der Datenberge stellt sich die Frage nach einer möglichst einfachen Zugänglichkeit und effektiven Nutzbarkeit, intern wie extern. (Anm. 1) Dabei ist zu bedenken, dass die eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einer Einrichtung bei der Onlinerecherche anders vorgehen als `digitale Gäste´. Das Londoner Victoria & Albert Museum (V&A) hat diesen Sachverhalt systematisch untersucht und Überraschendes festgestellt.

Weshalb kommen die Nutzer?

Das 1852 gegründete Victoria & Albert Museum beherbergt die wohl weltweit größte Sammlung von Kunstgewerbe und Design. Inzwischen kann auf einen beachtlichen Teil der Bestände auch online zugegriffen werden. Mitte März 2020 sind 1.235.895 Objekte und 827.750 Abbildungen eingestellt. (Anm. 2) Dieses Angebot wird eifrig genutzt, besonders anhand der 2009 eingerichteten Seite „Search the Collections“. Im Jahr 2018 hat das V&A mehr als 2,6 Millionen Online-Besuche gezählt.
Zehn Jahre nach dem Start dieses Services hat das Museum eine Evaluierung über die Nutzer, deren Verhalten und deren Erwartungen durchgeführt. Im Rahmen einer mehrstufigen Studie ist 2019 untersucht worden, wer die Nutzer sind, wie sie die Onlinepräsentationen der verschiedenen Sammlungen nutzen und was ihre spezifischen Ziele und Bedarfe sind. (Anm. 3) Kati Price, Leiterin der Abteilung Digital Media, fasst die Ergebnisse für 2018 wie folgt zusammen: Rund 40 Prozent der Online-Besucher geben als Grund für ihren Besuch ein `persönliches Interesse´ an. 25% kommen aus akademischem und 14% aus beruflichem Interesse; 10 Prozent bereiten auf diesem Wege einen Besuch des Museums vor und vier Prozent landen eher zufällig beim Surfen auf der Museumsseite.

Wie gelangen sie auf die Webseite?

Mit Blick auf den Zugang zu den Seiten des Museums ergibt sich Überraschendes für das V&A: Weniger als 25 Prozent suchen über die eigentlich für die Onlinerecherche vorgesehene Seite „Search the Collections“. Mehr als 75 Prozent gelangen über Suchmaschinen wie Google direkt auf einzelne Objektseiten und nicht zunächst auf das offizielle Einstiegsportal. Daraus folgt für das V&A: Das zeigt wie wichtig es ist, die Seiten für das Auffinden durch Suchmaschinen zu optimieren und relevante kontextuelle Links auf der Seite vorzuhalten. Das bedeutet nicht, dass die Suche auf der Seite weniger wichtig ist, aber wir sollten die Seiten unter der Annahme gestalten, dass jede Seite ein potenzieller Einstiegspunkt ist.

Vier verschiedene Modi der Interaktion

Im Rahmen der Studie hat das V&A über einen Zeitraum von acht Wochen auch die Nutzer via Onlineinterviews befragt und ihr Nutzerverhalten beobachtet. Daraus hat das Museum vier verschiedene Arten der Interaktion abgeleitet, jede mit eigenen Bedarfen und Motivationen: „Understand“ (Überblick, Zugang zur vertieften Recherche oder zum Besuch des Museums), „Explore“ (Besucher, die von der Fülle des Angebotes überwältigt werden können, wünschen Anleitung), „Develop“ (Besucher, die nach Inspiration suchen und ein spezifisches Interesse mitbringen, benötigen eine Kombination aus Möglichkeiten zum gezielten Suchen und freien Browsen) und „Research“ (Besucher, die in einem engen Gebiet einen vertieften Zugang suchen). (Anm. 4)

