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Ratten zerstören wissenschaftliche Bücher

Universitätsbibliothek Stuttgart erleidet enormen Schaden

Als der Schaden entdeckt wurde, war es längst zu spät. Durch Rattenbefall sind in der Universitätsbibliothek Stuttgart rund 8.000 Bücher zerstört worden. Der Schaden wird auf rund 200.000 Euro beziffert. Die Ursache für die Rattenplage ist offenbar mehrschichtig.

Gefräßige Kulturfolger

Die betroffene Bibliothek liegt am Rande des Stuttgarter Stadtgartens – schön, aber zu nahe an der Natur. Anfang 2018 hat sich gezeigt, dass Ratten sich in dem Gebäude ausgebreitet haben und dabei Tausende wissenschaftliche Bücher stark in Mitleidenschaft gezogen haben. „Etwa 200 Regalmeter Bücherregale waren so stark mit Rattenkot verseucht, dass sie entsorgt und ersetzt werden mussten. (…) Betroffen ist demnach sozial-, wirtschafts- und rechtswissenschaftliche Literatur aus den Sechziger- bis Achtzigerjahren des 20. Jahrhunderts. Mittlerweile, so ein Unisprecher, hätten Kammerjäger das Problem im Griff. Mögliche Zugänge für die Tiere seien verschlossen worden. (…) Eine Wiederholung der Rattenplage sei aber nicht ausgeschlossen: Zum einen ist das Bibliotheksgebäude sanierungsbedürftig, zum anderen würden Feiernde im Stadtgarten immer wieder Abfälle und Essensreste liegen lassen und damit den Ratten Nahrung bieten. Die Universität habe deshalb – bisher erfolglos – die Stadt Stuttgart darum gebeten, den Park öfter zu reinigen. Derzeit, wird der Unisprecher zitiert, erfolge das nur einmal pro Woche.“ (Anm. 1)
Ratten sind eine Nagetiergattung aus der Gruppe der Altweltmäuse. Einige der rund 65 Arten haben sich als Kulturfolger an die Nähe des Menschen angepasst. Sie finden ihre Nahrung häufig in Vorratslagern oder im Abfall. Haus- und Wanderratten können nicht nur alles fressen, was Menschen essen, sondern noch zusätzliche Stoffe wie Pelze, Seife, Papier und Bienenwachs. Da sie extreme Hitze und Kälte meiden, sind Archive, Depots und Museen ideale Wohnplätze. In dem Handbuch Integriertes Schädlingsmanagement heißt es: „Sobald Nagetiere sich in einem Gebäude eingerichtet haben, kann die Population schnell wachsen und nutzt die zur Verfügung stehenden Ressourcen. Sie schädigen wahllos alles in ihrer Umgebung: Gemälde, Holzartefakte, Leder, Stoffe, Lebensmittel und Bücher. (…) Die Bausubstanz, Elektroinstallationen, Alarmsysteme und die Kanalisation sind potenzielle Ziele. Eine erhebliche Anzahl Brände wird von Nagetieren verursacht, die an elektrischen Anlagen genagt haben. Nicht nur direkte Schäden entstehen durch einen Nagetierbefall. Die Tiere verunreinigen ihre Umgebung auch mit Kot und Urin. (…) Die Wanderratte lebt ungefähr ein Jahr und scheidet in dieser Zeit etwa fünf Liter Urin aus (…) und erzeugt etwa 40 Kötel pro Tag.“ (Anm. 2)

Vorbeugen, überwachen und bekämpfen

Da Nagetiere sich sehr schnell vermehren können, ist es entscheidend, rasch und äußerst gründlich gegen die Schädlinge vorzugehen. Neben der Vermeidung des Befalls durch gute Hygiene und Abdichten des Gebäudes ist die kontinuierlichen Überwachung (Monitoring) wichtig. Wenn diese präventive Strategie nicht erfolgreich ist, sind die Schädlinge entschieden zu bekämpfen. Da Fallen und Klebeflächen den Befall oftmals nur reduzieren, ist die „Verwendung von Giften das einzige Verfahren, das so gut wie immer effektiv ist.“ (Anm. 3) Um den Befall eindeutig zu bestimmen und die geeigneten Maßnahmen zur Bekämpfung festzulegen und durchzuführen, sollten betroffene Einrichtungen ausgewiesene Spezialisten heranziehen. Mit Blick auf die Universitätsbibliothek Stuttgart, wo der Befall offenbar erst spät erkannt worden ist, fragt Tilmann Spreckelsen sich, „wann jemand zuletzt einen Blick auf die betroffenen Bücher und Regale geworfen hatte, wie lange niemand die juristische und ökonomische Fachliteratur bestellt oder ausgeliehen hat – und weiter, wozu man Bücher eigentlich aufhebt, die offenbar niemanden mehr interessieren.“ (Anm. 4)

Und was macht Stuttgart?

„Die Stadtverwaltung beteuert, sie wolle gegen das Müllproblem verstärkt vorgehen. Von Frühjahr an werde öfter gereinigt, statt einmal in der Woche dreimal. Von April bis Oktober werde man die Papierkörbe fünfmal statt dreimal pro Woche leeren. Zudem würden größere Abfallbehälter angebracht. 2018 habe das Gartenamt schon vorläufige pflegerische und gestalterische Verbesserungen vorgenommen.“ Die Universität selbst hofft vor allem auf einen Neubau: „Man hätte das optimaler machen können. Das ist ein Problem, das hoffentlich wach gerüttelt hat“, bemerkte Rektor Wolfram Ressel zum Rattenbefall im Bibliotheksarchiv.“ (Anm. 5)

Anm. 1: Ratten zerstören in Stuttgart fast 8000 wissenschaftliche Bücher. Als der Kammerjäger kam, waren die Bücher schon verloren: In der Universitätsbibliothek Stuttgart haben Ratten einen Schaden von etwa 200.000 Euro verursacht, in: Spiegel Online, 02.10.2018; Quelle: http://www.spiegel.de/lebenundlernen/uni/stuttgart-ratten-zerstoeren-8000-buecher-in-uni-bibliothek-a-1231309.html; Abfrage: 28.12.2018
Anm. 2: Adrian Meyer, Nagetiere und Vögel, in: David Pininger, Bill Landsberger u.a., Handbuch Integriertes Schädlingsmanagement in Museen, Archiven und historischen Gebäuden, Berlin 2016, S. 120.
Anm. 3: Ebd., S. 128.
Anm. 4: Tilmann Spreckelsen, Gefühlsspeicher. Die Geschichte der Bibliotheken ist auch eine Geschichte ihrer Gefährdung, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 13.10.2018, S. B2.
Anm. 5: Armin Friedel, Zerstörte Bücher an der Uni Stuttgart. Warum sich die Ratten ausgebreitet haben, in: Stuttgarter Zeitung.de, 05.10.2018; Quelle: https://www.stuttgarter-zeitung.de/inhalt.zerstoerte-buecher-an-der-uni-stuttgart-warum-sich-die-ratten-ausgebreitet-haben.b8688a39-14e6-46fc-9572-b8aed323981e.html; Abfrage: 28.12.2018

Dieser Beitrag wurde erstmals publiziert in eins 2019 KulturBetrieb, S. 26 f.

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