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Fachbeiträge "Depot"

Motten, Käfer & Co. lieben Ruhe und Dunkelheit

Lockdown der Kultureinrichtungen ist Segen für Schädlinge

Des einen Leid, des andern Freud´ … Pandemiebedingt muss die Gesellschaft derzeit auf Vieles verzichten, auch auf den Besuch von Museen, Archiven, Bibliotheken u.a. kulturbewahrenden Einrichtungen. Während die Menschen den `Kulturgürtel´ enger schnallen, bedeutet der zwangsweise Stillstand vielerorts Wachstum für die Schädlinge.

Besonders britische Museen und Herrenhäuser klagen

COVID-19 hat weltweit die Gesellschaft außer Takt gebracht und gewohnte Abläufe in Frage gestellt. Während viele Menschen die Kurzarbeit, das Homeoffice und das Reiseverbot dazu genutzt haben, ihre Wohnung oder ihr Eigenheim umzugestalten oder gründlich zu reinigen, war genau das in hiesigen Kulturbetrieben nur eingeschränkt möglich. Museen und Ausstellungshäuser konnten mit reduzierter Personalstärke ihre haustechnischen Anlagen für Wasser, Klima und Sicherheit betreiben, pflegen und warten. In Großbritannien war das zur Hochphase des Lockdowns nicht einmal das möglich: Weder die wissenschaftlichen und technischen Mitarbeiter, noch das Reinigungspersonal durften zeitweise die Häuser betreten. Für Schädlinge war der zwangsverordnete Dornröschenschlaf der Museen, Schlösser und Herrenhäuser ein `Fest´: „Schädlinge haben in Großbritannien von der Corona-Pandemie profitiert und sind in einigen Museen und historischen Gebäuden zur Plage geworden. Ihre Zahl habe 2020 um elf Prozent im Vergleich zum Vorjahr zugenommen, ergab eine Analyse der Denkmalschutzorganisation National Trust. `Es besteht kein Zweifel, dass der Lockdown den Insekten gut getan hat´, sagte Konservatorin Hilary Jarvis der Nachrichtenagentur PA zufolge. `Die relative Ruhe, Dunkelheit und fehlende Störungen durch Besucher und Mitarbeiter haben seit März perfekte Bedingungen für Larven und erwachsene Tiere gleichermaßen geboten.´ Auch Schimmelpilze seien vermehrt aufgetreten.

Tests mit der Doppelmethode

Im Kampf gegen Kleidermotten (Tineola bisselliella) testet die Organisation nun ein zweiseitiges Vorgehen. Zum einen wird eine winzige Wespe – Trichogramma evanescens – eingesetzt. Das nur 0,5 Millimeter kleine Insekt ist der Erzfeind der Kleidermotte, es legt seine Eier in deren Nester und stirbt dann. Außerdem werden Pheromone, ein Botenstoff, versprüht. Das soll männliche Kleidermotten verwirren und die Paarung verhindern. `Wir hoffen sehr, dass dieser wegweisende Ansatz eine praktische und nachhaltige Methode bietet, mit der in all unseren Objekten gegen schweren Befall vorgegangen werden kann´, sagte Konservatorin Jarvis. Zunächst laufen Tests mit der Doppelmethode im ostenglischen Herrenhaus Blickling Hall. Dort sind Kleidermotten zu einer Plage geworden. Gefährdet ist dort unter anderem eine Tapisserie, die den Sieg des russischen Herrschers Peter des Großen über die Schweden zeigt und dem damaligen Besitzer des Anwesens von Zarin Katharina der Großen geschenkt wurde. (Anm. 1)

Deutsche Häuser waren vorgewarnt

Hiesige Museen waren aufgrund der britischen Erfahrungen frühzeitig sensibilisiert. Das Museum Ludwig in Köln hat laut Restauratorin Yvonne Garborini nach der Devise „Gefahr im Verzug“ gehandelt und das laufende Programm zur Integrierten Schädlingskontrolle (IPM) intensiviert, sodass keine besonderen Schäden zu verzeichnen waren. Garborini weist aber auch darauf hin, dass ein möglicher Befall stark von den konkreten Gegebenheiten eines Kulturbetriebes abhängen kann: Herrenhäuser mit alter Bausubstanz und einer vielfältigen Mischung an Materialien (Holz, Stoff, Leinwand, usw.) können deutlich gefährdeter sein als moderne Museumsgebäude. (Anm. 2) Auch die Berliner Häuser beobachten keinen größeren Schädlingsbefall als üblich. Das liege auch daran, dass durch das reduzierte Publikum weniger Schädlinge in die Häuser eingetragen werden.

Berthold Schmitt, Herausgeber der Fachzeitschrift KulturBetrieb

Anm. 1: Warum Schädlinge in britischen Museen nun zur Plage werden, 18.02.2021, in: Westfalenpost.de; Quelle: https://www.wp.de/reise/warum-in-britischen-museen-jetzt-schaedlinge-zur-plage-werden-id231599565.html ; Abfrage: 09.04.2021
Anm. 2: Corona-bedingte Schädlinge in Museen, in: WDR 3 Kultur, 18.02.2021; Quelle: https://www1.wdr.de/mediathek/audio/wdr3/wdr3-kultur-am-mittag/audio-corona-bedingte-schaedlinge-in-museen-100.html ; Abfrage: 09.04.2021

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in KulturBetrieb, eins 2021, S. 20.

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