Nutzer wollen etwas mitteilen

Bei der Auswertung der Onlineinterviews war das Museum zunächst über die große Zahl der Antworten erschrocken, die mit `Sonstiges´ markiert waren. Rasch zeigte sich aber, dass ein Großteil der Nutzer, die diese Funktion genutzt haben, einfach mehr Platz zum Mitteilen ihrer Erfahrungen und Kenntnisse benötigten. Für das V&A war es eine unerwartete und willkommene Überraschung, dass offenbar so viele Nutzer einen persönlichen Bezug zu Objekten aus den Sammlungsbeständen des Hauses haben: „Es zeigt zum einen das Potenzial, wenn man seinen Besuchern eine Stimme gibt, und zum anderen den unermesslichen Wert, den diese Geschichten dem Leben der Objekte hinzufügen können.“

Entscheidend ist, wo und wie die Nutzer suchen

Laut Studie des V&A nehmen viele Nutzer offenbar an, dass die erste Objektseite, die sie finden, die Gesamtheit aller Informationen zu dem Stück enthalten. Das ist oftmals aber nicht der Fall, da z.B. weiterführende Angaben auf anderen Seiten des Museums oder auch in (verlinkten) Archiven anderer Einrichtungen vorgehalten werden. Daraus folgert das Haus: Wir können nicht davon ausgehen, dass Nutzer verstehen wie das Museum arbeitet oder dass sie wissen, wie das Material organisiert ist. Wir können auch nicht davon ausgehen, dass die Nutzer solange suchen bis sie das Gewünschte finden. Wir müssen sicherstellen, dass die vorgehaltenen Inhalte an den Stellen gefunden werden können, an denen die Nutzer suchen. Dies ist umso wichtiger, als das V&A auch herausgefunden hat, wie sehr die Nutzer auf die Informationen des Museums vertrauen und das Haus als eine autorisierte Quelle für Wissen betrachten. Daraus erwächst die Verantwortung des Museums, klar und transparent mit der Genauigkeit der Informationen umzugehen.

Viele Nutzer erwarten hochauflösende Abbildungen

Dienste wie Google oder Pinterest basieren zu großen Teilen auf Bildern. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrung besuchen viele Nutzer die Webseiten von Museen und erwarten selbstverständlich nicht nur, dass die Bilder überhaupt vorhanden sind, sondern dass sie auch in hoher Qualität hinsichtlich Auswahl und Auflösung zur Verfügung stehen. Die visuelle Orientierung kann aus Sicht der Nutzer eine Vielzahl von Aspekten betreffen: Kontextualisierung unabhängig von Texten, bessere Erfassung der Details als bei den ausgestellten Objekten oder klare Unterscheidbarkeit bei ambivalenten Begriffen (z.B.: Befasst sich die `China´-Sammlung mit Porzellan oder dem Land?).

Fazit

Aus der Fülle an Beobachtungen folgert das V&A u.a.: Das Wechselspiel von Text und Bild kann leicht übersehen werden, aber es spielt eine Schlüsselrolle für die Erwartungen und Herangehensweisen der Nutzer. Künftig sollen neue Möglichkeiten geschaffen werden, die den Bedarfen der Nutzer besser gerecht werden. Ziel des Hauses ist es, ein breites Publikum leichter an das Entdecken, Recherchieren und Inspirieren heranzuführen.

Anm. 1: Berthold Schmitt, Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Das komfortable Finden und Nutzen der Daten steht noch bevor, in: KulturBetrieb, eins 2016, S. 58 f.
Anm. 2: V&A. Search the Collections, 15.03.2020; Quelle: collections.vam.ac.uk; Abfrage: 15.03.2020
Anm. 3: Jack Craig, How are the V&A’s online collections used?, in: V&A-Blog, 16.08.2019; Quelle: www.vam.ac.uk/blog/digital/how-are-the-vas-online-collections-used; Abfrage: 28.08.2019
Anm. 4: Bei den genannten Modi handelt es sich einstweilen um Arbeitsbegriffe.
Anm. 5: Übersetzungen aus dem Englischen: Berthold Schmitt

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2020, S. 26 f.